OGH 10Ob57/12y

OGH10Ob57/12y19.3.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Christandl Rechtsanwalt GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.858,22 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 13. September 2012, GZ 18 R 139/12p-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 19. April 2012, GZ 3 C 31/12k-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die Revision wird zurückgewiesen.

2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR (darin enthalten 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Die beklagte GmbH war Abschluss- und Konzernprüferin für die Jahresabschlüsse 2000 bis 2008 der A***** AG, bei deren IAS-Konzernabschlüssen für die Jahre 2004 bis 2008 sowie bei den Jahres- und Konzernabschlüssen 2001 bis 2008 der A***** Beteiligungs AG (seit 16. Februar 2007: A***** Gruppe AG). Bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, bei den Jahresabschlüssen für 2008 jeweils nur einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk. Die Jahres- und Konzernabschlüsse der beiden Aktiengesellschaften samt Bestätigungsvermerken wurden jeweils im Firmenbuch veröffentlicht. Die ersten von der Beklagten erstellten Jahres-und Konzernabschlüsse samt Bestätigungsvermerk waren die für das Jahr 2000 für die A***** AG sowie jene für das Jahr 2001 für die A***** Beteiligungs AG bzw A***** Gruppe AG. Die Veröffentlichung dieser Jahres- und Konzernabschlüsse im Firmenbuch erfolgte am 31. 5. 2001 bzw am 17. 7. 2001.

Der Kläger erwarb am 26. 4. 2001 fünf A*****-Genussscheine zu einem Gesamtkaufpreis von 6.858,22 EUR.

Die Genussscheine der A***** Beteiligungs AG der Serie 2001 notierten am 17. 9. 2001 im Freiverkehr an der Frankfurter Börse.

Im Mai 2010 wurde über das Vermögen der beiden Aktiengesellschaften das Konkursverfahren eröffnet.

Mit seiner am 9. 1. 2012 eingelangten Klage begehrt der Kläger 6.858,22 EUR sA; hilfsweise Zug um Zug gegen Übergabe der Genussscheine. Mehrere weitere Eventualbegehren sind auf die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden gerichtet, den der Kläger aus der Veranlagung in diese Genussscheine erleide, insbesondere dadurch, dass er bei deren Verwertung, in eventu an Zahlungen von der Masseverwalterin in den Konkursen über die Vermögen der A***** Gruppe AG und der A***** AG weniger als den seinerzeitigen Gesamtkaufpreis zurückerhalte.

Soweit im Revisionsverfahren relevant, brachte der Kläger vor, die Beklagte hafte für den ihm entstandenen Schaden aufgrund von Versäumnissen als Abschluss- und Prospektprüfer. Die Beklagte habe bei Prüfung der Jahres- und Konzernabschlüsse kontinuierlich fehlerhaft, nicht gesetzeskonform und nicht lege artis gehandelt, indem sie Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt und uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Der Kläger habe infolge Erteilung der Prüfvermerke darauf vertraut, dass die Rechenwerke der A***** Gruppe AG und der A***** AG einer ordnungsgemäßen Kontrolle unterzogen worden seien. Er hätte keine wertlos gewordenen Genussscheine gekauft oder behalten, wenn die Prüfvermerke versagt worden wären. Bei ordnungsgemäßer Prüfung durch die Beklagte wäre das „System A*****“ zusammengebrochen, jedenfalls aber die Wertlosigkeit der Genussscheine erkennbar gewesen, sodass der Kläger seine Investition sofort durch „Rückverkauf“ schadensfrei beendet hätte (S 41 der Klage). Der Schaden bestehe im Anspruch auf Auszahlung des Kaufpreises der Genussscheine zum Zeitpunkt des Erwerbs, weil bereits jetzt feststehe, dass aufgrund der Insolvenzen der beiden Aktiengesellschaften die Genussscheine wertlos und unverkäuflich seien. Der Anspruch sei auch nicht verjährt, weil der Schaden erst mit der Einschränkung und Ergänzung des Bestätigungsvermerks vom 14. 4. 2009 (eingereicht am 29. 5. 2009) und 31. 7. 2009 (eingereicht am 10. 9. 2009) sowie mit der Ausübung der Redepflicht eingetreten sein könne, und der Kläger erst mit Vorliegen des Gutachtens im Strafverfahren gegen den Vorstandsvorsitzenden bzw der Eröffnung der Insolvenzverfahren einen Ursachenzusammenhang zwischen dem Schaden und der Beklagten habe herstellen können.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und wendete primär Verjährung nach § 275 Abs 5 UGB ein. Dem Kläger sei bereits durch den Erwerb der Genussscheine ein realer Schaden durch „Vermögensumschichtung“ entstanden. Ausgehend vom Kaufdatum sei der Anspruch nach § 275 Abs 5 UGB spätestens am 26. 4. 2006 verjährt. Ein allenfalls pflichtwidriges Handeln der Beklagten sei auch nicht kausal für den behaupteten Behalteentschluss des Klägers, weil bei früherer Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks der Zusammenbruch des „A*****-System“ nur zeitlich vorverlagert worden wäre. Eine Prospektpflicht in Österreich habe nicht bestanden. Mit Einführung der Genussscheine im Freiverkehr der Frankfurter Börse sei ein allfälliges prospektpflichtiges Anbot beendet gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung des auf § 275 UGB gestützten Anspruchs gegen die Beklagte als Abschlussprüferin (Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB mit Eintritt des Schadens durch Kauf der Genussscheine am 26. 4. 2001) ab sowie weiters wegen Präklusion der Prospekthaftung (Beginn der anzuwendenden kürzeren Präklusivfrist des § 11 Abs 7 KMG aF von fünf Jahren mit Zulassung der Genussscheine an der Frankfurter Börse am 17. 9. 2001).

