OGH 10ObS91/13z

OGH10ObS91/13z23.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. März 2013, GZ 12 Rs 29/13s-17, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 25. Oktober 2012, GZ 16 Cgs 18/12h-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger genießt keinen Berufsschutz. Aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen ist seine tägliche Arbeitszeit auf 6 Stunden zu begrenzen. Eine Wohnsitzverlegung bzw ein Wochenauspendeln ist nicht zumutbar; ein Tagespendeln im zeitlichen Ausmaß von etwa 45 Minuten jeweils zum und vom Arbeitsplatz ist jedoch möglich. Unter Berücksichtigung seiner weiteren gesundheitlichen Einschränkungen ist der Kläger noch in der Lage, einfache Reinigungstätigkeiten auszuüben, wie etwa Reinigungsarbeiten in Büros, Ordinationsräumen oder Privathaushalten. Im Bereich, den der Kläger durch Tagespendeln mittels öffentlicher Verkehrsmittel innerhalb von 45 Minuten erreichen kann, gibt es zumindest 30 solcher Stellen mit 4 bis 6-stündiger Teilzeitarbeit, die mit dem Leistungskalkül des Klägers zu vereinbaren sind.

Das Erstgericht wies das auf Zuspruch der Invaliditätspension gerichtete Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) - ist die Revision nicht zulässig.

1. Für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO vorliegen, ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs maßgebend (RIS-Justiz RS0112921; RS0112769). Dieser hat aber zwischenzeitig (nach Ergehen der Berufungsentscheidung) in der Entscheidung 10 ObS 47/13d vom 28. 5. 2013 zu der auch im vorliegenden Verfahren entscheidungswesentlichen Rechtsfrage eingehend Stellung genommen. Gegenstand dieser Entscheidung war - ebenso wie hier - die Frage, ob es in dem durch Tagespendeln in zumutbarer Weise erreichbaren Umkreis eine so nennenswerte Zahl von - offenen oder besetzten - Stellen gibt, die die Annahme rechtfertigen, dass ein für die Verweisbarkeit ausreichender Arbeitsmarkt besteht.

2. Es wurde ausgesprochen, dass es für die berechtigte Annahme eines Arbeitsmarkts im Allgemeinen auf die Anzahl der dem eingeschränkt leistungsfähigen Versicherten in seinem Verweisungsfeld insgesamt zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze ankommt. Aus dem Verweisungsfeld sind jedoch Tätigkeiten auszuscheiden, die der Versicherte zwar noch ausüben könnte, in denen die Anzahl der Arbeitsplätze aber so gering ist, dass sie in keiner nennenswerten Zahl zur Verfügung stehen. Eine absolute Mindestzahl von vorhandenen Arbeitsplätzen in den einzelnen noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten für eine zulässige Verweisung lässt sich aber nicht festlegen. Die Annahme eines ausreichenden regionalen Arbeitsmarkts wird ganz allgemein dann nicht mehr berechtigt sein, wenn insgesamt weniger als 30 für den Versicherten erreichbare, seiner Leistungsfähigkeit adäquaten Arbeitsplätze bestehen. Stehen jedoch einem Versicherten in 2 Verweisungstätigkeiten je zumindest 15 Arbeitsplätze, insgesamt somit 30 Arbeitsplätze, zur Verfügung, die mit Tagesspendeln erreichbar sind, ist vom Bestehen eines für eine Verweisung ausreichenden regionalen Arbeitsmarkts auszugehen (10 ObS 51/08k, SSV-NF 22/55). Dabei macht es keinen Unterschied, ob in zwei Verweisungstätigkeiten je zumindest 15 Arbeitsplätze oder beispielsweise in einem einzigen Verweisungsberuf zumindest 30 Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. Jedenfalls handelt es sich bei der Frage, ob ein ausreichender regionaler Arbeitsmarkt gegeben ist, um eine im Einzelfall zu beurteilende Rechtsfrage.

3. Die Ansicht der Vorinstanzen, im vorliegenden Fall sei in jenem Umkreis, den der Kläger durch Tagespendeln in zumutbarer Weise erreichen kann, das Vorliegen eines für die Verweisbarkeit ausreichenden regionalen Arbeitsmarkts zu bejahen, weicht von diesen Grundsätzen nicht ab. Da der Revisionswerber mit seinen Ausführungen keine zulassungsrelevante Fehlbeurteilung aufzeigt, ist die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers, die einen ausnahmsweisen Kostenersatzanspruch nach Billigkeit rechtfertigen können, wurden nicht vorgebracht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Stichworte