OGH 11Os74/13m

OGH11Os74/13m23.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Juli 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Müller als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Patrick D***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und 3 erster Fall StGB und anderen strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 21. Jänner 2013, GZ 22 Hv 62/12a-99, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemäß § 494a Abs 1 StPO gefassten Beschluss nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil - das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch des Angeklagten enthält - wurde Patrick D***** des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB (A./), der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 erster Satz StGB (B./) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (C./) schuldig erkannt.

Danach hat er in F*****

A./ am 20. Oktober 2011 mit einer unmündigen Person, und zwar mit der am 25. Oktober 2000 geborenen Johanna L*****, eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er ihr auf die Scheide griff und wiederholt einen Finger in ihre Scheide einführte, während er sich mit der Hand selbst befriedigte, wobei die Tat bei Johanna L***** eine schwere Körperverletzung, nämlich eine 24 Tage übersteigende Gesundheitsschädigung in Form einer behandlungsbedürftigen posttraumatischen Belastungsstörung (im Detail beschrieben US 7) zur Folge hatte;

B./ bis zu seiner Festnahme am 12. November 2011 im Urteil genau bezeichnete pornografische Darstellungen mündiger minderjähriger Personen durch Abspeicherung auf seinem Computer bzw auf externen Festplatten besessen;

C./ zwischen 17. April 2010 und 19. Juli 2010 eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werde, indem er das Kennzeichen ***** mitführte und nicht der zuständigen Behörde übergab.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus Z 3, 4 und „9“ des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Dem von der Verfahrensrüge (Z 3) behaupteten Verstoß gegen das Einwendungsrecht kommt schon deshalb keine Bedeutung zu, weil § 126 Abs 3 StPO nicht unter Nichtigkeitssanktion steht. Im Übrigen trifft die Kritik nicht zu (vgl ON 1 S 7 und 33). Gründe für eine Befangenheit der zur Erstattung des Gutachtens nicht nur im Ermittlungsverfahren, sondern auch von der Vorsitzenden beauftragten Expertin wurden in der Hauptverhandlung nicht vorgebracht (ON 89 S 11 f iVm ON 98 S 2, 5).

Lediglich der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass nach Erstattung von Befund und Gutachten auf mangelnde Sachkunde der Sachverständigen gegründete Einwendungen nicht mehr zulässig sind (vgl Hinterhofer; WK-StPO § 126 Rz 68).

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des (unmittelbar nach Abschluss der Befragung des Sachverständigen Dr. Di***** gestellten) Antrags auf Einholung eines Ergänzungsgutachtens bzw eines Ersatzgutachtens zum Beweis dafür, dass beim Opfer keine schwere Verletzung eingetreten ist, Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Ein weiterer Sachverständiger ist im Strafverfahren nur dann beizuziehen, wenn das bereits vorliegende Gutachten mangelhaft im Sinne des § 127 Abs 3 erster Satz StPO ist und diese Bedenken durch nochmalige Befragung des bestellten Sachverständigen nicht behoben werden können (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351). Derartige Mängel zeigt der Beschwerdeführer mit seiner Kritik an der Erstellung eines Aktengutachtens nicht auf. Die Überzeugungskraft eines im Sinne des § 127 Abs 3 erster Satz StPO mängelfreien Befunds oder Gutachtens unterliegt der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichts (RIS-Justiz RS0097433; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351). Hinzu kommt, dass im Antrag nicht dargetan wurde, weshalb davon auszugehen sei, dass die unmündige Zeugin sowie deren gesetzliche Vertreter die erforderliche Zustimmung zur psychologischen Exploration erteilen würden, obwohl Gegenteiliges bereits aktenkundig ist (RIS-Justiz RS0097584, RS0118956, Ratz, WK-StPO § 281 Rz 350; ON 1 S 35).

Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS-Justiz RS0099810).

Diesen Anforderungen wird die - zum Schuldspruch C./ in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal „Urkunde“ Feststellungen zum Vorsatz des Angeklagten vermissende - Rechtsrüge (Z 9 lit a StPO) nicht gerecht. Weshalb die diesbezüglich angenommene laienhafte Kenntnis des Angeklagten (US 12) nicht hinreiche, legt die Beschwerde nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588). Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass eine Erfassung des Tatbildmerkmals im sozialen Bedeutungsgehalt genügt, genauer juristischer Kenntnisse bedarf es nicht (vgl zur hM und zur Parallelwertung in der Laiensphäre: Fabrizy, StGB10 § 5 Rz 3; Kienapfel/Höpfel/Kert AT14 Z 11 Rz 11; Reindl in WK² StGB § 5 Rz 12; 11 Os 46/13v, 11 Os 40/12k; RIS-Justiz RS0114316).

Soweit die Rechtsrüge auf das Sachverständigengutachten verweist, eigene Beweiswerterwägungen anstellt und die von den Tatrichtern zur Zurechnungsfähigkeit und zur subjektiven Tatseite getroffenen Feststellungen übergeht (US 9), entzieht sie sich einer inhaltlichen Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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