OGH 10ObS55/13f

OGH10ObS55/13f28.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Dr. Reinhold Hohengartner (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung (Streitwert 14.991,28 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 2013, GZ 10 Rs 129/12g-51, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Beantwortung jener Fragen, die vom Rechtsmittelgericht, das die Aufhebung verfügt hat, auf der Grundlage des gegebenen Sachverhalts bereits abschließend entschieden wurden, kann auch aufgrund neuer Tatsachen nicht mehr in Zweifel gezogen werden. Abschließend erledigte Streitpunkte können somit im fortgesetzten Verfahren nicht mehr aufgerollt werden. Diese inhaltliche Beschränkung gilt auch nach Aufhebungsbeschlüssen wegen des Vorliegens von Feststellungsmängeln. Die Verfahrensergänzung ist auf den durch die Aufhebung betroffenen Teil einzugrenzen. Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes wird nur für Tatsachen anerkannt, die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung im vorangegangenen Rechtsgang entstanden sind (vgl Zechner in Fasching/Konecny 2 § 511 ZPO Rz 1 f; E. Kodek in Rechberger, ZPO3 § 496 Rz 5 jeweils mwN; RIS-Justiz RS0042031 uva). Ein abschließend erledigter Streitpunkt erlaubt also im fortgesetzten Verfahren - von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall abgesehen - kein neues Prozessvorbringen (vgl Klauser/Kodek, ZPO17 § 496 E 66a ff mwN).

2. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei in ihrem vom Kläger angefochtenen Bescheid vom 23. 4. 2008 sowie im ersten Rechtsgang im Verfahren vor dem Erstgericht ihr Rückforderungsbegehren im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger in seinem Pensionsantrag gegenüber der beklagten Partei wahrheitswidrig angegeben habe, es bestehe kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Gattin und er wohne allein in der K*****. Tatsächlich habe, wie der Kläger bei seiner Einvernahme vor dem Erstgericht in einem seine Gattin betreffenden Verfahren selbst eingeräumt habe, auch im Zeitraum vom Jahr 2000 bis Juli/August 2005 ein gemeinsamer Haushalt mit seiner Gattin in der G***** bestanden. Aufgrund dieser wahrheitswidrigen Angaben sei die Pensionsnachzahlung für den Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 30. 6. 2005 mit Ausnahme eines verhältnismäßig geringen Teilbetrags an den Kläger ausbezahlt und nicht mit dem Ausgleichszulagenüberbezug der Gattin des Klägers verrechnet worden.

3. Im ersten Rechtsgang stellte das Erstgericht unter anderem fest, dass dem Kläger aufgrund dessen Angabe im (Pensions-)Akt, dass kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Gattin bestehe, und wegen seiner polizeilichen Meldung unter der Adresse „K*****“ die Pensionsnachzahlung in Höhe von 37.184,09 EUR abzüglich eines Ersatzanspruchs des Arbeitsmarktservice in Höhe von 2.708,50 EUR überwiesen wurde. Weiters stellte das Erstgericht fest, dass der Kläger bei seiner Einvernahme als Zeuge im erwähnten Verfahren vor dem Erstgericht am 6. 7. 2007 im Wesentlichen angegeben hat, dass er mit seiner Gattin immer an der Adresse „G*****“ (= eheliche Wohnung) gewohnt hat und sie insbesondere auch im Zeitraum ab 2001 an der angegebenen Adresse gemeinsam gewohnt haben. Die Führung eines gemeinsamen Haushalts sei auch deshalb notwendig gewesen, weil er in dieser Zeit nur Arbeitslosengeld bzw Pensionsvorschuss bezogen habe. Erst mit dem Bezug seiner Erwerbsunfähigkeitspension im Juli/August 2005 sei er aus der ehelichen Wohnung ausgezogen und bestehe seit dieser Zeit kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Ehegattin. Weiters stellte das Erstgericht fest, dass der Kläger und seine Ehegattin im hier maßgebenden Zeitraum von 2002 bis Juli/August 2005 einen gemeinsamen Haushalt führten.

