OGH 7Ob211/12y

OGH7Ob211/12y27.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Dr. Georg Braunegg, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 5.147,18 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 28. August 2012, GZ 18 R 116/12f‑33, womit das Urteil des Bezirksgerichts Ebreichsdorf vom 16. März 2012, GZ 2 C 99/11m‑29, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Die Bezeichnung der klagenden Partei wird von U***** AG auf U***** AG berichtigt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang der Abweisung der Nebenforderung von 5 EUR und des Zinsenmehrbegehrens als unangefochten unberührt bleiben, werden im Übrigen aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zu I.:

Aus dem Firmenbuch (FN *****) ist ersichtlich, dass die Firma der Klägerin geändert wurde. Auf deren Antrag ist die Parteienbezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu II.:

Beide Parteien sind Unternehmer. Im Juli 2006 wollte die Beklagte die Versicherungssumme des bei der Klägerin bereits vorhandenen Versicherungsvertrags erhöhen, weshalb ihr Versicherungsmakler bei der Klägerin um ein Anbot anfragte. Das daraufhin unterbreitete Anbot vom 14. 7. 2006 wurde am 18. 7. 2006 vom Versicherungsmakler der Beklagten in deren Namen angenommen. Die Bestätigung seitens der Klägerin erfolgte am 18. 8. 2006 durch Übersendung der mit 10. 8. 2006 datierten Polizze. Anders als im Mai 2006 (als man nur eine Umstellung der Zahlungsweise von jährlich auf vierteljährlich vornahm) wurde dabei der Vertrag an sich geändert. Die Beklagte stornierte diesen Vertrag infolge Risikowegfalls mit Stichtag 28. 5. 2010.

Inhalt des Anbots vom 14. 7. 2006 waren neben dem Hinweis, dass in der Versicherungsprämie ein „20%iger Dauerrabatt bei 10-jähriger Laufzeit“ berücksichtigt war, folgende Klauseln:

Dauerrabatt für Unternehmer:

Sofern der Versicherungsnehmer Unternehmer im Sinne des Konsumentenschutzgesetzes ist, ist der in der Prämie ‑ gemäß den Tarifbestimmungen ‑ eingeräumte Dauerrabatt bei vorzeitiger Vertragsaufhebung vom Versicherungsnehmer nachzuentrichten.

Dauerrabattrückforderung:

Wurde mit Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer ein Dauerrabatt auf die Normalprämie gewährt, kann der Versicherer bei vorzeitiger Beendigung des Vertrages die Nachzahlung des gesamten Dauerrabattes für die gesamte tatsächliche Vertragsdauer verlangen. Die Höhe der Nachzahlung beträgt

- bei einem Dauerrabatt von 20 % auf die Normalprämie bei der vereinbarten Vertragsdauer von 10 Jahren 25 % der für die gesamte tatsächliche Vertragsdauer zu zahlenden Versicherungsprämien, wobei sich der Prozentsatz der nachzuzahlenden Prämien ab dem sechsten Versicherungsjahr auf 12 % reduziert;

- bei einem Dauerrabatt von 10 % ...

Auch die Versicherungspolizze enthält einen inhaltsgleichen Hinweis auf den Dauerrabatt, dessen Höhe und dessen Rückforderbarkeit. Während des aufrechten Vertragszeitraums wurden die Prämien von 32.254,32 EUR bezahlt, woraus sich ein gewährter Dauerrabatt von 8.063,58 EUR ergibt. Von diesem Betrag zog die Klägerin die bereits bezahlte, jedoch nicht verbrauchte Prämie für den Zeitraum vom 28. 5. 2010 bis 1. 7. 2010 von 799,11 EUR sowie eine (weitere) Zahlung der Beklagten per 1. 7. 2010 von 2.117,29 EUR ab.

