Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A./) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 StGB (B./1./) sowie der Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (B./2./ und 3./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und nach § 21 Abs 2 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.
Danach hat er in G***** Kristina Hr*****
A./ im Herbst 2012 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und zur Vornahme dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen genötigt, und zwar
1./ zur Duldung von Vaginal- und Analverkehr, indem er ihr mehrfach mit der Faust ins Gesicht schlug;
2./ zur Durchführung von Oralverkehr, indem er ihren Kopf gewaltsam gegen seinen erigierten Penis drückte;
B./ durch gefährliche Drohung zu Handlungen und Unterlassungen genötigt, und zwar
1./ im Herbst 2012 durch die wiederholten sinngemäßen Äußerungen, er werde sie nicht in Ruhe lassen, sie bei ihrem Arbeitgeber schlecht machen und bewirken, dass dieser das Arbeitsverhältnis beende, somit durch Drohung mit einer Verletzung am Vermögen zur Abstandnahme von der Beendigung der Beziehung genötigt, wodurch besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzt wurden;
2./ am 13. Jänner 2013 durch die Äußerung „Wennst net sofort gehst und eam ane woscht, dann wosch i dir und eam ane und dann hol i glei seinen Vater und wosch eam dann auch gleich ane“, somit mit einer Verletzung am Körper bzw einer Verletzung von Sympathiepersonen zur Misshandlung ihres Sohnes zu nötigen versucht;
3./ am 14. Jänner 2013 durch die Äußerung „I wosch dir ane … wenn ich einmal zuschlag, dann zertrümmer ich dir dein Gesicht, schau, dass der Toni am Nachmittag net da ist ...“ somit durch gefährliche Drohung mit einer Verletzung am Körper zur Durchführung eines ungestörten Treffens mit dem Angeklagten zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die fehlschlägt.
Die Verfahrensrüge (Z 4) richtet sich gegen den Ausspruch der Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB. Die Anordnung einer Maßnahme nach § 21 StGB stellt einen Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 3 StPO dar, der grundsätzlich mit Berufung und nach Maßgabe des § 281 Abs 1 Z 11 StPO auch mit Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft werden kann. Dabei sind Überschreitung der Anordnungsbefugnis (Z 11 erster Fall) und Ermessensentscheidung innerhalb dieser Befugnis zu unterscheiden. Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde ist die Überschreitung der Anordnungsbefugnis, deren Kriterien der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruhende Zustand und dessen Einfluss auf die Anlasstat sowie die Mindeststrafdrohung für die Anlasstat nach § 21 StGB sind. Hinsichtlich dieser für die Sanktionsbefugnis entscheidenden Tatsachen ist neben der Berufung auch die Bekämpfung mit Verfahrens-, Mängel- oder Tatsachenrüge (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall iVm Z 2 bis 5a StPO) zulässig.
Werden die gesetzlichen Kriterien für die Gefährlichkeitsprognose verkannt oder die Prognosetat verfehlt als solche mit schweren Folgen beurteilt, kommt eine Anfechtung nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO in Betracht. Der Sanktionsausspruch ist dann nichtig, wenn im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose eine der in § 21 StGB genannten Erkenntnisquellen (Person, Zustand des Rechtsbrechers und Art der Tat) vernachlässigt wird oder die Feststellungsgrundlage die Ableitung der schweren Folgen als willkürlich erscheinen lässt (vgl zum Ganzen: Ratz in WK² StGB Vorbem zu §§ 21 bis 25 Rz 9 und Ratz, WK-StPO § 281 Rz 715 ff; RIS-Justiz RS0118581, RS0113980, RS0090341).
Der Angeklagte beantragte in der Hauptverhandlung die „Abberufung“ des Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Manfred W*****, weil dessen Gutachten nicht lege artis erstellt, darin „überhaupt nicht auf die Frage, ob eine ambulante Behandlung (Therapie) eine sinnvolle Besserung des Zustandsbildes herbeiführen könnte“, eingegangen worden und die Expertise (insgesamt) „unrichtig“ sei; zudem fehle dem nicht mehr in der Sachverständigenliste geführten Univ.-Prof. Dr. W***** „die Eignung als Sachverständiger“, weil über ihn ein Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Überdies beantragte der Angeklagte die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie (ON 20 S 5 f iVm ON 19).
Entgegen der Verfahrensrüge wurden durch die Abweisung dieser Anträge Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt. Die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen gemäß § 127 Abs 3 StPO ist nämlich nur dann vorgesehen, wenn sich die dort beschriebenen Mängel von Befund und Gutachten durch Befragung des bereits bestellten Sachverständigen nicht beseitigen lassen. Da aber der Angeklagte und sein Verteidiger die Möglichkeit hatten, Univ.-Prof. Dr. W***** in der Hauptverhandlung zur angewandten wissenschaftlichen Methode und insbesondere auch zur - für die Einweisung nach § 21 Abs 2 StGB allerdings nicht relevanten - Thematik, ob in naher Zukunft von der Fortführung der Maßnahme abgesehen werden kann, zu befragen und der Sachverständige dazu auch Stellung nahm (ON 20 S 4 ff), hätte es einer fundierten Darlegung im Antrag bedurft, weshalb die behaupteten Bedenken gegen das Gutachten nicht aufgeklärt wurden (vgl RIS-Justiz RS0102833 [T2]; Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 16). Demgegenüber erschöpft sich das Antragsvorbringen in der Behauptung, das Gutachten sei „unrichtig“, ohne dass überhaupt eine, geschweige denn eine einigermaßen substantiierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Experten als solchem erfolgte. Die in Rede stehenden Anträge, die sich solcherart als Versuch einer Überprüfung der Beurteilungen des Sachverständigen ersichtlich in der Hoffnung eines für den Antragsteller günstigeren Ergebnisses und somit als unzulässige Erkundungsbeweisführung darstellen (vgl RIS-Justiz RS0117263 [T17]), wurden daher zu Recht abgewiesen.
