OGH 7Ob152/97x

OGH7Ob152/97x25.6.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Monika K*****, vertreten durch Dr.Gerhard Folk und Dr.Gert Folk, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wider die beklagte Partei I***** AG, ***** vertreten durch Eisenberger-Herzog-Nierhaus-Forcher & Partner, Rechtsanwaltssozietät in Graz, wegen S 234.190,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 4.Februar 1997, GZ 5 R 226/96m-19, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 26.September 1996, GZ 7 Cg 8/96x-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei, die mit S 11.430,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.905,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloß mit der Beklagten für ihren PKW Daihatsu F 75 einen Elementarkaskoversicherungsvertrag ab, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Fahrzeug-Elementarkaskoversicherung (EKB 1993) zugrunde liegen. Deren Art 1 (Umfang der Versicherung) lautet wie folgt:

1. Versichert sind das Fahrzeug und seine Teile, die im versperrten Fahrzeug verwahrt oder an ihm befestigt sind, gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust

1.1. durch folgende Naturgewalten:

Unmittelbare Einwirkung von Blitzschlag, Felssturz, Steinschlag, Erdrutsch, Lawinen, Schneedruck, Hagel, Hochwasser, Überschwemmungen und Sturm (wetterbedingte Luftbewegung von mehr als 60 km/h).

Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, daß durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Ausgeschlossen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlaßtes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind...

Am 8.4.1995 fuhr der Ehemann der Klägerin mit dem versicherten Fahrzeug und einem daran befestigten Viehanhänger, auf dem er seinen Sohn und dessen Moped beförderte, auf der Landesstraße 111 von B***** nach S*****. Bei Straßenkilometer 9,7 erfaßte eine Sturmbö das Gespann. Durch den Winddruck wurde der - nicht versicherte - Anhänger nach rechts gedrückt und kollidierte mit dem Zugfahrzeug, wodurch dieses mit dem Heck nach rechts und mit der Front nach links bewegt wurde. Anschließend stieß der Anhänger gegen ein entgegenkommendes Fahrzeug, wodurch er ausgekuppelt und vom Zugfahrzeug getrennt wurde. Das Zugfahrzeug beschrieb sodann schleudernd einen Bogen nach rechts, kippte auf die linke Seite und rutschte über die Bankettböschung von der Straße. Das Abkommen des Zugfahrzeugs war eine direkte Folge des durch den Windstoß verursachten Auspendelns des Anhängers. Es war aber auch eine unmittelbare Folge des Kontaktes zwischen dem Anhänger und dem entgegenkommenden Fahrzeug.

Bei diesem Unfall wurde der Sohn der Klägerin aus dem Anhänger geschleudert und getötet. Das versicherte Zugfahrzeug erlitt Totalschaden.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus dem bestehenden Versicherungsvertrag die Deckung des Fahrzeugschadens in der Höhe von S 234.190,-- sA. Das Fahrzeug sei durch eine versicherte Gefahr, nämlich durch eine Sturmbö, total beschädigt worden.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Nicht eine unmittelbare Sturmeinwirkung, sondern ein daran anknüpfender, von der Versicherung nicht gedeckter Kausalablauf habe zur Zerstörung des versicherten Fahrzeuges geführt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Eine dem versicherten Risiko entsprechende Sturmbö habe unmittelbar auf den fix mit dem versicherten Fahrzeug verbundenen Anhänger eingewirkt. Das gesamte Unfallgeschehen sei wegen des örtlich und zeitlich sehr nahen Zusammenhangs als ein einheitliches Geschehen zu werten, das der Lenker des Zugfahrzeugs weder mitverursacht habe noch verhindern habe können. Durch die Anerkennung des Glasschadens als Teil des Gesamtschadens habe die Beklagte aber auch den gesamten Schaden anerkannt.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Werde der Versicherungsschutz auf unmittelbare Folgen eingeschlossener Ursachen beschränkt, dann müsse die eingeschlossene Ursache (hier der Sturm) die zeitlich letzte Ursache gewesen sein, wenn Versicherungsschutz bestehen solle. Eine Ursache wirke dann unmittelbar auf eine Sache ein, wenn sie den Erfolg ohne Hinzutreten einer weiteren Ursache herbeigeführt habe; dagegen wirke sie bloß mittelbar, wenn die Beschädigung zusätzlich auf das Verhalten des Fahrers oder einer anderen Person zurückzuführen sei. Im vorliegenden Fall liege ein einziges, einheitliches, im knappen zeitlichen Zusammenhang erfolgtes, auf zwingenden physikalischen Grundsätzen beruhendes, von den beteiligten Lenkern nicht mehr beeinflußbares Unfallgeschehen vor, nämlich das durch den Sturm ausgelöste Auspendeln des Anhängers, dessen Querkraftwirkung auf das Zugfahrzeug, der Anprall des Anhängers auf das entgegenkommende Fahrzeug, die dadurch bewirkte Trennung des Gespanns, welche zum eigendynamischen Abkommen des Fahrzeugs von der Straße geführt habe. Daß das Abkommen des Zugfahrzeugs auch auf die Kollision des Anhängers mit dem entgegenkommenden Fahrzeug zurückzuführen sei, sei nur eine Mitursache. Eine unmittelbare Einwirkung des Sturms liege aber auch deshalb vor, weil das versicherte Fahrzeug im Zuge der Sturmeinwirkung sofort zerstört worden sei. Daß der Anhänger selbst nicht versichert gewesen sei, sei ohne Belang. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei der gesamte Fahrzeugschaden durch das Anerkenntnis eines Teiles davon nicht anerkannt worden.

Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zum Begriff der unmittelbaren Einwirkung versicherter Gefahren weitgehend fehlt. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Versichert ist das Fahrzeug der Klägerin gegen Beschädigung, Zerstörung und Verlust durch unmittelbare Einwirkung bestimmter Naturgewalten. Eingeschlossen sind jedoch Schäden, die dadurch verursacht werden, daß durch versicherte Risken (Naturgewalten), Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Unmittelbares Einwirken ist gegeben, wenn die Naturgewalt einzige oder letzte Ursache für den Schaden ist (Prölss/Martin VVG25, 368 und 1474; Martin, Sachversicherungsrecht3, 663; derselbe in der Entscheidungsanmerkung zu VersR 1972, 753 [757]). Eine solche Unmittelbarkeit hat der Oberste Gerichtshof auch dann noch angenommen, wenn durch eine Naturgewalt Gegenstände so plötzlich vor ein Fahrzeug geworfen werden, daß eine Abwehr dagegen nicht mehr möglich ist (EvBl 1974/111 = VersR 1974, 1041). Eine unmittelbare Einwirkung der Naturgewalt ist aber immer auch dann gegeben, wenn die versicherte Sache sofort in dem Zeitpunkt beschädigt oder zerstört wird, in dem die Enwirkung der Naturgewalt erfolgt; führt aber das Naturereignis nur auf einem Umweg zu einem Sachschaden an versicherten Sachen, so haftet der Versicherer nur dann, wenn die allgemeinen Versicherungsbedingungen vorsehen, daß Entschädigung auch geleistet wird, wenn die Schäden Folgen des versicherten Risikos sind (Martin in der Entscheidungsanmerkung zu VersR 1972, 753 [756f] am Beispiel der dAStB; Pienitz/Flöter, AKB4 Seite 15 zu § 12). Durch derartige Einschlüsse wird das versicherte Risiko, das nach der primären Risikobeschreibung nur unmittelbare Einflüsse von Naturgewalten umfaßt, auf Folgen derselben erweitert (so auch OGH in VersR 1978, 335 zu Art 1 AStB; Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 352).

Einen Einschluß einer Folge unmittelbarer Einwirkung von Naturgewalten enthält auch Art 1.1 EKB 1993 für solche Schäden, die dadurch verursacht werden, daß durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das versicherte Fahrzeug geworfen werden. Einer solchen Folge ist das Einwirken des durch den Sturm aus seiner Lage gebrachten Anhängers auf das Zugfahrzeug gleichzuhalten, wurde dadurch doch das versicherte Fahrzeug durch die über die Anhängerkupplung wirkende Querbewegung aus seiner Geradeausfahrt ins Schleudern gebracht, was zum Umstürzen und in der weiteren Folge zur Totalzerstörung des Fahrzeugs geführt hat. Daß das Umstürzen nach dem Anstoß des Anhängers gegen ein entgegenkommendes Fahrzeug bewirkt wurde, ändert nichts am natürlichen Kausalablauf, der hier in die Versicherung einbezogen ist. Daß demnach der Totalschaden am versicherten Fahrzeug nicht durch eine unmittelbare Sturmwirkung entstanden ist, schadet dem Kläger somit nicht. Unerheblich ist auch, daß der Schaden auf eine unmittelbare Einwirkung von Sturm auf einen nicht versicherten Gegenstand entstanden ist.

Die Vorinstanzen haben daher im Ergebnis zu Recht den Versicherungsschutz der Klägerin bejaht. Der Revision der Beklagten war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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