4. Ausgehend von diesen vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, deren Richtigkeit auch vom Kläger in seiner Berufungsbeantwortung nicht bestritten wurde, gelangte das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang zu dem Ergebnis, dass der Kläger aufgrund seines festgestellten Verhaltens zumindest mit bedingtem Vorsatz („dolus eventualis“) den unberechtigten Leistungsbezug herbeigeführt hat, weil die beklagte Partei, sofern sie vom tatsächlichen Bestehen eines gemeinsamen Haushalts des Klägers mit seiner Ehegattin gewusst hätte, nicht die unberechtigte Pensionsnachzahlung an den Kläger geleistet hätte. Das Berufungsgericht hat aufgrund dieses Umstands das Vorliegen eines Rückforderungstatbestands (§ 76 GSVG) und auch die Möglichkeit der Aufrechnung der von der Ehegattin des Klägers aufgrund des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kläger zu Unrecht bezogenen Ausgleichszulage mit dem entsprechenden Betrag der Pensionsnachzahlung gemäß § 153 Abs 4 GSVG bejaht. Es erachtete die Sozialrechtssache jedoch noch nicht als spruchreif, weil das Erstgericht im Hinblick auf die noch festzulegende Höhe der Rückzahlungsraten keine Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage des Klägers getroffen habe.

5. Der Oberste Gerichtshof gab mit Beschluss vom 8. 11. 2011, 10 ObS 97/11d, dem gegen diesen Aufhebungsbeschluss vom Kläger erhobenen Rekurs in der Sache keine Folge und verwies insbesondere darauf, dass aufgrund der für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen der Kläger und seine Ehegattin - entgegen den von ihnen damals gegenüber den Pensionsversicherungsträgern abgegebenen Erklärungen - im maßgebenden Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 2005 einen gemeinsamen Haushalt führten und der Kläger erst im Juli bzw August 2005 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist, sodass im Umfang der Auszahlung eines Teilbetrags von 14.991,28 EUR an Pensionsnachzahlung ein unrechtmäßiger Leistungsbezug des Klägers vorliegt. Weiters billigte der erkennende Senat die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Rückforderungstatbestand des § 76 Abs 1 erster Fall GSVG erfüllt ist, weil nach den maßgebenden Feststellungen der Vorinstanzen davon auszugehen ist, dass der Kläger gegenüber der beklagten Partei zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts mit seiner Gattin bewusst unwahre Angaben gemacht hat und diese unwahren Angaben auch für die Auszahlung der Pensionsnachzahlung an den Kläger kausal gewesen sind. Der erkennende Senat teilte auch die weitere Rechtsansicht des Berufungsgerichts über die Notwendigkeit einer Verfahrensergänzung zur Klärung der Vermögens- und Einkommenslage des Klägers im Hinblick auf die für die Rückzahlung der zu Unrecht bezogenen Leistung noch festzulegende Leistungsfrist.

6. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Frage des Vorliegens eines Rückforderungstatbestands nach § 76 Abs 1 GSVG sei bereits im ersten Rechtsgang abschließend erledigt worden und könne daher im zweiten Rechtsgang nicht neuerlich aufgerollt werden, steht im Einklang mit der zu Punkt 1. zitierten ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs. Es ist daher auf die Revisionsausführungen des Klägers, die das Vorliegen einer bindenden Rechtsansicht über das Vorliegen des Rückforderungstatbestands nach § 76 Abs 1 erster Fall GSVG zu Unrecht in Zweifel zu ziehen versuchen, nicht weiter inhaltlich einzugehen. Auch der weitere Vorwurf des Revisionswerbers, er sei zum Vorliegen des genannten Rückforderungstatbestands nicht ausreichend gehört worden und es lägen dazu keine ausreichenden Feststellungen vor, ist nicht berechtigt.

7. Die außerordentliche Revision musste daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen werden.

8. Infolge Unzulässigkeit des Rechtsmittels erübrigt sich die Durchführung eines Verbesserungsverfahrens für den mit einem Formmangel behafteten Rechtsmittelschriftsatz (§ 89c Abs 6 GOG idF BGBl I 2012/26), den der Rechtsvertreter des Klägers nach dem maßgeblichen Stichtag (§ 98 Abs 15 Z 1 GOG) - entgegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG idF BGBl I 2012/26 - durch Überreichung bei Gericht und nicht im Elektronischen Rechtsverkehr einbrachte (vgl 1 Ob 141/12k).

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