European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00082.13M.0829.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Der Vater wiederholt in seinem Rechtsmittel im Wesentlichen die Argumentation im Rekurs. Mit diesen Ausführungen vor allem zur Selbsterhaltungsfähigkeit der Antragstellerin zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf.
2.1 Die Zumutbarkeit der Erwerbstätigkeit eines unterhaltsberechtigten Kindes wird im Allgemeinen für die Zeit nach Abschluss einer Berufsausbildung und Zuerkennung eines angemessenen Zeitraums für die zielstrebige Arbeitsplatzsuche bejaht (RIS‑Justiz RS0047621). In der Entscheidung 8 Ob 3/13v wurde dazu ausgesprochen, dass der Unterhaltsanspruch eines Kindes außerhalb des Pflichtschulalters grundsätzlich erst dann erlischt, wenn das Kind nach Beendigung der Schulausbildung eine zielstrebige Berufsausbildung oder zumutbare Erwerbstätigkeit nach Abschluss der Berufsausbildung unterlässt. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Annahme einer hier vom Vater geforderten fiktiven Selbsterhaltungsfähigkeit voraussetzt, dass das Kind am Scheitern einer angemessenen Ausbildung oder einer Berufsausübung ein Verschulden trifft. Ein Unterhaltsberechtigter verliert im gegebenen Zusammenhang den Unterhaltsanspruch also nur dann, wenn er die Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit aus Verschulden unterlässt (1 Ob 88/08k; 2 Ob 179/10b). Während einer zuzubilligenden Ausbildung ist das Kind nicht verpflichtet, eine damit nicht im Zusammenhang stehende Erwerbstätigkeit auszuüben ( Neuhauser in Schwimann/Kodek 4 § 140 ABGB Rz 418).
2.2 Nach der Tatsachengrundlage hat die Antragstellerin die WIFI-Berufsausbildung zur Fußpflegerin als sozialpädagogische Behandlung, also zu Therapiezwecken, absolviert. Entgegen der Behauptung des Vaters hat das Rekursgericht im Einklang mit der Tatsachengrundlage festgehalten, dass es nie dem Berufswunsch der Antragstellerin entsprochen habe, ihren Lebensunterhalt als Fußpflegerin zu bestreiten.
Selbst wenn die angesprochene WIFI‑Ausbildung als abgeschlossene Berufsausbildung im Sinn der unterhaltsrechtlichen Judikatur angesehen würde (grundsätzlich verneinend 2 Ob 126/10h), kann unter den gegebenen Umständen eine Tätigkeit der Antragstellerin als Fußpflegerin nicht als zumutbare Berufsausübung qualifiziert werden. Der vom Vater in dieser Hinsicht geäußerte Verschuldensvorwurf ist nicht berechtigt.
2.3 Richtig ist, dass einem Kind eine zweite Ausbildung zugebilligt werden kann, wenn es eine ernsthafte Neigung und besondere Eignung sowie ausreichenden Fleiß für eine derartige weitere Ausbildung erkennen lässt, es weiters für den Unterhaltsschuldner als zumutbar erscheint, dafür Leistungen zu erbringen, und mit überwiegender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass dadurch eine nicht unbedeutende Verbesserung des künftigen Fortkommens des Kindes eintreten wird (RIS‑Justiz RS0107722). Die genannten Bestimmungsfaktoren stellen ein bewegliches System dar, das eine den jeweiligen Umständen des Einzelfalls angepasste Ausmittlung der weiterbestehenden Unterhaltspflicht ermöglichen soll. Maßstab für die Belastbarkeit des Geldunterhaltspflichtigen ist die Orientierung an einer intakten Familie (2 Ob 179/10b).
