OGH 10ObS97/11d

OGH10ObS97/11d8.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und KR Mag. Paul Kunsky (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** P*****, vertreten durch Dr. Herbert Orlich, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, und der auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich- Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Rückforderung von Ausgleichszulage (14.991,28 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Mai 2011, GZ 10 Rs 150/09s-35, womit infolge Berufung der Nebenintervenientin das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 11. Februar 2009, GZ 9 Cgs 120/08i-16, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird, soweit darin Nichtigkeit geltend gemacht wird, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

S***** P*****, die Gattin des Klägers, bezieht seit 1. 2. 1999 von der Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: Nebenintervenientin) eine Alterspension, zu der ihr eine Ausgleichszulage zum Familienrichtsatz gewährt wurde.

Mit rechtskräftigem Urteil des Erstgerichts vom 30. 3. 2005, AZ 34 Cgs 82/01z, wurde die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (im Folgenden: beklagte Partei) verpflichtet, dem damaligen und nunmehrigen Kläger (im Folgenden kurz: Kläger) rückwirkend ab 1. 2. 2002 eine Erwerbsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren. Von dem für den Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 30. 6. 2005 entstandenen Nachzahlungsanspruch des Klägers in Höhe von 37.184,09 EUR wurde von der beklagten Partei ein Teilbetrag von 2.708,50 EUR an das Arbeitsmarktservice zur Deckung eines Ersatzanspruchs überwiesen. Der Restbetrag wurde aufgrund der Angabe des Klägers, es bestehe kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Gattin, an den Kläger ausbezahlt.

Mit Bescheid der Nebenintervenientin vom 2. 1. 2006 wurde ausgesprochen, dass für die Zeit vom 1. 2. 2002 bis 12. 5. 2005 kein Anspruch der Gattin des Klägers auf Ausgleichszulage bestehe, weil die Summe aus Pension, dem übrigen Nettoeinkommen und den Beträgen aus Unterhaltsansprüchen die Höhe des jeweils geltenden Richtsatzes überschreite, und es wurde die Ausgleichszulage ab 13. 5. 2005 mit monatlich 78,10 EUR neu festgestellt. Weiters wurde der in der Zeit vom 1. 2. 2002 bis 12. 5. 2005 entstandene Überbezug an Ausgleichszulage in Höhe von 14.991,28 EUR zurückgefordert. Als Begründung wurde im Wesentlichen angegeben, dass der Kläger seit 1. 2. 2002 einen Anspruch auf Erwerbsunfähigkeitspension habe und (erst) seit 13. 5. 2005 kein gemeinsamer Haushalt mehr vorliege.

Das Erstgericht gab mit Urteil vom 6. 7. 2007, AZ 13 Cgs 25/06w, der von der Gattin des Klägers dagegen erhobenen Klage statt und sprach aus, dass der von der Nebenintervenientin (gegenüber der Gattin des Klägers) erhobene Rückforderungsanspruch an Ausgleichszulage nicht zu Recht bestehe. Der vom Erstgericht in der Tagsatzung am 6. 7. 2007 als Zeuge vernommene Kläger hatte bei seiner Einvernahme im Wesentlichen angegeben, dass er auch seit 2001 mit seiner Gattin immer in der gemeinsamen Wohnung und im gemeinsamen Haushalt in der G***** gewohnt habe und erst mit dem Bezug seiner Erwerbsunfähigkeitspension im Juli bzw August 2005 aus der ehelichen Wohnung ausgezogen sei und seither kein gemeinsamer Haushalt mehr mit seiner Ehegattin bestehe. In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass die Rückforderung nicht berechtigt sei, weil der Gattin des Klägers keine Verletzung der Meldepflicht vorzuwerfen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte mit Urteil vom 14. 12. 2007, AZ 7 Rs 157/07w, diese Entscheidung. Es verwies unter anderem darauf, dass es unstrittig sei, dass der Gattin des Klägers eine Ausgleichszulage in der von ihr bezogenen Höhe ab 1. 2. 2002 nicht gebührt hätte, wenn der Kläger bereits damals die später zuerkannte „Berufsunfähigkeitspension“ bezogen hätte. Die von der Nebenintervenientin gemäß § 296 Abs 4 ASVG angestrebte Aufrechnung mit der Pensionsnachzahlung des Klägers sei in diesem Verfahren nicht möglich, weil die Gattin des Klägers selbst keinen Anspruch auf eine Pensionsnachzahlung habe, weshalb die Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG ihr gegenüber nicht zur Anwendung kommen könne.