Die Klägerin macht den verbleibenden Betrag von 5.147,18 EUR als Dauerrabatt-Rückforderung geltend.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und brachte ‑ soweit noch von Bedeutung ‑ vor: Das VersVG regle zwar nicht, nach welchen Kriterien die Prämienrückvergütung zu berechnen sei; § 8 Abs 3 VersVG lege aber fest, dass der Versicherungsnehmer (also auch die Beklagte) nur zum Ersatz von „Vorteilen“ verpflichtet werden könne, die ihm auf Grund der vereinbarten längeren Laufzeit zuteil geworden seien. Dies könne nach der Entscheidung 7 Ob 266/09g nur der Betrag sein, der ihm im Hinblick auf die vorzeitige Kündigung und damit kürzere Vertragszeit ungerechtfertigter Weise an „Mehr“ als Rabatt während der Laufzeit zugekommen sei. Nach der hier vorliegenden Klausel müsse der Versicherungsnehmer bei der Kündigung im neunten Versicherungsjahr neunmal den auf den 20%igen Rabatt entfallenden Betrag zahlen und damit mehr als bei Abstandnahme von der Kündigung zum Vertragsende. Diese Klausel zeige drastisch, dass der Versicherungsnehmer eben nicht nur den ihm zukommenden „Vorteil“ (also ‑ gemessen an der tatsächlichen Vertragsdauer ‑ das „Zuviel an Rabatt“) zurückzahlen müsse, sondern einen pauschalierten Betrag, der in Fällen langer Vertragsdauer den „Vorteil“ übersteige und im Ergebnis Strafcharakter habe. Hier sei ein Dauerrabatt verrechnet worden, der einer Jahresprämie entspreche. Klauseln, die eine solche Dauerrabattrückforderung mit gleichbleibenden jährlichen Beträgen vorsähen, sodass der rückforderbare Betrag mit längerer Vertragsdauer steige statt sinke, widersprächen § 8 Abs 3 VersVG und mangels sachlicher Rechtfertigung auch dem Verbot der Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 879 Abs 3 ABGB.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (unter unbekämpfter Abweisung einer Nebenforderung von 5 EUR und eines Zinsenmehrbegehrens) statt. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung 7 Ob 266/09g im Verbandsprozess festgehalten, dass Dauerrabatt-Rückforderungen mit einer „glatten Klausel“, bei der die Rückforderungsbeträge jährlich und im gleichen Betrag stiegen, gegenüber Konsumenten den §§ 8 Abs 3 VersVG und 879 Abs 3 ABGB widersprächen. Grundsätzlich seien Dauerrabatt-Rückforderungsklauseln aber nicht gröblich benachteiligend. Hier handle es sich um ein beiderseitiges Unternehmergeschäft, bei dem andere Maßstäbe als bei einem Konsumentengeschäft anzulegen seien. Im Hinblick auf die Unanwendbarkeit des § 8 Abs 3 VersVG auf Geschäfte zwischen Unternehmern (schon nach dem Wortlaut) sei nicht ersichtlich, worin die gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB bestehen sollte. Das Argument, dass solche Dauerrabatt-Rückforderungsklauseln in den letzten Jahren der Vertragsdauer das Kündigungsrecht unterliefen, gelte hier nicht; könne einem Unternehmer doch zugesonnen werden, dass er die Tragweite langfristiger vertraglicher Bindungen richtig einschätze. Auch wenn sich die Beklagte auf den Strafcharakter der Klausel berufe, sei daraus für sie nichts zu gewinnen. Wollte man eine Vertragsstrafe erblicken, stünde der Einwendung der Beklagten nämlich § 348 HGB in der bis 31. 12. 2006 anwendbaren Fassung entgegen. In der Entscheidung 7 Ob 7/01g habe der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass eine Klausel mit „Fünfjahressprung“, also einem Rabatt, der in den ersten fünf Jahren 20 % und dann 10 % betrage, unbedenklich sei. Eine solche Klausel liege hier vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge und schloss sich der Beurteilung des Erstgerichts an, dass das Kündigungsrecht nach § 8 Abs 3 VersVG auf Verbraucher im Sinn des KSchG zu beschränken sei. Hinsichtlich der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB folgte es jedoch (teilweise) den Ausführungen Schauers (Der Dauerrabatt beim Versicherungsvertrag nach der E OGH 7 Ob 266/09g, RdW 2011/261, 267 ff):

Die Rechtsfolge der Vertragsbeendigung könne bei Wegfall des versicherten Interesses zum Nachteil des Versicherungsnehmers nicht abbedungen werden. Es komme daher zur Vertragsbeendigung, die zur Folge habe, dass der Versicherer nicht mehr zur Gefahrtragung und der Versicherungsnehmer nicht mehr zur Prämienzahlung verpflichtet sei. Das gelte nicht nur für künftige Versicherungsperioden, sondern auch für jene Periode, in der die Vertragsbeendigung wirksam werde. Denn gemäß § 40 VersVG gebühre dem Versicherer bei Vertragsbeendigung während der Versicherungsperiode lediglich jener Anteil der Prämie, der der verstrichenen Vertragslaufzeit entspreche. Aus dem zwingenden Charakter dieser Bestimmung ergebe sich, dass eine Dauerrabattvereinbarung nicht zur Umgehung der Bestimmung führen dürfe, weshalb die Zulässigkeit durch Interessenabwägung ermittelt werden müsse. Die Vereinbarung eines Dauerrabatts dürfe nicht dazu führen, dass diese Wertung auf einem Umweg unterlaufen werde. Dagegen stehe § 40 VersVG einer Vereinbarung nicht entgegen, wonach die in künftigen Prämien einkalkulierten, aber doch nicht lukrierten Anteilen an Einmalkosten und sonstigen Fixkosten vom Versicherungsnehmer nachzuzahlen seien. Für das Unternehmergeschäft gelte „dieselbe Schranke“.

Dennoch gelangte das Berufungsgericht letztlich (nach Wiedergabe der Entscheidungen 7 Ob 7/01g und 7 Ob 266/09g) zum Ergebnis, dass die Berufung erfolglos bleiben müsse, weil einander hier Unternehmer gegenüber stünden und vergleichbare Klauseln wie in der Entscheidung 7 Ob 7/01g zu beurteilen seien.

Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig, weil sich der vorliegende Sachverhalt von jenem zu 7 Ob 7/01g schon durch die Art der Vertragsbeendigung (hier: Risikowegfall) unterscheide. Davon ausgehend und im Hinblick auf die neuen, beachtenswerten Überlegungen von Schauer sei eine höchstgerichtliche Klarstellung geboten, ob in Fällen wie dem vorliegenden nur „kalkulatorische Kostenvorteile“ zum Gegenstand einer wirksamen Dauerrabattvereinbarung gemacht werden könnten.

Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

In der Revisionsbeantwortung wird beantragt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und mit dem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag auch berechtigt.

Die Revisionswerberin macht geltend, dass der Versicherungsvertrag in der Entscheidung 7 Ob 7/01g ‑ vom vorliegenden Fall abweichend ‑ auf Grund eines vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts des Unternehmers vorzeitig aufgelöst worden sei, sodass eine Inhaltskontrolle der vereinbarten Dauerrabatt-Nachforderung auf gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers gar nicht erfolgt sei. Hier seien die Rechtsfolgen der Vertragsauflösung auf Grund Wegfalls des versicherten Interesses hingegen gemäß § 68 Abs 2 iVm § 68a und § 40 iVm § 42 VersVG durch zwingendes Recht geregelt. Die Dauerrabatt-Vereinbarung sei daher an den Wertungen dieser Bestimmungen zu messen. Danach liege eine gröbliche Benachteiligung auch bei ‑ wie hier ‑ gemildert progressiven Dauerrabattklauseln im beiderseitigen Unternehmergeschäft vor.

