OGH 9ObA21/13y

OGH9ObA21/13y29.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Peter Schönhofer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Mag. K***** K*****, vertreten durch Dr. Ulrich Schwab, Dr. Georg Schwab, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, wegen 10.818,87 EUR brutto und 6.484,24 EUR netto sA (Revisionsinteresse: 10.236,21 EUR brutto, 4.188,44 EUR netto sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 19. Dezember 2012, GZ 12 Ra 73/12k‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin war ab 3. 1. 2011 aufgrund eines bis 2. 7. 2011 befristeten Dienstverhältnisses für die Beklagte als Contract Managerin in Martinique tätig. Das Dienstverhältnis endete durch Dienstgeberkündigung zum 31. 5. 2011.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte zeigt in ihrer Revision zu den von den Vorinstanzen bejahten Klagsansprüchen aus der vorzeitigen Vertragsbeendigung keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

1. In Hinblick auf das Vorbringen, die aliquoten Sonderzahlungen seien mangels Geltendmachung binnen drei Monaten ab Fälligkeit verfallen, hat das Berufungsgericht die von der Beklagten gewählte Vorgehensweise um die Endabrechnung als konstitutives Anerkenntnis der Ansprüche gewertet, weshalb der Verfall keine Rolle spiele. Angesichts der Ankündigung der Beklagten, die Endabrechnung nach Fertigstellung zu übermitteln, und der tatsächlichen Berücksichtigung der Sonderzahlungen in der Endabrechnung ist dies unter Bedachtnahme auf die Vorkorrespondenz der Parteien vertretbar und steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung, dass es keiner außergerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs bedarf, wenn ein Entgeltanspruch des Arbeitnehmers bereits Bestandteil der vom Dienstgeber erstellten Lohnabrechnung ist (8 ObA 34/07v). Die Klägerin konnte dies auch kaum anders verstehen, als dass die Beklagte die Berechtigung dieser Ansprüche zugestand.

2. Zur Ansicht der Beklagten, die für die Zeit der Befristung nach Maßgabe des Angestelltengesetzes vereinbarten Kündigungsmöglichkeiten seien nicht sittenwidrig gewesen, haben die Vorinstanzen zutreffend auf die Rechtsprechung hingewiesen, dass die Parteien auch für ein auf bestimmte Zeit eingegangenes Arbeitsverhältnis die Möglichkeit einer Kündigung vereinbaren können, sofern die Dauer der Befristung und die Möglichkeit einer Kündigung in einem angemessenen Verhältnis stehen (RIS‑Justiz RS0028428 [T1]; ausführlich 8 ObA 42/04s mwN).

Die Vorinstanzen haben berücksichtigt, dass das Dienstverhältnis der Klägerin mit einer Entsendung auf eine Karibikinsel verbunden war, für die sie ihre beiden minderjährigen Kinder mitübersiedelt hatte, dass damit ein hoher Aufwand an Vorkehrungen bei Behörden, Versicherungen, Schulen, Banken etc verbunden war, der eine gewisse Planungssicherheit erforderte und dass das bereits schulpflichtige Kind der Klägerin für die vorgesehenen sechs Monate eine kontinuierliche Schulausbildung mit einem auch in Österreich anerkannten Schuljahreszeugnis erhalten sollte. Wenn sie deshalb zum Ergebnis kamen, dass diese Umstände gewichtiger seien als das Interesse der Beklagten, das Dienstverhältnis zum 31. 5. anstatt zum 2. 7. 2011 beenden zu können, ist diese Interessenabwägung nicht weiter zu beanstanden.

Daran ändert auch der Hinweis der Beklagten auf § 25 Abs 9 Schulunterrichtsgesetz nichts, wonach bei der Entscheidung über das Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe ein mindestens fünfmonatiger fremdsprachiger Schulbesuch im Ausland als erfolgreicher Schulbesuch in Österreich gilt. Denn abgesehen davon, dass der Schulbesuch des schulpflichtigen Kindes zum 31. 5. 2011 noch keine fünf Monate gedauert hätte, ist der Klägerin sowohl in organisatorischer als auch in erzieherischer Hinsicht ein Interesse daran zuzugestehen, ihr schulpflichtiges Kind nicht planungswidrig aus einem laufenden Schulsemester herausnehmen und auf eine vorzeitige Rückkehr nach Österreich vorbereiten zu müssen.

Das Argument der Beklagten, dass auch aus Arbeitnehmersicht eine über eine Befristung hinausgehende Flexibilität erforderlich gewesen sei, weil ein Probemonat im Winter noch keine Rückschlüsse auf die Erträglichkeit der karibischen Arbeitsbedingungen im Frühjahr/Sommer zulasse, rechtfertigt keine Kündigungsmöglichkeit des Arbeitgebers. Ein allfälliger kündigungsbedingter Wegfall eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots mag die Klägerin zwar begünstigen, könnte aber ohne weitere Anhaltspunkte die mit einer vorzeitigen Rückkehr verbundenen Nachteile nicht aufwiegen. Worin der Vorteil der Klägerin liegen sollte, dass sie aufgrund der Kündigung vorzeitig aus der ihr zur Verfügung gestellten Dienstwohnung ausziehen musste, ist nicht ersichtlich. Zur von den Vorinstanzen angenommenen Unwirksamkeit der Kündigungsvereinbarung besteht demnach kein Korrekturbedarf.

3. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die von der Klägerin geltend gemachten Schadenersatzansprüche aus dem vorzeitigen Entzug der Wohnmöglichkeit und des Dienstfahrzeugs nicht als „Auslagenersatz“ im Sinne der vereinbarten Verfallsklausel verfallen. Denn diese Ansprüche resultieren aus der rechtswidrigen vorzeitigen Vertragsbeendigung durch die Beklagte, nicht aber aus der Vertragserfüllung durch die Klägerin. Aus § 1014 ABGB ist hier für die Beklagte nichts zu gewinnen, weil auch in dieser Bestimmung zwischen Aufwands- und Schadenersatz unterschieden wird.

Nichts anderes gilt für den pauschalierten Aufwandsersatz, weil die damit abgegoltenen erhöhten Lebenshaltungskosten der Klägerin mit 31. 5. 2011 nicht weggefallen sind. Da der Klägerin die Aufwandsersatzpauschale neben der Wohnmöglichkeit und dem Dienstfahrzeug zustehen sollte, ist nicht erkennbar, warum die genannten Ansprüche nicht kumuliert werden sollten.

4. Behauptungen darüber aufzustellen, warum der in § 49a erster Satz ASGG festgelegte Zinssatz nicht zustehe, ist Sache des Schuldners (RIS‑Justiz RS0116030 [T3]). Das ist im vorbereitenden Schriftsatz der Beklagten, auf den sie verweist, nicht geschehen. Ihre Berechtigung könnte auch nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden, wodurch grundsätzlich keine revisible Rechtsfrage aufgeworfen wird (s RIS‑Justiz RS0116030 [T1]).

5. Da die Revision sohin insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist sie zurückzuweisen.

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