Das von den Beweisanträgen abweichende und diese ergänzende Vorbringen im Rechtsmittel ist unzulässig und insoweit genauso unbeachtlich wie die im gegebenen Zusammenhang unter Berufung auf - allerdings nicht näher bezeichnete - „Inhalte und Ergebnisse einer bereits anhängigen bzw durchgeführten Therapie“ angestellten Beweiswerterwägungen und Schlussfolgerungen des Beschwerdeführers (RIS-Justiz RS0099618; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Der das Vorliegen der Voraussetzungen der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB bestreitende Einwand (nominell Z 5 und Z 11, der Sache nach Z 11 erster Fall iVm Z 5 zweiter Fall), die Beweiswürdigung des Schöffengerichts sei unvollständig geblieben, weil der Umstand, dass sich der Angeklagte bereits „während des Beweisverfahrens“ bzw „zeitgleich zum Hauptverfahren“ mit Erfolg einer Therapie unterzogen hätte, vom Erstgericht völlig unberücksichtigt geblieben sei, geht schon im Ansatz fehl, weil die nach Ansicht des Nichtigkeitswerbers übergangenen (erheblichen) Verfahrensergebnisse, die indizieren, dass die vom Gesetz verlangte Gefährlichkeit nicht mehr existiert (vgl dazu Ratz, WK² StGB § 45 Rz 10, sowie die in der Hauptverhandlung vorgelegte Therapievereinbarung mit dem erklärten Ziel einer Reduktion der Rückfallwahrscheinlichkeit, ON 22) nicht deutlich und bestimmt bezeichnet werden (zum Erfordernis einer Präzisierung einer Rüge aus Z 5 zweiter Fall: RIS-Justiz RS0119422, RS0118316 [T4 und T5]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 421).
Der zu B./1./ bis 3./ des Spruchs das Vorliegen einer bloßen Scheinbegründung behauptenden Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider wurde sowohl die objektive als auch die subjektive Tatseite mit Bezugnahme auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Opfers Kristina Hr***** und die geständige Verantwortung des Angeklagten sowie dem weiteren Hinweis darauf, dass die subjektive Tatseite im Übrigen auch problemlos aus dem objektiven Tatgeschehen abgeleitet werden kann (US 8 f und 10), logisch und empirisch einwandfrei begründet.
Mit (mehrmaligen) Hinweisen darauf, dass es zwischen dem Angeklagten und der Zeugin immer wieder zu Auseinandersetzungen gekommen sei, wenn er „nach Geschlechtsverkehr verlangte“, er sich aber „nachweislich in anderen Situationen“ mit der Weigerung der Zeugin, mit ihm Geschlechtsverkehr durchzuführen, abgefunden habe, wird weder ein Begründungsdefizit im Sinn der Z 5 dargetan, noch gelingt es dem Nichtigkeitswerber, beim Obersten Gerichtshof solcherart erhebliche Bedenken (Z 5a) gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen zu erwecken.
Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581). Ein Feststellungsmangel wird geltend gemacht, indem unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch indizierten Sachverhalt eine vom Erstgericht nicht gezogene rechtliche Konsequenz angestrebt wird, weil dieses ein Tatbestandsmerkmal, einen Ausnahmesatz (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a bis c StPO) oder eine andere rechtliche Unterstellung bei der rechtlichen Beurteilung nicht in Anschlag gebracht hat (RIS-Justiz RS0118580; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).
Mit dem Vorbringen, dass „der Angeklagte durchaus auch auf die Wünsche der Zeugin Kristina Hr***** eingegangen ist bzw diese akzeptiert hat und sie nicht weiter bedrängte, um mit ihm den Geschlechtsverkehr durchzuführen“, und es im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Geschlechtsverkehr durchgeführt werden soll, öfters mit entsprechenden Diskussionen verbundene Differenzen geherrscht hätten, sodass es sich bei den zu B./1./ bis 3./ inkriminierten Drohungen „wohl schlichtweg um milieubedingte Unmutsäußerungen“ gehandelt habe, verfehlt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt. Vielmehr kritisiert sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung, indem sie ihr nicht genehme Feststellungen mittels eigenständiger Beweiswerterwägungen durch andere ersetzt (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584, 593).
Ebenso kritisiert der Nichtigkeitswerber bloß die Beweiswürdigung, wenn er argumentiert, dass seine „Äußerungen keinesfalls so zu verstehen“ seien, dass er sie auch tatsächlich umsetzen könnte oder wollte.
Abschließend behauptet die Rechtsrüge (Z 9 lit a) das Fehlen ausreichender Feststellungen zur Beurteilung, „ob objektiv und subjektiv die Voraussetzungen der §§ 105 bzw 106 StGB gegeben“ sind. Sie legt jedoch nicht dar, welche über die ohnedies getroffenen - unmissverständlichen - Urteilsannahmen (US 5 und 6 f) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion noch erforderlich gewesen wären.
Die Gefährlichkeitsprognose wurde - dem Beschwerdevorbringen (nominell Z 11, der Sache nach Z 11 iVm Z 5 vierter Fall) zuwider - mit Bezugnahme auf das für schlüssig und nachvollziehbar erachtete Gutachten des Sachverständigen formal einwandfrei begründet (US 9). Mit dem - sinngemäßen, nicht deutlich und bestimmt bezeichneten - Einwand, das Gutachten selbst sei gleichfalls nicht zureichend begründet, wird der herangezogene Nichtigkeitsgrund nicht zur Darstellung gebracht (RIS-Justiz RS0119301, RS0099508).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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