OGH 8ObA53/12w

OGH8ObA53/12w29.4.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Harald Kohlruss (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D***** P*****, vertreten durch Dr. Martina Withoff, Rechtsanwältin in Zwettl, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Marschall & Mag. René Heinz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 12.473,80 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 26. Juni 2012, GZ 10 Ra 30/12y‑19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 23. November 2011, GZ 15 Cga 50/11s‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten der Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 5. 5. 2008 bis 31. 12. 2010 als Hotelangestellte beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Angestellte im Hotel‑ und Gastgewerbe anzuwenden. Der Dienstvertrag der Klägerin (Beilage ./D) enthält in seinem Punkt 11. folgende Verfallsklausel:

Ansprüche des Arbeitnehmers aus dem gegenständlichen Arbeitsverhältnis müssen bei sonstigem Verfall innerhalb von 3 Monaten ab Fälligkeit gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. (…) Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleiben die generellen maßgeblichen Verjährungs‑ bzw. Verfallfristen gewahrt.

Bei der Beklagten wurden sämtliche Arbeitszeitaufzeichnungen in der Form geführt, dass alle Mitarbeiter Stundenabrechnungslisten zu führen hatten, in denen sie täglich ihre Stunden einzutragen hatten. Die Geschäftsführung der Beklagten konnte in diese im Betrieb gelagerten Stundenlisten jederzeit Einsicht nehmen, abgegeben und gegengezeichnet wurden sie jeweils am Monatsende.

Die Klägerin leistete während des gesamten Dienstverhältnisses regelmäßig Überstunden, die betriebsbedingt notwendig waren, laufend in die Listen eingetragen und von der Geschäftsführung nicht beanstandet wurden. Mit sämtlichen Mitarbeitern war vereinbart, dass Überstunden nach Möglichkeit durch Zeitausgleich abgebaut werden sollten, um eine Auszahlung in Geld zu vermeiden. Betriebsbedingt gelang es der Klägerin nur teilweise, ihre Überstunden durch Zeitausgleich abzubauen. Eine Abrechnung und Bezahlung von Überstunden erfolgte erstmals mit der Endabrechnung.

Die Klägerin begehrt Entgelt für weitere unbezahlte Überstunden, Feiertagsstunden sowie Urlaubsersatzleistung. Die Klagsansprüche wurden mit Schreiben der Arbeiterkammer vom 31. 1. 2011 geltend gemacht.

Die Beklagte wandte, soweit für das Revisionsverfahren noch von Belang, Verfall bzw Verfristung aller Ansprüche ein.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die Klägerin habe durch Führung der Arbeitszeitaufzeichnungen in der von der Geschäftsführung vorgesehenen Weise ihre Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht. Da Zeitausgleich vereinbart gewesen sei, habe erst die Endabrechnung die kollektivvertragliche Verfallsfrist ausgelöst. Auch die Urlaubsersatzleistung sei erst bei Beendigung des Dienstverhältnisses fällig.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die im Kollektivvertrag normierte Verfallsfrist sei nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung auf nach § 19f Abs 2 AZG fälliges Überstundenentgelt nicht anzuwenden. Die im Arbeitsvertrag vereinbarte Verfallsfrist sei gewahrt worden. Da die Klägerin die Auszahlung des Zeitguthabens während des Dienstverhältnisses ungeachtet des § 19f Abs 3 AZG nicht begehrt habe, sei der Anspruch erst bei der Beendigung fällig geworden.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Frage des Beginns der Verjährungsfrist bei Nichtausübung des Wahlrechts im Sinne des § 19f Abs 3 AZG noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Ihre Zurückweisung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

1. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung des § 19f Abs 3 AZG lautet:

„Wird der Zeitausgleich für Überstunden nicht innerhalb der Frist nach Abs. 2 gewährt, kann der Arbeitnehmer den Zeitpunkt des Zeitausgleichs mit einer Vorankündigungsfrist von vier Wochen einseitig bestimmen, sofern nicht zwingende betriebliche Erfordernisse diesem Zeitpunkt entgegen stehen, oder eine Abgeltung in Geld verlangen.“

Der anzuwendende Kollektivvertrag für das Hotel‑ und Gastgewerbe regelt in seinem Punkt 5. lit e: „Entgeltansprüche für Überstunden verfallen, wenn sie nicht innerhalb von vier Monaten nach Durchführung der Gehaltsabrechnung über deren Leistung vom Angestellten beim Arbeitgeber oder dessen Stellvertreter schriftlich geltend gemacht werden.

2. Nach ständiger, vom Berufungsgericht auch berücksichtigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind kollektivvertragliche Fristen zur Geltendmachung des Überstundenentgelts auf Zeitguthaben, die wegen einer Zeitausgleichsvereinbarung „stehengelassen“ wurden, nicht anzuwenden (RIS‑Justiz RS0118916; 9 ObA 89/12x).

Soweit die Revision ihre Ausführungen an die arbeitsvertragliche Verfallsbestimmung anknüpft (deren Vereinbarkeit mit den kollektivvertraglichen Regelungen hier mangels Relevanz unerörtert bleibt), unterlässt sie die gebotene Differenzierung zwischen der Geltendmachung der Mehrarbeit einerseits und des daraus resultierenden Entgeltanspruchs andererseits.

Nach den Feststellungen hat die Klägerin ihre Arbeitszeiten täglich fortlaufend ‑ und damit unzweifelhaft jegliche Frist wahrend ‑ auf die von der Dienstgeberin angeordnete Weise aufgeschrieben. Die nach Punkt 11. des Dienstvertrags fristauslösende Fälligkeit des Entgelts für Überstunden und Feiertagsarbeit trat wegen der Zeitausgleichsvereinbarung sowie mangels Inanspruchnahme des Rechts nach § 19f Abs 3 AZG hier nicht vor der endgültigen Unmöglichkeit des Naturalausgleichs durch Beendigung des Dienstverhältnisses ein (9 ObA 89/12x). Ohne entsprechendes Verlangen des Dienstnehmers bleibt das Zeitguthaben aufrecht und wird nicht in einen fälligen „Entgeltanspruch“ im Sinne des KV umgewandelt (anders noch § 19f AZG idF BGBl I 1997/46; vgl RIS‑Justiz RS0118916).

Die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen ‑ hier über die Anzahl der geleisteten Überstunden, deren Erforderlichkeit und die mangelnde Möglichkeit ihres Abbaus ‑ kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden.

3. Ein konkretes Argument für den behaupteten Verfall der bei Ende des Dienstverhältnisses fälligen Urlaubsersatzleistung ist der Revision nicht zu entnehmen, auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesem Streitpunkt geht sie nicht ein.

4. Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Für ihre Revisionsbeantwortung steht der Klägerin kein Kostenersatz zu, weil sie darin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat und der Schriftsatz daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war (stR; RIS‑Justiz RS0035962).

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