Auch nach diesen Kriterien halten sich die Entscheidungen der Vorinstanzen im Rahmen der Rechtsprechung. Eine fehlende Eignung der Antragstellerin für ihr Bachelorstudium hat der Vater nicht dargelegt. Die Eignung ergibt sich im Übrigen aus der Erlangung der Studienberechtigung (vgl 2 Ob 39/08m). Mit einer akademischen Ausbildung sind in der Regel verbesserte Fortkommenschancen verbunden. Da das in Rede stehende Studium dem Berufswunsch und der Neigung der Antragstellerin entspricht, erscheint es mit Rücksicht auf ihre persönliche Situation naheliegend, dass ihr dieses Studium die Gelegenheit eröffnet, in Zukunft zu ihrem Lebensunterhalt beizutragen. Dass dem Vater nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen die Beteiligung an den Kosten des Studiums möglich und zumutbar ist, steht außer Zweifel (vgl RIS‑Justiz RS0047580; 9 Ob 63/08t).
2.4 Der Vater weist zutreffend darauf hin, dass ein studierendes Kind nur solange Anspruch auf Unterhalt hat, als das Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird (RIS‑Justiz RS0110600; 2 Ob 39/08m). Allerdings kann auch die Frage, wann ein Kind seinen Unterhaltsanspruch verliert, weil es die Ausbildung nicht zielstrebig verfolgt, nur nach den Umständen des konkreten Einzelfalls beurteilt werden (8 Ob 3/13v). Dabei kommt es nach der Rechtsprechung auf den ex-post zu betrachtenden Studienfortgang unter Berücksichtigung der durchschnittlichen bzw angemessenen Studiendauer an (vgl 1 Ob 239/09t).
Ausbildungsunwilligkeit und fehlendes Bemühen wird der Antragstellerin vom Vater nicht unterstellt. Das Rekursgericht hat im gegebenen Zusammenhang auf die Belastung der Antragstellerin durch ihr Kleinkind ohne jede familiäre Unterstützung und auf ihre persönliche Entwicklung hingewiesen. Mit Rücksicht auf diese besonderen Umstände würde ihr im Rahmen einer intakten Familie die Absolvierung des gewünschten Studiums in angemessener Zeit zugebilligt werden, und zwar ungeachtet des therapiebedingt abgeschlossenen WIFI‑Kurses.
2.5 Insgesamt erweist sich die Beurteilung des Rekursgerichts, dass die überdurchschnittlichen Lebensverhältnisse der Eltern und die persönliche Lebenssituation der Antragstellerin unterhaltsrechtlich für die Weiterführung der universitären Ausbildung sprechen, als nicht korrekturbedürftig. Das Rekursgericht hat dazu auch darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin nach wie vor auch für sich selbst die Familienbeihilfe bezieht. Dieser Umstand kann zumindest als Indiz für die Zielstrebigkeit des studierenden Unterhaltsberechtigten herangezogen werden (vgl 1 Ob 239/09t).
3.1 Für die Zeit des Aufenthalts in einem Therapiezentrum wurde der Antragstellerin angesichts der Lebensverhältnisse der Eltern ein Taschengeld zuerkannt. Der Vater beruft sich nicht auf das Vorliegen einer Drittpflege, steht aber auf dem Standpunkt, dass der Antragstellerin auch in dieser Zeit Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Freizeitgestaltung und Urlaub finanziert worden sei.
3.2 Der Gesamtunterhaltsbedarf besteht nicht nur aus der Verpflegung im Sinn einer „Vollversorgung“. Vielmehr gehören dazu auch die zusätzlichen Bedürfnisse des Kindes, wie etwa Kleidung, kulturelle und sportliche Bedürfnisse, Ferienkosten, aber auch Taschengeld zur individuellen Befriedigung höchstpersönlicher Bedürfnisse, das dem Alter des Kindes und den elterlichen Lebensverhältnissen angemessen sein muss (vgl 6 Ob 230/01v; 2 Ob 211/11k).
Wie bereits erwähnt, ist bei der Festsetzung des Geldunterhalts stets auf die Verhältnisse in einer intakten Familie Bedacht zu nehmen (1 Ob 177/02i). Unter dieser Voraussetzung und unter Bedachtnahme auf die hier vorliegenden konkreten Verhältnisse weicht das Rekursgericht auch mit seinen Überlegungen zum Taschengeld während des Therapieaufenthalts der Antragstellerin nicht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ab.
