Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Die Revisionsrekurswerber stehen auf dem Standpunkt, das Wort „Erlassung“ in § 283 Abs 2 UGB sei im Sinne von „Zustellung“ zu verstehen. Daher stehe der Umstand, dass der Jahresabschluss einen Tag vor der Zustellung der Zwangsstrafverfügung eingereicht worden sei, der Bestrafung entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Damit zeigen die Revisionsrekurswerber aber keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
1. Nach ständiger Rechtsprechung bedarf es einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung dann nicht, wenn die Lösung der maßgebenden Rechtsfrage selbstverständlich ist (4 Ob 45/95) oder eine Rechtsfrage schon nach dem Gesetzeswortlaut so eindeutig gelöst ist, dass nur die in der angefochtenen Entscheidung zweiter Instanz vorgenommene Auslegung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (Zechner in Fasching/Konecny² § 502 ZPO Rz 47 mwN).
2. Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass § 283 Abs 2 Satz 1 UGB die Wertung des Gesetzgebers zu entnehmen ist, dass eine wenn auch verspätete Befolgung der Offenlegungspflicht die Verhängung einer Zwangsstrafe hindert, wenn das Gericht zur Durchsetzung dieser Pflicht in Bezug auf einen bestimmten Jahresabschluss noch nicht tätig geworden ist (6 Ob 185/11s). Tätig wird das Gericht aber bereits mit der Beschlussfassung und nicht erst mit der Zustellung.
3.1. Dagegen vermag der Revisionsrekurs nichts Stichhaltiges ins Treffen zu führen. Der Gesetzgeber unterscheidet im Zivilverfahrensrecht stets deutlich zwischen der Erlassung im Sinne der Fällung einer Entscheidung und deren Zustellung. So spricht etwa § 244 ZPO von der „Erlassung“ eines Zahlungsbefehls. Damit ist aber zweifelsfrei - wie sich aus dem systematischen Zusammenhang mit den folgenden Regelungen ergibt - die Fällung der Entscheidung gemeint. Die Ausfertigung ist sodann in den §§ 246, 247 ZPO geregelt. § 247 Abs 2 ZPO regelt die Zustellung des Zahlungsbefehls. Schließlich sieht § 247 Abs 3 ZPO vor, dass gegen die „Erlassung“ des Zahlungsbefehls mit Ausnahme des Kostenrekurses kein Rechtsmittel zulässig ist. Auch dabei handelt es sich zweifellos um die Entscheidung selbst, nicht die bloße Zustellung. Gleiches gilt für den Wechselzahlungsauftrag in §§ 556, 557 ZPO. Wiederum bezieht sich die „Erlassung“ des Zahlungsauftrags in § 556 Abs 1 und 2 ZPO auf die Fällung der entsprechenden Entscheidung; die Zustellung ist sodann separat in § 556 Abs 4 ZPO geregelt. Dass erlassene Entscheidungen in der Folge den Parteien auch zuzustellen sind, ergibt sich für Urteile aus § 416 ZPO, für Beschlüsse aus §§ 426, 427 ZPO.
3.2. § 406 ZPO verwendet die Worte „Urteilsschöpfung“ und „Erlassung des Urteils“ gleichbedeutend im Sinne von „Urteilsfällung“ (vgl Fucik in Fasching/Konecny² § 406 ZPO Rz 2). Entgegen dem Revisionsrekurs differenziert der Gesetzgeber daher zwischen diesen beiden Begriffen nicht. Dass der in § 406 ZPO angeführte Zeitpunkt heute im Sinne von „Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz“ verstanden wird (vgl Fucik aaO), rechtfertigt keine Differenzierung zwischen diesen beiden Begriffen; die Notwendigkeit der berichtigenden Auslegung besteht vielmehr bei beiden Begriffen. Das entscheidende Argument, den maßgeblichen Zeitpunkt nicht von Umständen abhängig zu machen, die - wie die Urteilsfällung - von den Parteien nicht beeinflussbar sind (Fucik aaO), gilt im Übrigen in gleicher Weise für die Zustellung. Die vom Revisionsrekurs vertretene Auffassung würde voraussetzen, dass das Erstgericht bei der Urteilsfällung den Zustellzeitpunkt antizipieren müsste und die dann geltende Sach- und Rechtslage zu Grunde legen müsste. Dass ein derartiges Verständnis des § 406 ZPO nicht zutreffen kann, bedarf keiner weiteren Ausführungen.
3.3. Auch aus dem Umstand, dass die Sicherstellungsexekution nach § 370 EO nach herrschender Ansicht voraussetzt, dass das „erlassene“ Urteil bereits zugestellt wurde (SZ 53/126 ua), ist für den Rechtsstandpunkt des Revisionsrekurses nichts zu gewinnen. Dieses Erfordernis wird nämlich gerade nicht aus dem Wortlaut „erlassen“, sondern aus der Zustellung als Wirksamkeitserfordernis iSd § 416 ZPO abgeleitet (vgl abermals SZ 53/126). Damit kann aus dieser Bestimmung aber für das Verständnis des Begriffs der „Erlassung“ nichts abgeleitet werden.
3.4. Dies widerspricht - entgegen der Rechtsansicht des Revisionsrekurses - auch nicht „rechtsstaatlichen Grundsätzen“. Das Argument, es wäre für den Betroffenen nicht erkennbar, welcher Zeitpunkt der für ihn relevante ist, übersieht, dass sich die Verpflichtung zur Einreichung des Jahresabschlusses sowie die relevanten Zeitpunkte unmittelbar aus dem Gesetz ergeben; das Datum der Erlassung des betreffenden Beschlusses ergibt sich zudem aus der Beschlussausfertigung selbst. Auch die von den Revisionsrekurswerbern herangezogene „Einheit der Rechtsordnung“ vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern.
3.5. Wie schon das Rekursgericht zutreffend erkannt hat (§ 71 Abs 3 AußStrG), besteht kein Grund, dem bereits Säumigen eine weitere Nachfrist bis zum Tag vor Zustellung der Zwangsstrafverfügung einzuräumen.
4. Zusammenfassend bringt der Revisionsrekurs somit keine Rechtsfrage der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass dieser spruchgemäß zurückzuweisen war.
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