Die Revisionsbeantwortung hält dem entgegen, dass der Grund für die Vertragsauflösung nie zu Lasten des den Rabatt gewährenden Vertragspartners gehen und daher auch nicht ausschlaggebend sein dürfe. Sie zieht nicht in Zweifel, dass Dauerrabattklauseln der Inhaltskontrolle des § 879 Abs 3 ABGB unterliegen; nach Auffassung der Klägerin sei dabei jedoch „besondere Zurückhaltung“ geboten, um die freie Preisbildung, die gewahrt bleiben solle, nicht indirekt zu unterlaufen oder „ungebührend“ zu beschränken. Richtig sei auch, dass die vorzeitige Vertragsauflösung bei Wegfall des versicherten Interesses gemäß § 68a VersVG nicht abbedungen werden könne. Warum dies rechtfertigen sollte, einen mangels Einhaltung der vereinbarten Vertragslaufzeit „nicht verdienten“ aber anteilig gewährten Prämiennachlass nicht nachverrechnen zu dürfen, sei nicht ersichtlich. Das Gegenteil folge aus § 8 Abs 3 VersVG, der den Ersatz von Vorteilen, insbesondere von Prämiennachlässen, die wegen einer längeren Laufzeit des Vertrags gewährt worden seien, ausdrücklich für zulässig erkläre. Die scheinbar aus § 40 VersVG gewonnenen Begründungen fänden weder in dessen Wortlaut noch in der ratio legis eine Stütze. Das Erlöschen des Prämienanspruchs des Versicherers bei Entfall der Deckungspflicht habe nämlich nichts mit dem „restlichen Erfüllungsanspruch“ des Versicherers zu tun, weil sich der nachzuzahlende Betrag gemäß Dauerrabattklausel eindeutig auf den Zeitraum des „aufrechten Vertrags“ und nicht auf eine Zeit nach seiner Beendigung beziehe.

Zuletzt gesteht die Klägerin zu, dass nach 7 Ob 266/09g Klauseln, die dem Versicherungsnehmer bei vorzeitiger Kündigung eine „gleichbleibende Rabatt-Nachzahlungsquote pro Jahr“ auferlegen, gemäß § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend seien, wobei dies „wohl auch zwischen Unternehmern zu gelten habe“. Zur Zulässigkeit von ‑ wie hier ‑ gemäßigt progressiven Klauseln habe sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 266/09g aber nicht geäußert. Selbst wenn man die Auffassung der Beklagten teilte, wäre der Anspruch nicht zur Gänze abzuweisen, weil eine Nichtigkeit nach § 879 Abs 3 ABGB nicht den gänzlichen Entfall der Vertragsklausel zur Folge hätte, sondern deren Anpassung auf ein inhaltlich nicht zu beanstandendes Maß; nach der dazu herrschenden Meinung und Judikatur komme es ‑ jedenfalls beim Individualprozess und bei zweiseitig unternehmerischen Rechtsgeschäften ‑ zur „geltungserhaltenden Reduktion“.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst (am 23. 1. 2013) in der Entscheidung 7 Ob 201/12b (Klausel 4) ‑ wenn auch (wie zu 7 Ob 266/09g) wieder im Verbandsverfahren ‑ mit einer Dauerrabattklausel zum (hier maßgebenden) Fall der Vertragsauflösung infolge Wegfall des versicherten Risikos befasst hat, die lautete wie folgt:

Art 15.2. …

Dem Versicherer gebührt die Prämie, die er hätte einheben können, wenn die Versicherung von vornherein nur bis zu diesem Zeitpunkt beantragt worden wäre, zu dem der Versicherer Kenntnis vom Risikowegfall erlangt. Der Versicherer ist berechtigt, die für die längere Vertragsdauer eingeräumten Prämiennachlässe ( Dauerrabatt ) nachzuverrechnen.

In dieser jüngsten Entscheidung wurde die Beurteilung des Berufungsgerichts bestätigt, dass der Versicherer durch den letzten Satz der Klausel zu einer Nachverrechnung des gesamten für eine bestimmte (länger als bis zum Risikowegfall währende) Vertragsdauer vereinbarten Rabatts befugt sei, ohne darauf Bedacht nehmen zu müssen, welcher Zeitraum bis zum Risikowegfall verstrichen sei; der Versicherungsnehmer werde durch diese Kalkulationsmethode nach § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligt.

