OGH 11Os59/13f

OGH11Os59/13f28.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Mai 2013 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kurzthaler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andreas S***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 28. Februar 2013, GZ 37 Hv 158/12k-13, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas S***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 7. Dezember 2012 in F***** dadurch, dass er, mit einer schwarzen Haube mit Sehlöchern und Handschuhen getarnt, eine Luftdruckpistole unter der Aufforderung „Geld her!“ gegen die Trafikantinnen Renate S***** und Renate K***** in Anschlag brachte, versucht, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) den Genannten Bargeld mit dem Vorsatz wegzunehmen bzw abzunötigen, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er den Raub unter Verwendung einer Waffe zu verüben suchte.

Ausschließlich gegen die Annahme der Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB wendet sich die auf Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Rechtliche Beurteilung

Dem funktionalen Waffenbegriff des § 143 zweiter Fall StGB unterfallen nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung jedenfalls Waffen im technischen Sinn (§ 1 WaffG; RIS-Justiz RS0094012) sowie solche Gegenstände, die diesen nach ihrer Anwendbarkeit und Wirkung gleichkommen (RIS-Justiz RS0115124; SSt 53/22; Eder-Rieder in WK2 § 143 Rz 18; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 143 Rz 13 ff).

Waffen nach § 1 WaffG sind - neben den bei der Jagd oder beim Schießsport verwendeten - Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen. Als Schusswaffen, zu denen grundsätzlich auch Luftdruckpistolen gehören (vgl § 45 Z 3 WaffG; RIS-Justiz RS0094139), werden Waffen bezeichnet, mit denen feste Körper (Geschosse) durch einen Lauf in eine bestimmbare Richtung verschossen werden können (§ 2 WaffG).

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft der Angeklagte die Abweisung seines in der Hauptverhandlung vom 28. Februar 2012 gestellten Antrags auf Einholung eines - nicht näher spezifizierten - Sachverständigen-gutachtens zum Beweis dafür, dass „der verwendete Gegenstand nicht als Waffe zu qualifizieren ist und auch nicht dazu bestimmt ist, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen“ (ON 12 S 2).

Der Kritik des Rechtsmittels zuwider wurden dadurch Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht geschmälert, weil der Antrag eine Rechtsfrage, nämlich die Qualifikation eines Objekts als Waffe (und die Kriterien hiefür) zum Thema hatte, die nicht Inhalt der Beweisaufnahme und somit eines Sachverständigengutachtens sein kann (Hinterhofer, WK-StPO § 127 Rz 12 f; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 343, 346). Die in der Beschwerde nachgereichte Begründung, es könnte sich ergeben, dass es sich bei dem vom Angeklagten verwendeten Gegenstand um eine bloße Waffenattrappe oder eine Softgun handelt, ist prozessual verspätet (RIS-Justiz RS0099618) und überdies spekulativ.

Die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) vermisst eine Begründung zu der vom Erstgericht - im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - getroffenen Feststellung, dass mit „Luftdruckpistolen wie der vorliegenden feste Geschosse verschossen werden“. Der Umstand, dass von Druckluftwaffen feste Körper verschossen werden, bildet jedoch eine offenkundige (notorische) Tatsache; das heißt eine Tatsache, deren Kenntnis allgemein vorausgesetzt werden kann bzw auf jedermann zugänglichen Wegen erreichbar ist. Diese aber bedürfen keiner Begründung (RIS-Justiz RS0098570; Lendl, WK-StPO § 258 Rz 41; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463). Verfahrensergebnisse, die diese Notorietät im vorliegenden Fall ausnahmsweise zweifelhaft erscheinen ließen, liegen nicht vor. Im Übrigen werden auch mit einer „Soft-(Air-)Gun“ feste Körper verschossen.

Dass die Pistole im Abschlussbericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich einmal als Luftdruckpistole (ON 4 S 11) und einmal als Faustfeuerwaffe (ON 4 S 9) bezeichnet wird, bedurfte keiner Erörterung in den Urteilsgründen (Z 5 zweiter Fall), weil es sich in beiden Fällen jedenfalls um eine (Schuss-)Waffe im Sinn der §§ 2, 3 WaffG handelt.

Die Rechtsrüge (Z 10) vermisst Feststellungen „hinsichtlich Merkmalen und Eigenschaften dieser Luftdruckpistole“, unterlässt es aber, vorzubringen, weshalb die Konstatierungen, wonach es sich bei der Waffe um eine Luftdruckpistole, Marke Webley Stinger, 4,5 mm, mit der feste Geschosse verschossen werden, und demnach um keine Spielzeugpistole handelte (US 2, 6), zur rechtlichen Beurteilung nicht ausreichen sollten. Beweisergebnisse, die darauf hindeuten würden, dass die vorliegende Pistole eine „nur geringe Verletzungskapazität“ aufweisen könnte, vermag sie ebenfalls nicht zu benennen (RIS-Justiz RS0099689). Dass es „daher durchaus möglich“ sei, „dass es sich beim verwendeten Gegenstand um eine Softgun handelt“, orientiert sich wiederum nicht am festgestellten Sachverhalt und verbleibt im Spekulativen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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