OGH 10ObS123/13f

OGH10ObS123/13f12.9.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich‑Hillegeist‑Straße 1, wegen Pflegegeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 11. Juli 2013, GZ 11 Rs 68/13v‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Das auf ein Pflegegeld in Höhe mindestens der Stufe 1 gerichtete Klagebegehren stützt sich darauf, dass die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen, insbesondere ihres schweren Herzfehlers, ständige Unterstützung und Betreuung bei fast allen Angelegenheiten des täglichen Lebens benötige.

Zu der im Revisionsverfahren noch relevanten Frage der Berücksichtigung des fixen Zeitwerts von zehn Stunden für die Beheizung des Wohnraums einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial (§ 2 Abs 2 der EinstV zum BPGG) brachte die Klägerin vor, die Wohnung verfüge zwar über eine Gas‑Zentralheizung, diese werde aber aus Kostengründen auf niedrigem Niveau gefahren. Überwiegend werde mit einem Holzofen in der Küche geheizt, da Holz von dritter Seite gratis zur Verfügung gestellt werde. Das Anheizen und Nachlegen mit Holz sei ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte, der Klägerin das Pflegegeld in Höhe der Stufe 1 im gesetzlichen Ausmaß von 154,20 EUR monatlich ab 1. 3. 2012 zu zahlen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass ein Pflegebedarf von 78 Stunden monatlich bestehe, sodass die Klägerin nach § 4 Abs 2 BPGG Anspruch auf Pflegegeld der Stufe 1 habe. Dass neben einer bestehenden Gas‑Zentralheizung aus Kostengründen in der Küche ein Holzofen verwendet wird, für den die Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen das Heizmaterial nicht herbeischaffen und den sie nicht bedienen kann, begründe keinen (weiteren) Hilfsbedarf nach § 2 Abs 2 EinstV.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und bestätigte das Urteil des Erstgerichts mit der Maßgabe, dass das Mehrbegehren auf ein höheres als das Pflegegeld der Stufe 1 abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen:

1. Das Pflegegeld hat den Zweck, in Form eines Beitrags pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten (RIS‑Justiz RS0106555).

2. Was unter Pflegebedarf bzw Betreuung und Hilfe zu verstehen ist, wird in der Einstufungsverordnung definiert. Unter Hilfe sind aufschiebbare Verrichtungen anderer Personen zu verstehen, die den sachlichen Lebensbereich betreffen und zur Sicherung der Existenz erforderlich sind (§ 2 Abs 1 EinStV). Unter anderem zählt zu den Hilfsverrichtungen auch die Beheizung des Wohnraumes einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial (§ 2 Abs 2 EinstV). Dafür ist ein ‑ auf einen Monat bezogener ‑ fixer Zeitwert von 10 Stunden anzunehmen (§ 2 Abs 3 EinstV).

3.1. Wenngleich infolge der in § 2 Abs 2 EinstV zum BPGG enthaltenen Pauschalierung das Bedarfsausmaß nicht konkret zu prüfen ist, kommt es für die Beurteilung, ob die betreffende Hilfsverrichtung zur Sicherung der Existenz (§ 2 Abs 1 EinstV) erforderlich ist, auf die individuelle Situation an (RIS‑Justiz RS0106402 [T1]). Ob ein Hilfsbedarf nach § 2 EinstV für die Beheizung des Wohnraums einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial anzunehmen ist, ist demnach an Hand der jeweiligen konkreten Situation zu beurteilen (RIS‑Justiz RS0106402 [T2]).

3.2. Wie bereits das Berufungsgericht dargelegt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung ein Bedarf nach fremder Hilfe zur Beheizung des Wohnraums einschließlich der Herbeischaffung von Heizmaterial zu verneinen, wenn eine funktionsfähige Zentralheizung vorhanden ist, sofern der Pflegebedürftige diese zu bedienen im Stande ist oder die Wartung und Temperatursteuerung nicht vom Pflegebedürftigen vorgenommen werden muss (zB Fernwärme, Gasetagenheizung). Trotz Anschlusses an eine bestehende Zentralheizung könnte nach der Rechtsprechung ein anzuerkennender Mehrbedarf aber dann bestehen, wenn der Wohnraum der pflegebedürftigen Person wegen deren schlechten Gesundheitszustands auch außerhalb der üblichen Heizperiode beheizt oder während dieser auf eine höhere Temperatur gebracht werden muss, was einen vermehrten Aufwand im Zusammenhang mit der Herbeischaffung des festen Heizmaterials und der Beschickung eines Herdes mit sich bringen könnte. In diesem Fall wären die damit verbundenen Hilfsverrichtungen im Pflegebedarf zu berücksichtigen (10 ObS 166/95, SSV‑NF 9/83; 10 ObS 2212/96h, SSV‑NF 10/79; 10 ObS 321/99z, SSV‑NF 13/147; 10 ObS 342/99p, SSV‑NF 14/3; 10 ObS 13/00k, SSV‑NF 14/23 zust Pfeil, Bundespflegegeldgesetz und landesgesetzliche Pflegegeldregelungen [1996], 89; Oberlandesgericht Wien 25. 3. 2010, 9 Rs 28/10v, krit Greifeneder in der Entscheidungsbesprechung ÖZPR 2010/48, 45; siehe auch Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld3 Rz 533).

3.3. Im vorliegenden Fall wird die Gas‑Zentralheizung als Beheizungsform verwendet, wenngleich sie ‑ wie die Klägerin selbst vorbringt ‑ auf niedriger Stufe gefahren wird und aus Kostengründen zusätzlich der Küchenofen mit Holz beheizt wird. Bei dieser Sachlage besteht weder ein Anhaltspunkt dafür, dass ein Bedarf nach zusätzlicher Beheizung mit Holz aus gesundheitlicher Notwendigkeit bei der Klägerin vorliegt, noch dafür, dass sie zur Bedienung der Zentralheizung nicht im Stande wäre. Ist mit der Herbeischaffung des festen Heizmaterials und der Beschickung des Küchenofens verbundene Hilfsbedarf aber nicht zur Sicherung der Existenz erforderlich (§ 2 Abs 1 EinStV), ist er nicht zuzuerkennen (Pfeil, Neuregelung der Pflegevorsorge in Österreich 189).

4. Die Ansicht der Vorinstanzen, der für die Beheizung der Wohnung in § 2 Abs 3 EinstV vorgesehene fixe Zeitwert von 10 Stunden monatlich sei bei der Ermittlung des Pflegebedarfs nicht zu veranschlagen, weicht somit von der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ab. Angesichts des sonst nicht strittigen Pflegebedarfs beträgt der Pflegebedarf der Klägerin 78 Stunden monatlich, was nach § 4 Abs 2 BPGG der Pflegestufe 1 entspricht.

Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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