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 68 Abs 2 VersVG solle der Versicherer die Prämie erhalten, die er erzielt hätte, wenn der Versicherungsvertrag von vornherein nur für den Zeitraum vom Abschluss des Vertrags bis zur Kenntnis vom Wegfall des versicherten Risikos abgeschlossen worden wäre. Dies bedeute, dass dem Versicherungsnehmer nur ein Prämiennachlass zugute kommen könne, der dem entspreche, den der Versicherer gewährt hätte, wäre von vornherein ein Versicherungsvertrag nur für die genannte kürzere Dauer abgeschlossen worden. Ergebe sich eine Differenz zwischen dem schon gewährten Nachlass und dem nach der tatsächlichen Vertragsdauer zustehenden zu Lasten des Versicherers, sei der Versicherer berechtigt, diese Differenz vom Versicherungsnehmer zurückzufordern. Strittig sei die Auslegung des Texts der Klausel. Der erste Satz entspreche § 68 Abs 2 VersVG. Es sei dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass der zweite Satz die Aussage des ersten aber verändere. Bei kundenfeindlichster Auslegung sei die Beklagte nämlich mangels Einschränkung im zweiten Satz der Klausel entgegen dem Gesetzeswortlaut berechtigt, den gesamten bisher gewährten Prämiennachlass nachzuverrechnen, ohne dass es darauf ankäme, ob der tatsächlichen Vertragsdauer nicht auch ein Prämiennachlass (gleicher oder geringerer Höhe) entsprochen hätte.

Nichts anderes kann im Verhältnis zwischen der Klägerin und der beklagten Versicherungsnehmerin gelten, wo sich bereits aus dem objektiven Wortlaut der Klausel eine von § 68 VersVG abweichende Regelung ergibt.

Da die §§ 68, 68a VersVG nicht auf Konsumenten abstellen, sondern (ganz allgemein) auf den Versicherungsnehmer, gilt die dargelegte Beurteilung in gleicher Weise für den hier beklagten Unternehmer. Daher ist auch im vorliegenden Fall zu prüfen, ob die Dauerrabatt-Klausel zum Nachteil des Versicherungsnehmers von der Bestimmung des § 68 Abs 2 VersVG abweicht. Dass dies der Fall ist, liegt auf der Hand:

Ist doch die Klägerin mangels einer (hier zum Tragen kommenden) Einschränkung im Text der maßgebenden Klausel (die dem zwingenden Gesetzeswortlaut entsprechen würde) ebenfalls berechtigt, der Beklagten den gesamten gewährten Prämiennachlass nachzuverrechnen, ohne dass es darauf ankommt, ob der tatsächlichen Vertragsdauer (hier: fast fünf Jahre) nicht auch ein Prämiennachlass (gleicher oder geringerer Höhe) entsprochen hätte. Bis zum ‑ hier gerade noch nicht erreichten ‑ sechsten Versicherungsjahr unterlag auch die Beklagte einer „ streng progressiven “ Dauerrabatt-Rückforderung. Dass ihr bei vorzeitiger Vertragsauflösung eine „gleichbleibende“ (volle) „Rabatt-Nachzahlungsquote pro Jahr“ auferlegt wird, ist aber ‑ wie die Klägerin selbst einräumt ‑ auch zwischen Unternehmern jedenfalls als gröblich benachteiligend zu beurteilen.

Zu Recht folgt die Revision hier der jüngeren Rechtsprechung und den übereinstimmenden Standpunkten von Palten (Ersatzloser Entfall „böser“ Dauerrabattklauseln: Wunschtraum oder Realität? Ein Zwischenbericht zu ersten untergerichtlichen Musterentscheidungen nach 7 Ob 266/09g, VR 2012 H 4, 26 [mwN in FN 2]), Gruber (Der Dauerrabatt, wbl 2011, 187 [191]) und Schauer (Der Dauerrabatt beim Versicherungsvertrag nach der E OGH 7 Ob 266/09g, RdW 2011/261, 267 [271]), die sich jeweils auf die zitierte Entscheidung berufen. Darin wurde bereits festgehalten (RIS‑Justiz RS0126072), dass Klauseln, die eine Dauerrabattrückvergütung mit gleichbleibenden jährlichen Beträgen vorsehen, sodass der rückforderbare Betrag mit längerer Vertragsdauer steigt statt sinkt, mangels sachlicher Rechtfertigung dem Verbot der Benachteiligung des Versicherungsnehmers gemäß § 879 Abs 3 ABGB [Anm: ganz allgemein, also auch im hier vorliegenden Unternehmergeschäft ] widersprechen (zust Palten , Neues vom Dauerrabatt, VR 2010 H 7-8, 31 [34 und 36] sowie Schauer aaO mwN in FN 27 und Gruber aaO mwN in FN 51; aA Rami , EvBl 2010/141, der sich auf Vonkilch , Dauerbrenner Dauerrabatt, in Koban/Rubin/Vonkilch [Hrsg], Aktuelle Entwicklungen im Versicherungsrecht [2005], 109 [120 ff] beruft).