4.1 Bei überdurchschnittlichen Einkommensver-hältnissen wird die Berücksichtigung von Luxusbedürfnissen des unterhaltsberechtigten Kindes vor allem aus pädagogischen Gründen abgelehnt. Nach der Rechtsprechung soll es daher nicht zu einer verschwenderischen, vom vernünftigen Bedarf eines Kindes völlig losgelösten Überalimentierung kommen. Die Grenzen einer den Bedürfnissen des Kindes und dem Leistungsvermögen des Unterhaltsschuldners angemessenen Alimentierung lassen sich wiederum nur im Einzelfall bestimmen. Es gibt daher keinen allgemeinen, mit einem bestimmten Vielfachen des Regelbedarfs festgesetzten „Unterhaltsstopp“ (RIS‑Justiz RS0047424; RS0007138).
4.2 Das Rekursgericht hat im Einklang mit diesen Rechtsgrundsätzen den Standpunkt des Vaters abgelehnt, der Geldunterhaltsanspruch seiner Tochter finde bei 1.300 EUR eine absolute Grenze. Der im Anlassfall mit dem 2,9‑fachen des Regelbedarfssatzes zuerkannte Betrag kann nicht als Überalimentierung zur Befriedigung verschwenderischer Luxusbedürfnisse qualifiziert werden. Das Argument des Vaters, die Wünsche der Antragstellerin im Zusammenhang mit ihrer Berufsausbildung würden das Vorliegen einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung darlegen, ist nicht verständlich.
5.1 Anders als das Rekursgericht annimmt, ist auch die Frage der Berücksichtigung von Taggeldern aus einer privaten Krankenversicherung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Dieselben Überlegungen gelten für den von den Vorinstanzen angesprochenen „Vergütungsanspruch“, der daraus resultiert, dass die Antragstellerin anlässlich der Geburt ihres Kindes nicht die Sonderklasse in Anspruch genommen hat.
In der Entscheidung 8 Ob 1/13z wurde dazu ‑ unter Bezugnahme auf die Entscheidung 8 Ob 140/05d ‑ dargelegt, dass die Zweckwidmung des Taggeldes darin besteht, die mit dem stationären Aufenthalt in der Krankenanstalt verbundene Unbill auszugleichen. Das Taggeld hat demnach aufgrund der besonderen Zweckwidmung ‑ so wie etwa das Schmerzengeld ‑ keine Entgeltersatzfunktion und ist daher nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen. Außerdem dient das Taggeld der Deckung eines abstrakten Bedarfs, der durch den Spitalsaufenthalt entsteht, nicht aber dem Ausgleich konkreter Krankenkosten. Es handelt sich damit nicht um eine typische Leistung, mit der krankheitsbedingte Mehrausgaben abgedeckt werden. Daraus folgt, dass das Taggeld zur Gänze aus der Bemessungsgrundlage (des Unterhaltspflichtigen) auszuscheiden ist, und nicht nur insoweit, als sich ein bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigender krankheitsbedingter Mehraufwand ergibt.
5.2 Für den Anlassfall ergibt sich aus den dargestellten Überlegungen, dass ein vom Unterhaltsberechtigten (tatsächlich) bezogenes Taggeld nicht als Eigeneinkommen zu qualifizieren ist. Selbst dann, wenn die Antragstellerin eine derartige Leistung aus der privaten Krankenversicherung ausbezahlt erhalten hätte, was hier jedoch nicht der Fall ist, müsste sie sich diese nicht anrechnen lassen. Der Vater kann sich somit nicht darauf berufen, seine Tochter hätte die Versicherungsleistung in Anspruch nehmen müssen, um seine Geldunterhaltspflicht zu mindern.
6. Mangels erheblicher Rechtsfrage war der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG. Die Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin war nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)