In einem Schreiben an die beklagte Partei vom 28. 2. 2008 führte die Nebenintervenientin unter anderem Folgendes aus:

„Mit Telefonat vom 29. 7. 2005 wurden wir durch Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass die infolge der Pensionszuerkennung zu leistende Nachzahlung nunmehr an den Pensionisten zur Auszahlung käme. Dies unter Hinweis darauf, dass Herr P***** gegenüber der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft angegeben hat, seit 1. 2. 2002 bis einschließlich 2005 keinen gemeinsamen Haushalt mit seiner Gattin zu haben. Aus diesem Grund sei eine Aufrechnung der Nachzahlung mit dem Ersatzanspruch der Pensionsversicherungsanstalt nicht möglich. Diese Behauptung Ihres Versicherten stimmt mit dem Inhalt eines Fax-Briefes, den uns Frau P***** am 27. 5. 2007 übersandt hat, überein. Darin behauptet sie entgegen früherer Aussagen, dass ihre Ehe mit Herrn P***** zwar noch aufrecht sei, sie jedoch seit 1997 getrennte Haushalte hätten.“ … „Im Hinblick auf die unter Wahrheitspflicht ergangenen Angaben von Herrn P***** im bezeichneten Cgs-Verfahren erlaubt sich die Pensionsversicherungsanstalt, die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft höflich aufzufordern, die an den Pensionisten K***** P***** gewährte Nachzahlung in einem Teilbetrag von 14.991,28 EUR gemäß § 76 GSVG zurückzufordern. Weiters wird ersucht, im Wege der Aufrechnung gemäß § 71 GSVG vorgehen zu wollen und die eingehenden Teilbeträge an die Pensionsversicherungsanstalt überweisen zu wollen.“ ...

Die beklagte Partei erließ daraufhin den nunmehr verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 23. 4. 2008. Darin sprach sie aus, dass die Nachzahlung an Erwerbsunfähigkeitspension mit einem Teilbetrag von 14.991,28 EUR gemäß § 76 GSVG zurückgefordert werde (Punkt 1.), diese Nachzahlung gegen den Überbezug an Ausgleichszulage der Ehegattin des Klägers für den Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 30. 6. 2005 in Höhe von 14.991,28 EUR gemäß § 296 Abs 4 ASVG aufgerechnet werde (Punkt 2.) und diese zu Unrecht erbrachte und zurückzuerstattende Nachzahlung gemäß § 71 Abs 1 Z 2 GSVG gegen den Anspruch des Klägers auf Erwerbsunfähigkeitspension mit monatlich 150 EUR aufgerechnet werde (Punkt 3.).

Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger rechtzeitig Klage mit dem Begehren auszusprechen, „dass sämtliche im Bescheid vom 23. 4. 2008 geltend gemachten Ansprüche der Beklagten nicht zu Recht bestehen; hilfsweise die Rückforderungsanprüche auf Null gemäßigt werden und die Aufrechnungserklärungen der Punkte 2. und 3. dieses Bescheids rechtsunwirksam seien“.

Die beklagte Partei und die auf ihrer Seite beigetretene Nebenintervenientin beantragten die Abweisung des Klagebegehrens sowie die Verpflichtung des Klägers zum Rückersatz von 14.991,28 EUR durch Aufrechnung in Höhe von monatlich 150 EUR auf seine Erwerbsunfähigkeitspension.