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es traf - wenngleich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung - die Feststellung, der Kläger habe bei Ankauf für seine Leistung Genussscheine erhalten, die bereits im damaligen Zeitpunkt wertlos waren (S 16 der Berufungsentscheidung). Rechtlich ging es davon aus, die im Firmenbuch veröffentlichten Bestätigungsvermerke könnten nicht kausal für den Kaufabschluss gewesen sein, weil der Kauf am 26. 4. 2001, sohin vor Veröffentlichung des ersten Bestätigungsvermerks (am 31. 5. 2001) erfolgt sei. Die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB beginne mit Eintritt des Primärschadens zu laufen, ohne dass es darauf ankäme, wann der Kläger Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt habe. Der Primärschaden des Klägers sei bereits mit dem Kauf der Genussscheine eingetreten, weil er für seine Leistung Genussscheine erhalten habe, die bereits im damaligen Zeitpunkt wertlos gewesen seien. Soweit sich der Kläger darauf stützte, er hätte bei ordnungsgemäßer Versagung bzw Einschränkung des Bestätigungsvermerks seine Genussscheine sofort schadensfrei wieder (rück-)verkauft, sei dies nicht schlüssig, weil er selbst vorgebracht habe, dass bei ordnungsgemäßer Prüfung durch die Beklagte das „System A*****“ zusammengebrochen, jedenfalls aber die Wertlosigkeit der Genussscheine erkennbar gewesen wäre. Damit hätte sich der Zusammenbruch aber nur zeitlich vorverlagert und es wäre ihm ebenso wenig wie nunmehr möglich gewesen, seine Genussscheine zu veräußern. Der Kläger hätte nicht vorgebracht, dass es ihm gelungen wäre, einen derartigen Verkauf auch tatsächlich durchzuführen und einen Verkaufserlös zumindest in Höhe des Klagsbetrags zu erzielen. Die Behauptung, dass die A*****-Gesellschaften bis 2008 Genussscheine zurückgekauft hätten, bedeute nicht, dass dies auch bei Veröffentlichung eines versagten oder eingeschränkten Bestätigungsvermerks der Fall gewesen wäre. Wieso dem Kläger durch den Umstand, dass das A*****-System nicht bereits früher zusammengebrochen sei, ein Schaden entstanden sein sollte, habe er trotz eines ausdrücklichen Hinweises der Beklagten nicht vorgebracht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil es an Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Fragen fehle, ob § 275 Abs 5 UGB auch bei vorsätzlichem Handeln gelte und wann der Primärschaden in derartigen Fällen eintrete.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO) - ist die Revision nicht zulässig:

1. Wie bereits das Berufungsgericht erkannt hat, konnte die Erteilung der behauptetermaßen unrichtigen Prüfvermerke schon deshalb nicht kausal für den Ankaufsentschluss des Klägers gewesen sein, weil der erste Prüfvermerk erst nach dem Ankaufsdatum im Firmenbuch veröffentlicht wurde.

2. Die angeblich unrichtigen Prüfvermerke waren aber auch nicht kausal für einen etwaigen dem Kläger aus dem Behalten der Genussscheine entstandenen Schaden. Wie sich aus der im Berufungsurteil enthaltenen und von der Revision unbekämpft gebliebenen Festellung ergibt, waren die Genussscheine bereits zum Ankaufszeitpunkt 26. 4. 2001 wertlos. Selbst wenn die Beklagte danach (in den Jahren bis 2008) ihrer Prüfpflicht ordnungsgemäß nachgekommen wäre, wäre der bereits beim Ankauf der wertlosen Papiere entstandene Schaden nicht ausgeblieben.

Zur vom Berufungsgericht erkannten Unschlüssigkeit des Klagevorbringens, bei ordnungsgemäßer Erteilung bzw Einschränkung der Prüfvermerke wäre die Investition durch Rückverkauf (auf welcher Grundlage?) schadensfrei beendet worden, führt der Kläger in seiner Revision im Übrigen nichts aus.

Die vom Berufungsgericht als relevant erachteten Rechtsfragen zur Verjährung können im vorliegenden Fall demnach mangels Verursachung des Schadens durch die Beklagte dahingestellt bleiben (zu den mit der Verjährung in Zusammenhang stehenden Fragen siehe die mittlerweile ergangene, ausführlich begründete Entscheidung vom 23. 1. 2013, 3 Ob 230/12p).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte