OGH 7Ob76/13x

OGH7Ob76/13x23.5.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** W*****, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz, Dr. Peter Petzer und Mag. Hannes Bodner, Rechtsanwälte in Kufstein, gegen die beklagte Partei G***** Versicherung AG, *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 22.352,23 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. Dezember 2012, GZ 4 R 211/12d‑11, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. September 2012, GZ 41 Cg 93/12p‑7, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.329,84 EUR (darin 221,64 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Halter eines im Jahr 2006 erstmals zugelassenen Porsche 911 Turbo. Er schloss mit der Beklagten unter anderem eine Kaskoversicherung ab, der die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrzeug‑Kaskoversicherung 2009 (AKKB 2009) zu Grunde liegen.

In Art 1 AKKB 2009 wird der Umfang der Versicherung („Was ist versichert?“) geregelt. Sowohl hinsichtlich der Teilkasko‑Versicherung (Art 1 1.1 AKKB 2009) als auch hinsichtlich der Vollkasko‑Versicherung (Art 1 1.2 AKKB 2009) ist übereinstimmend Folgendes geregelt:

Versichert sind das Fahrzeug und seine Teile, die im versperrten Fahrzeug verwahrt oder an ihm befestigt sind, gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust:

...

durch folgende Naturgewalten:

unmittelbare Einwirkung von Blitzschlag, Felssturz, Steinschlag, Erdrutsch, Muren, Lawinen, Schneedruck, Hagel, Hochwasser, Überschwemmungen und Sturm (wetterbedingte Luftbewegungen von mehr als 60 km/h). Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden;

durch Brand oder Explosion;

...

Gegenstand des Versicherungsvertrags ist auch eine „Parkschadenkasko mit genereller Selbstbeteiligung“. Diese Klausel lautet:

Versicherungsschutz besteht für Beschädigung, Zerstörung und Verlust des Fahrzeuges und seiner Teile durch Brand oder Explosion, Diebstahl, Naturgewalten, Dachlawinen, Kollision mit Tieren (Haarwild, Federwild und Haustieren), Tierbisse (an Schläuchen, Kabeln, Dämmmaterial ausgenommen Schäden durch Haustiere), Kurzschlüsse und Verschmoren von Kabeln, Schäden durch mut‑ oder böswillige Handlungen betriebsfremder Personen und Beschädigung des geparkten Fahrzeuges durch Kollision mit unbekanntem Fahrzeug, Glasbruch ohne Rücksicht auf die Schadensursache an Front‑, Seiten‑ und Heckscheiben sowie eines Glasdaches mit einer Selbstbeteiligung von EUR 350,00 ...

Im Winter 2010/2011 schloss der Hausmeister im Hotel des Klägers die Batterie, die im PKW eingebaut blieb, mit einem Batterie‑Spannungserhaltungsgerät über eine Steckdose des Hauses an das öffentliche Stromnetz an.

Durch einen indirekten Blitzschlag entstand an der Elektrik des Hauses eine Überspannung, die sich durch das angeschlossene Gerät auf das Fahrzeug übertrug. Dadurch entstand am PKW ein Schaden, der Reparaturkosten von 22.702,34 EUR verursachte.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 22.352,23 EUR sA und brachte dazu im Wesentlichen vor, dass im Baustein „Parkschadenkasko mit genereller Selbstbeteiligung“ Versicherungsschutz für Beschädigungen, Zerstörungen und Verlust des Fahrzeugs und seiner Teile unter anderem durch Kurzschlüsse und Verschmoren von Kabeln bestehe. Am versicherten Pkw seien die elektrischen Bauteile durch Überspannung und daraus resultierende Überhitzung durchgeschmort. Ursache dieses Überspannungsschadens sei höchstwahrscheinlich, dass am Fahrzeug über die Wintermonate ein Batterie‑Ladegerät angeschlossen gewesen sei und sich dadurch ein indirekter Blitzschlag in die Elektrik des Hauses ausgewirkt habe.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, der vom Kläger geltend gemachte Schaden sei in der Kaskoversicherung nicht gedeckt. Sie sei auch infolge Obliegenheitsverletzung des Klägers und grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens leistungsfrei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach dem vereinbarten Versicherungsschutz seien auch Kurzschlüsse und das Verschmoren von Kabeln mitumfasst. Dass angeschlossene Geräte vom Versicherungsschutz ausgeschlossen seien, habe nicht festgestellt werden können. Bei der Elektrik des Fahrzeugs handle es sich jedenfalls nicht um angeschlossene Geräte, sondern um eingebaute und für das Funktionieren des Fahrzeugs essentielle Teile. Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers liege nicht vor.

Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, der Kläger habe den Eintritt eines vom Kaskoversicherungsvertrag gedeckten Versicherungsfalls nicht behauptet und unter Beweis gestellt. Versicherungsschutz für Beschädigungen oder Zerstörungen durch Naturgewalten bestehe nur, wenn eine unmittelbare Einwirkung des Blitzschlags erfolgt sei, also das Fahrzeug direkt vom Blitz getroffen worden sei. Beschädigungen oder Zerstörungen durch nur mittelbare (indirekte) Einwirkung des Blitzschlags, wenn also ‑ wie hier ‑ der Blitz ins Haus oder in der Nähe des Hauses einschlage und es dabei zu einer Überspannung im Stromnetz komme, die in der Folge durch das an die Batterie des Fahrzeugs angeschlossene Spannungserhaltungsgerät in das Fahrzeug gelange und dort zu einer Beschädigung/Zerstörung verschiedener elektrischer Geräte führe, sei vom Versicherungsschutz nach der in Art 1 AKKB 2009 enthaltenen Definition von „Naturgewalten“ nicht umfasst. Dass der am Pkw des Klägers entstandene Schaden auf einen Kurzschluss oder auf das Verschmoren von Kabeln zurückzuführen sei, entspreche nicht den Feststellungen. Selbst wenn die durch den indirekten Blitzschlag verursachte Überspannung im Stromnetz des Hotels, die sich durch das angeschlossene Spannungserhaltungsgerät auf den Pkw des Klägers übertragen habe, zu einem Kurzschluss und zum Verschmoren von Kabeln im Pkw geführt haben sollte, wäre die Ursache für den Schaden die Überspannung durch mittelbare Blitzeinwirkung und nicht ein im geschlossenen Elektriksystem des Pkws durch welchen Grund auch immer entstandener Kurzschluss oder Kabelbrand.

Auf Antrag des Klägers nach § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht seinen ursprünglichen Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision dahin ab, dass es die Revision doch für zulässig erklärte. Zur Frage, ob durch den Baustein „Parkschadenkasko mit genereller Selbstbeteiligung“ auch Kurzschlüsse und Verschmoren von Kabeln und die daraus resultierenden Folgen an elektronischen Bauteilen und elektrischen Geräten im Fahrzeug umfasst seien, wenn Ursache für diese Beschädigungen ein indirekter Blitzschlag in die Elektrik des Hauses sei, an dessen Stromkreis das Fahrzeug durch ein Batterie‑Ladegerät angeschlossen gewesen sei, liege keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihres Prozessgegners „für unzulässig zu erklären“, hilfsweise es „als unberechtigt abzuweisen“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Voranzustellen ist, dass der Versicherungsnehmer, der eine Versicherungsleistung beansprucht, die anspruchsbegründende Voraussetzung des Eintritts des Versicherungsfalls beweisen muss (RIS‑Justiz RS0080003; 7 Ob 161/05k mwN).

2. Gemäß Art 1 AKKB 2009 ist das Fahrzeug des Klägers gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust durch unmittelbare Einwirkung bestimmter Naturgewalten versichert. Das Erfordernis der „unmittelbaren“ Einwirkung von Naturgewalten ist eine primäre Risikobeschreibung (7 Ob 152/97x; vgl Burmann in Terbille , Münchener Anwaltshandbuch Versicherungsrecht² [2008], § 10 Kraftfahrzeug‑Kaskoversicherung Rn 126). Unmittelbares Einwirken ist gegeben, wenn die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist. Eine unmittelbare Einwirkung der Naturgewalt ist immer auch dann gegeben, wenn die versicherte Sache sofort in dem Zeitpunkt beschädigt oder zerstört wird, in dem die Einwirkung der Naturgewalt erfolgt. Führt aber das Naturereignis nur auf einem Umweg zu einem Sachschaden an versicherten Sachen, so haftet der Versicherer nur dann, wenn die Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorsehen, dass Entschädigung auch geleistet wird, wenn die Schäden Folgen des versicherten Risikos sind. Durch derartige Einschlüsse wird das versicherte Risiko auf Folgen von Naturgewalten erweitert (7 Ob 152/97x mwN [EKB 1993]).

Einen Einschluss einer Folge unmittelbarer Einwirkung von Naturgewalten enthält Art 1 AKKB 2009 für solche Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Eine solche Folge ist hier aber nicht gegeben.

Maßgebend für das Vorliegen einer Naturgewalt im Sinn des Art 1 AKKB 2009 ist der unmittelbare Übergang eines Blitzes auf die versicherte Sache (vgl Knappmann in Prölss/Martin , VVG 28 [2010], AKB 2008 A.2.2 Rn 37). Ursache der Schäden am Pkw des Klägers war aber nicht die unmittelbare Einwirkung eines Blitzschlags, sondern die durch einen indirekten Blitzschlag an der Elektrik des Hotels ausgelöste Überspannung, die sich über das an die Steckdose angeschlossene Batterie‑Ladegerät auf das Fahrzeug übertrug und dort zum eingetretenen Schaden führte. Schadensursache war die durch den indirekten Blitzschlag ausgelöste Überspannung in der Elektrik des Hotels. Es handelt sich hierbei nur um eine mittelbare Einwirkung des Blitzschlags auf das versicherte Fahrzeug, für deren Ersatz die Beklagte nach Art 1 AKKB 2009 nicht aufkommen muss.

3. Nach der vereinbarten Klausel „Parkschadenkasko mit genereller Selbstbeteiligung“ besteht Versicherungsschutz (unter anderem) für Beschädigung, Zerstörung und Verlust des Fahrzeugs und seiner Teile durch Kurzschlüsse und Verschmoren von Kabeln. Von diesem Verständnis der Versicherungsbedingung gehen grundsätzlich auch die Parteien aus.

Ursache des Schadens an der Elektrik des Fahrzeugs sind aber weder Kurzschlüsse noch Verschmoren von Kabeln, sondern die durch den indirekten Blitzschlag verursachte Überspannung im Stromnetz des Hotels, die sich über das angeschlossene Spannungserhaltungsgerät auf das Fahrzeug des Klägers übertrug. Wenn der Kläger damit argumentiert, dass der Schaden an den Elektronikteilen des Fahrzeugs ausschließlich durch Verschmoren von Kabeln entstanden sei, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Unter Überspannung wird eine zu hohe elektrische Spannung verstanden ( Duden , Das große Wörterbuch der deutschen Sprache² Band 7, 3504). Sie ist eine in elektrischen Netzen zum Beispiel als Folge atmosphärischer Einwirkungen (vor allem Blitzschlag) kurzzeitig auftretende Spannung, die die Isolation elektrischer Geräte und Anlagen weit höher beansprucht als die Betriebsspannung ( Brockhaus , Enzyklopädie 21 Band 28, 197). Demgegenüber ist ein elektrischer Kurzschluss eine sich als Störung auswirkende unmittelbare Verbindung von zwei unter Spannung stehenden elektrischen Leitungen ( Duden aaO Band 4, 2036). Es handelt sich um eine durch eine schadhaft gewordene Isolation oder durch einen Schaltfehler in elektrischen Stromkreisen oder Anlagen entstehende, nahezu widerstandslos leitende Verbindung zwischen betriebsmäßig unter Spannung stehenden Leitern oder einem Leiter und der Erde (Masseschluss); auch um eine leitende Verbindung von Polen einer Stromquelle, wenn die kurzschließende Verbindung keinen Nutzwiderstand enthält ( Brockhaus aaO Band 16, 150).

Da Schäden, die durch Überspannungen entstanden sind, von der Ersatzpflicht nach dieser Klausel nicht erfasst sind und ein Kurzschluss in der Elektrik des Fahrzeugs oder ein Schmorschaden der Kabeln nicht die Schadensursache war, besteht auch nach dieser Versicherungsbedingung keine Ersatzpflicht der Beklagten.

4. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht den Versicherungsschutz des Klägers verneint. Seiner Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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