Die Frage, ob der Auffassung Schauers (aaO 271 ff) zu folgen ist, wonach auch im Unternehmergeschäft nur streng degressive Klauseln gegenüber dem Vorwurf der gröblichen Benachteiligung „immun“ sind (insoweit kritisch Palten , Ersatzloser Entfall „böser“ Dauerrabattklauseln: Wunschtraum oder Realität?, VR 2012 H 4, 28 FN 10 mwN), stellt sich in einem Fall, in dem es ‑ wie hier ‑ um den Wegfall des versicherten Risikos geht, nicht; entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich die gröbliche Benachteiligung gemäß § 879 Abs 3 ABGB nämlich bereits daraus, dass die konkrete Rückforderungsvereinbarung zum Nachteil der beklagten Versicherungsnehmerin von der Bestimmung des § 68 Abs 2 VersVG abweicht (vgl 7 Ob 201/12b [Klausel 4]), was auch gemäß § 68a VersVG zur Folge hat, dass sich die Klägerin auf diese Klausel nicht berufen kann.

Berechtigung kommt (im Ergebnis) aber auch dem Standpunkt der Revisionsbeantwortung zu, dass der Klagsanspruch ‑ selbst wenn man die Auffassung der Beklagten teilt ‑ nicht vollständig abzuweisen ist; bei Wegfall dieser Klausel ist nämlich die so entstandene Vertragslücke (jedenfalls beim Unternehmergeschäft) durch ergänzende Vertragsauslegung nach dem hypothetischen Parteiwillen zu füllen ( Palten aaO, 29 mwN sowie Schauer aaO, 268 ff mwN [zum Verbrauchergeschäft]). Dazu, woraus sich eine darauf gegründete Klagsforderung (in welcher Höhe?) ergeben würde (vgl Palten aaO, 27 [zu Klagevorbringen, die der Berechnung einer Nachzahlung ‑ wegen Unwirksamkeit dort vereinbarter, gemäßigt progressiver Klauseln ‑ ein streng degressives Modell zugrunde legen]), hat die Klägerin in erster Instanz allerdings noch nichts vorgetragen.

Eine Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im klageabweisenden Sinn allein auf Grund des Umstands, dass die Klägerin insoweit kein ausreichendes Vorbringen erstattet hat, kommt ‑ wegen des Verbots der „Überraschungsentscheidung“ ‑ nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0037300; 6 Ob 196/12k mwN), weil auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer von ihnen bisher nicht beachteten Rechtsansicht überraschen darf. Mit § 182a ZPO wurde die Erörterungspflicht der Gerichte nämlich dahin erweitert, dass sie selbst in jenen Fällen gelten soll, in denen eine Partei erkennbar rechtliche Gesichtspunkte, die „von der Gegenseite bereits ins Spiel gebracht wurden“, übersehen und für unerheblich gehalten haben kann (RIS-Justiz RS0120056).

Für die ‑ zunächst außer Streit gestellte, später wieder bestrittene ‑ Höhe der Klagsforderung kommt einer solchen Erörterung entscheidende Bedeutung zu. Die Vorinstanzen haben sich auf Grund ihrer Rechtsansicht mit der Frage der ergänzenden Vertragsauslegung nicht beschäftigt. Das ‑ allein auf die unwirksame Rabattklausel gestützte ‑ anspruchsbegründende Vorbringen der Klägerin (insbesondere was die Höhe des Klagsanspruchs auf Rabattrückforderung betrifft) ist jedoch unvollständig. Die von ihr erkennbar übersehenen Gesichtspunkte (§ 182a ZPO) sind zu erörtern. Sodann wird beiden Parteien die Gelegenheit zu geben sein, weiteres Vorbringen zu erstatten (vgl RIS‑Justiz RS0120056; 7 Ob 223/10k), um eine ‑ wie dargelegt ‑ auch in diesem Verfahrensstadium unzulässige Überraschungsentscheidung zu vermeiden.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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