Das Erstgericht entschied, dass das von der beklagten Partei mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Rückforderungs- und Aufrechnungsbegehren nicht zu Recht bestehe. Es stellte über den bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus noch fest, dass der Kläger und seine Ehegattin in der Zeit von 2002 bis 2005 einen gemeinsamen Haushalt führten und der Kläger erst im Juli bzw August 2005 aus der Ehewohnung ausgezogen ist.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass infolge der Klagserhebung durch die Gattin des Klägers der Bescheid der Nebenintervenientin vom 2. 1. 2006 außer Kraft getreten sei. Dies bedeute jedoch in der Folge, dass es für das Begehren der Nebenintervenientin gegenüber der beklagten Partei auf Aufrechnung des genannten Überbezugs keinen Titel im Sinne eines rechtskräftigen Bescheids mehr gebe, weil dieser außer Kraft getreten sei. Der Bescheid sei nicht nur im Verhältnis zur Gattin des Klägers außer Kraft getreten, sondern er sei nicht mehr wirksam. Einen anderen Rechtstitel als Grundlage für die Aufrechnung habe die Nebenintervenientin nicht geschaffen. Aus diesem Grund mangle es an der Voraussetzung für die Aufrechnung. Genauso wie die Nebenintervenientin für die Rückforderung der Ausgleichszulage von der Gattin des Klägers einen Titel im Sinne eines rechtskräftigen Bescheids schaffen müsse, hätte es auch für die Aufrechnung desselben Überbezugs gegenüber dem Kläger iSd §§ 296 ASVG, 153 GSVG eines Titels bedurft, der diese Aufrechnung ermögliche. Dieser Titel liege jedoch nicht mehr vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Nebenintervenientin dahin Folge, dass das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sozialrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde. Nach seinen Rechtsausführungen stelle § 296 Abs 4 ASVG für die Aufrechnungsmöglichkeit eines Überbezugs an Ausgleichszulage eine Sondernorm neben den §§ 103, 107 ASVG dar. Die Besonderheit dieser Bestimmung liege darin, dass nicht nur die Aufrechnung gegen Pensionsnachzahlungen nach dem ASVG, sondern gegen Nachzahlungen aus jedem Pensionssystem gesetzlich ermöglicht werde. Zu beachten sei, dass die Rückforderung des Überbezugs an Ausgleichszulage gegenüber der Gattin des Klägers nur deshalb gescheitert sei, weil dabei nur die §§ 103, 107 ASVG zur Anwendung gelangt seien, nicht aber die Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG. Diese Bestimmung sei deshalb nicht zur Anwendung gelangt, weil der Gattin des Klägers keine Pensionsnachzahlung geleistet worden sei. Dem gegenüber habe der Kläger eine Pensionsnachzahlung erhalten. In einem solchen Fall wäre aber eine Aufrechnung nach § 296 Abs 4 ASVG möglich gewesen, weil nach dem Gesetzeswortlaut auch eine Aufrechnung der Pensionsnachzahlung des Klägers mit dem Überbezug der Ausgleichszulage durch seine Gattin zulässig sei, wenn diese - wie im vorliegenden Fall festgestellt - im gemeinsamen Haushalt gelebt haben.

Die beklagte Partei habe jedoch die Nachzahlung an den Kläger bereits ausbezahlt. Für ihre Rückforderung der zu Unrecht erbrachten Geldleistung stütze sich die beklagte Partei nunmehr auf den Tatbestand einer bewusst unwahren Angabe maßgebender Tatsachen iSd § 76 GSVG, weil der Kläger im bezughabenden Pensionsakt unrichtigerweise angegeben habe, mit seiner Ehegattin nicht im gemeinsamen Haushalt zu leben. Nach den Feststellungen des Erstgerichts habe es am 29. 7. 2005 ein Telefonat zwischen Mitarbeitern der Beklagten und der Nebenintervenientin gegeben, in dem von Seiten der Beklagten die Nebenintervenientin darauf hingewiesen worden sei, dass die Nachzahlung dem Kläger deshalb angewiesen worden sei, weil dieser angegeben habe, dass kein gemeinsamer Haushalt mit seiner Gattin bestehe. Damit sei aber neben dem festgestellten Verhalten des Klägers hinreichend klargestellt, dass, sofern die beklagte Partei gewusst hätte, dass in Wahrheit doch ein gemeinsamer Haushalt bestanden habe, sie nicht die vom Kläger jedenfalls bedingt vorsätzlich gebilligte unberechtigte Pensionsnachzahlung erbracht hätte. Es liege damit eine zu Unrecht ausbezahlte Leistung vor, die zurückgefordert werden könne, wobei aber auch die Möglichkeit der Aufrechnung gemäß § 296 Abs 4 ASVG bzw § 153 Abs 4 GSVG mit der zurückgeforderten Nachzahlung bestehe. Es könne somit die an den Kläger geleistete Nachzahlung an Erwerbsunfähigkeitspension mit einem Teilbetrag von 14.991,28 EUR von der beklagten Partei mit dem Überbezug einer Ausgleichszulage der Gattin des Klägers für den Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 30. 6. 2005 in Höhe von 14.991,28 EUR gemäß § 296 Abs 4 ASVG aufgerechnet werden. Dennoch sei die Sache noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht im Hinblick auf die festgelegte Höhe der Rückzahlungsraten keine Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenslage des Klägers getroffen habe.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Möglichkeit einer Aufrechnung bei der gegebenen Fallkonstellation noch nicht vorliege.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei und die Nebenintervenientin haben keine Rekursbeantwortung erstattet.

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der vom Kläger geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 9 zweiter Fall ZPO liegt nur bei einem Widerspruch im Urteilsspruch selbst vor, nicht aber bei einem Widerspruch in den Gründen oder zwischen Spruch und Gründen (RIS-Justiz RS0042133 [T2 und T5]). Der Kläger behauptet einen Widerspruch in den Entscheidungsgründen; eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 zweiter Fall ZPO liegt daher nicht vor.

In seinen weiteren Rechtsmittelausführungen wiederholt der Kläger im Wesentlichen sein bereits bisher erstattetes Prozessvorbringen und bekämpft die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts mit unterschiedlichen Argumenten.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen kann aus folgenden Erwägungen nicht gefolgt werden:

1. Zunächst ist auf die Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG (entspricht im Wesentlichen § 153 Abs 4 GSVG) zu verweisen. Entsteht durch eine rückwirkende Zuerkennung oder Erhöhung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung ein Überbezug an Ausgleichszulage, so ist nach dieser Bestimmung dieser Überbezug gegen die Pensionsnachzahlung aufzurechnen. Dies gilt auch dann, wenn Anspruchsberechtigter auf die Pensionsnachzahlung der (die) im gemeinsamen Haushalt lebende Ehegatte (Ehegattin) oder eingetragene PartnerIn ist.

1.1 Wie bereits das Berufungsgericht unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zutreffend ausgeführt hat, enthält die zitierte Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG als Sondernorm eine neben den §§ 103 und 107 ASVG bestehende Aufrechnungsmöglichkeit (vgl RIS-Justiz RS0084110). Mit dem Überbezug an Ausgleichszulage können iSd § 296 Abs 4 ASVG nicht nur Pensionszahlungen nach dem ASVG, sondern aus jedem Pensionssystem aufgerechnet werden (RIS-Justiz RS0084886). Die Aufrechnung hat auch dann Platz zu greifen, wenn der Überbezug an Ausgleichszulage dadurch entstanden ist, dass in den Fällen des § 292 Abs 2 ASVG dem Ehegatten eine Pension rückwirkend zuerkannt wird. Da eine dem § 103 Abs 2 ASVG entsprechende Einschränkung nicht besteht, wird, wenn dies notwendig sein sollte, die gesamte Pensionsnachzahlung für die Aufrechnung herangezogen werden können (vgl 10 ObS 227/94, SSV-NF 8/109; 10 ObS 304/97x, SSV-NF 12/2; 10 ObS 74/07s, SSV-NF 21/50 ua; zuletzt 10 ObS 183/10z im gegenständlichen Verfahren).

1.2 Der Gesetzesauftrag des § 296 Abs 4 ASVG verpflichtet somit den Pensionsversicherungsträger im Innenverhältnis, aber auch im Außenverhältnis zu anderen Pensionsversicherungsträgern zur Aufrechnung eines Ausgleichszulagenüberbezugs gegen die Pensionsnachzahlung, wenn der Überbezug durch eine rückwirkende Zuerkennung oder Erhöhung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung entstanden ist. Der Gesetzgeber hat damit eine Möglichkeit geschaffen, Überbezüge an Ausgleichszulage des einen Ehegatten, die - wie hier - durch eine rückwirkende Zuerkennung (oder Erhöhung) einer Leistung an den anderen Ehegatten entstanden, gegen deren Nachzahlung aufzurechnen. Nach § 292 Abs 2 ASVG ist nämlich bei Feststellung des Anspruchs auf eine Ausgleichszulage auch das gesamte Nettoeinkommen des (der) im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten (Ehegattin) oder eingetragenen Partners (eingetragenen Partnerin) unter Bedachtnahme auf § 294 Abs 4 ASVG zu berücksichtigen. Im Ausgleichszulagenrecht geht der Gesetzgeber also vom Familieneinkommen aus.

Ganz allgemein liegt der Aufrechnungsmöglichkeit nach § 296 Abs 4 ASVG die Erwägung zugrunde, dass eine zunächst gebührende und rechtmäßig ausgezahlte Ausgleichszulage nicht behalten werden darf, wenn sich nachträglich durch rückwirkende Zuerkennung (oder Erhöhung) einer Leistung aus einer Pensionsversicherung ergibt, dass der Richtsatz erreicht oder überstiegen worden wäre, wenn diese Pensionsleistung früher zuerkannt worden wäre. Andernfalls würde es rückwirkend betrachtet zu einer Bereicherung des Pensionisten um die während des sich überschneidenden Zeitraums bezogene Ausgleichszulage kommen (vgl 10 ObS 183/10z im gegenständlichen Verfahren; 10 ObS 227/94, SSV-NF 8/109).

2. Im vorliegenden Fall wurde dem Kläger mit Bescheid der beklagten Partei vom 20. 7. 2005 eine Erwerbsunfähigkeitspension rückwirkend ab dem 1. 2. 2002 gewährt. Durch diese rückwirkende Pensionszuerkennung an den Kläger ist bei dessen Ehegattin unbestritten ein Ausgleichszulagenüberbezug von 14.991,28 EUR für den Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 12. 5. 2005 entstanden.

2.1 Die Nebenintervenientin hatte daher gemäß der dargelegten Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG die Verpflichtung, den bei der Gattin des Klägers entstandenen Überbezug einer Ausgleichszulage gegen die dem Kläger gebührende Pensionsnachzahlung aufzurechnen. Diese Aufrechnung unterblieb nach den Feststellungen nur deshalb, weil der Kläger und seine Gattin gegenüber der beklagten Partei bzw der Nebenintervenientin damals übereinstimmend angegeben hatten, dass sie im maßgebenden Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 12. 5. 2005 keinen gemeinsamen Haushalt gehabt hätten. Es war damit aufgrund dieser - wie sich nunmehr herausstellte - unrichtigen Angaben des Klägers und dessen Gattin eine Aufrechnung gegen die an den Kläger geleistete Pensionsnachzahlung nach § 296 Abs 4 ASVG nicht möglich gewesen. Die Pensionsnachzahlung in Höhe von insgesamt 37.184,09 EUR wurde daher (auch) aufgrund der unrichtigen Angaben des Klägers über das Nichtbestehen eines gemeinsamen Haushalts mit seiner Gattin im maßgebenden Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 12. 5. 2005 - abgesehen von einer an das Arbeitsmarktservice in Höhe von 2.709,50 EUR geleisteten Teilzahlung - zur Gänze an den Kläger ausbezahlt.

2.2 Die Nebenintervenientin versuchte in der Folge - allerdings ohne Erfolg - den Überbezug an Ausgleichszulage von der Gattin des Klägers zurückzufordern. Eine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 296 Abs 4 ASVG gegenüber der Gattin des Klägers bestand deshalb nicht, weil diese keine Pensionsnachzahlung erhalten hatte.

2.3 Dem Kläger ist nun zwar darin beizupflichten, dass eine Aufrechnung des bei seiner Gattin entstandenen Überbezugs an Ausgleichszulage gegen seine Pensionsnachzahlung nach deren Auszahlung an ihn gemäß § 296 Abs 4 ASVG nicht mehr möglich ist. Der Kläger hat allerdings diese Pensionsnachzahlung insoweit zu Unrecht erhalten, als diese gemäß § 296 Abs 4 ASVG vorrangig zur Tilgung des bei seiner Gattin entstandenen Überbezugs an Ausgleichszulage in Höhe von 14.991,28 EUR zu verwenden gewesen wäre.

3. Die beklagte Partei hat daher mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid die von ihr an den Kläger geleistete Pensionsnachzahlung im Umfang dieses vom Kläger zu Unrecht erhaltenen Teilbetrags von 14.991,28 EUR gemäß § 76 GSVG zurückgefordert. Nach § 76 Abs 1 GSVG hat der Versicherungsträger unter anderem zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern, wenn der Leistungsempfänger bzw Zahlungsempfänger den Bezug durch bewusst unwahre Angaben, bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften und der Auskunftspflicht herbeigeführt hat oder wenn der Leistungsempfänger bzw Zahlungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Bestimmung des § 76 GSVG ist ebenso wie die im Wesentlichen gleichlautende Bestimmung des § 107 ASVG eine bereicherungsrechtliche Sonderregelung im sozialversicherungsrechtlichen Leistungsverhältnis (vgl Atria in Sonntag, ASVG2 § 107 Rz 1).

3.1 Die Rückforderung nach § 76 GSVG (bzw § 107 ASVG) setzt somit voraus, dass die gewährte Leistung zu Unrecht erbracht wurde und einer der genannten Rückforderungstatbestände vorliegt. Dabei sind die Wörter „zu Unrecht“ in § 76 GSVG (bzw § 107 ASVG) im materiellen Sinn auszulegen, das heißt, es kommt für die Rückforderung darauf an, ob die Erbringung den gesetzlichen Vorschriften entsprach (vgl RIS-Justiz RS0084340). Die Unrechtmäßigkeit der Leistung muss somit aus jenen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts abgeleitet werden, die sich mit den Ansprüchen auf Versicherungsleistungen befassen.

Entsteht daher - wie im vorliegenden Fall - durch eine rückwirkende Zuerkennung einer Leistung aus einer Pensionsversicherung an einen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten bei dem anderen Ehegatten ein Überbezug einer Ausgleichszulage, so ist dieser Überbezug gegen die Pensionsnachzahlung aufzurechnen. Wird die Pensionsnachzahlung hingegen ungekürzt an den im gemeinsamen Haushalt lebenden pensionsberechtigten Ehegatten ausbezahlt, so liegt aufgrund der materiell-rechtlichen Bestimmungen des ASVG ein unrechtmäßiger Leistungsbezug vor. Da aufgrund der von den Vorinstanzen getroffenen und im Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr angreifbaren Tataschenfeststellungen der Kläger und seine Ehegattin - entgegen den von ihnen damals gegenüber den Pensionsversicherungsträgern abgegebenen Erklärungen - im maßgebenden Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 2005 einen gemeinsamen Haushalt führten und der Kläger erst im Juli bzw August 2005 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist, liegt im Umfang der Auszahlung eines Teilbetrags von 14.991,28 EUR ein unrechtmäßiger Leistungsbezug des Klägers vor.

3.2 Rückforderbar ist diese Leistung aber nur dann, wenn der Kläger den Bezug durch bewusst unwahre Angaben, durch bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Die beklagte Partei hat geltend gemacht, der Kläger habe bewusst unwahre Angaben gemacht, weil er im bezughabenden Pensionsakt unrichtigerweise angegeben habe, mit seiner Ehegattin im strittigen Zeitraum vom 1. 2. 2002 bis 12. 5. 2005 nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt zu haben.

Der Rückforderungstatbestand des § 76 Abs 1 erster Fall GSVG („bewusst unwahre Angaben“) setzt ein vorsätzliches aktives Handeln des Empfängers, zB bei der Antragstellung, voraus. Dem Empfänger muss die Unrichtigkeit seiner Angaben „bewusst“ gewesen sein; für die Herbeiführung des Leistungsbezugs genügt bedingter Vorsatz, dh der Antragsteller billigt - zumindest - die unberechtigte Leistungsgewährung. Die unwahren Angaben müssen für die Leistungsgewährung - dem Grunde oder der Höhe nach - kausal gewesen sein (vgl Atria in Sonntag, ASVG2 § 107 Rz 18 f mwN).

3.3 Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Tataschenfeststellungen der Vorinstanzen ist davon auszugehen, dass der Kläger gegenüber der beklagten Partei zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Haushalts mit seiner Gattin bewusst unwahre Angaben gemacht hat und diese unwahren Angaben auch für die Auszahlung der Pensionsnachzahlung an den Kläger kausal gewesen sind.

3.4 Der von der beklagten Partei geltend gemachte Rückforderungstatbestand des § 76 Abs 1 erster Fall GSVG ist daher nach zutreffender Rechtsansicht des Berufungsgerichts erfüllt. Sämtliche vom Kläger gegen die Richtigkeit dieser Rechtsansicht vorgebrachten Argumente, die im Wesentlichen die Aufrechnungsmöglichkeit nach § 296 Abs 4 ASVG zum Inhalt haben, sind nicht stichhältig. Im gegenständlichen Verfahren kommt der Bestimmung des § 296 Abs 4 ASVG, wie bereits dargelegt wurde, nur als Vorfrage für die Unrechtmäßigkeit der Leistung nach § 76 Abs 1 GSVG Bedeutung zu. Im Ergebnis liegt somit nach Ansicht des erkennenden Senats eine von der beklagten Partei an den Kläger zu Unrecht ausbezahlte Leistung vor, die von der beklagten Partei infolge Vorliegens des Rückforderungstatbestands nach § 76 Abs 1 erster Fall GSVG vom Kläger auch mit Erfolg wieder zurückgefordert werden kann.

4. Gemäß § 76 Abs 3 Z 2 GSVG kann der Versicherungsträger bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände, insbesondere in Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Empfängers, die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrags in Teilbeträgen zu lassen. § 89 Abs 4 Satz 2 ASGG ermöglicht auch dem Arbeits- und Sozialgericht für den Fall, dass dem Kläger eine Rückersatzpflicht an den Beklagten auferlegt wird, die Leistungsfrist und die Berücksichtigung der Familien-, Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers nach Billigkeit zu bestimmen; insoweit kann das Gericht die Zahlung auch in Raten anordnen. Nach der Rechtsprechung ist das Vorliegen dieser Billigkeitsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen (vgl Neumayr in ZellKomm § 89 ASGG Rz 23 mwN). Es ist daher auch die vom Berufungsgericht zur Klärung der Vermögens- und Einkommenslage des Klägers aufgetragene Verfahrensergänzung nicht zu beanstanden.

5. Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht auf eine richtige Fassung des Klagebegehrens zu achten haben. So hat das Klagebegehren betreffend die Verpflichtung zum Rückersatz einer empfangenen Leistung auf Feststellung zu lauten, dass die Pflicht zum Rückersatz für den strittigen Zeitraum nicht besteht. Wird diese negative Feststellungsklage mit der Begründung abgewiesen, dass die Pflicht doch besteht, ist dem Kläger der Rückersatz im Urteil aufzuerlegen (vgl Neumayr in ZellKomm § 89 ASGG Rz 21 mwN). Weiters wird das Erstgericht über die von der beklagten Partei nach § 71 Abs 1 Z 2 GSVG ausgesprochene Aufrechnung der zu Unrecht erbrachten, vom Kläger rückzuerstattenden Leistung auf die von der beklagten Partei an den Kläger laufend zu erbringende Pensionsleistung zu entscheiden haben (vgl zur Formulierung des Klagebegehrens bzw des Urteilsspruchs die Ausführungen von Atria in Sonntag, ASVG2 § 103 Rz 36 mwN). Durch die richtige Formulierung von Klagebegehren und Urteilsspruch kommt es entgegen der Ansicht des Klägers zu keiner „Umwandlung des Streitgegenstands“.

Der Rekurs des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts musste daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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