European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00244.12D.0319.000
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das in seinem abweisenden Teil rechtskräftig geworden ist, wird im Übrigen teils mit einer Maßgabe bestätigt und teils dahin abgeändert, dass es einschließlich der in Rechtskraft erwachsenen Teile wie folgt lautet:
„Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in ihrer Werbung, insbesondere auf ihrer Website www.*****4kids.at sowie in ihren Filialen, nicht jedoch in der Fernsehwerbung, unmündige Minderjährige, insbesondere Volksschulkinder, zum Kauf bestimmter Waren, wie etwa eines Sammelalbums, direkt aufzufordern, insbesondere durch die Aufforderung 'Hol dir jetzt dein Stickerbuch!' oder eine gleichartige Aufforderung, wenn diese Ware entgeltlich, etwa zum Preis von 1,99 EUR, zu erwerben ist.
Hingegen wird das Mehrbegehren abgewiesen,
a. der beklagten Partei das im Unterlassungsgebot bezeichnete Verhalten auch in der Fernsehwerbung zu untersagen,
b. das Unterlassungsgebot insbesondere auf den Erwerb von Sammelbildern zu erstrecken, die um 50 Cent zu erwerben seien,
c. der beklagten Partei zu untersagen, in ihrer Werbung, insbesondere in der Fernsehwerbung, auf ihrer Website www.*****4kids.at und in ihren Filialen, unmündige Minderjährige, insbesondere Volksschulkinder, zum Kauf ihrer Waren oder dazu zu veranlassen, ihre Eltern oder andere Erwachsene zu Wareneinkäufen bei der Beklagten zu überreden, dies insbesondere mit dem Versprechen der Gratis-Abgabe von sonst entgeltlichen Sammelstickern im Fall der Überschreitung eines bestimmten Mindesteinkaufswerts, insbesondere durch Aufforderungen wie 'Holt Euch jetzt die tierischen Sammel-Sticker an der Kassa! Pro Euro 10,-- Einkaufswert gibt's eine Packung Sticker gratis!'.
Die klagende Partei wird ermächtigt, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des über diese Klage ergehenden Urteils den klagsstattgebenden Teil des Urteilsspruchs im Umfang des Unterlassungsgebots und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung einmal im redaktionellen Teil einer Samstagausgabe der bundesweit erscheinenden 'Kronen Zeitung' in Fettdruckumrandung und mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien, ansonsten in Normallettern, das heißt in der Schriftgröße redaktioneller Beiträge, auf Kosten der beklagten Partei zu veröffentlichen.
Das Mehrbegehren auf Veröffentlichung des Urteils im Fernsehen und auf den Webseiten www.*****.at und www.*****4kids.at wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 2.119,82 EUR bestimmten Anteil an den Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin 353,30 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen einen mit 1.067,66 EUR bestimmten Anteil an den Barauslagen des Verfahrens erster und zweiter Instanz zu ersetzen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen einen mit 648 EUR bestimmten Anteil an den Barauslagen des Revisionsverfahrens zu ersetzen. Im Übrigen werden die Kosten des Revisionsverfahrens gegeneinander aufgehoben.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt bundesweit Supermärkte, in denen sie Lebensmittel und andere Waren anbietet. Von Jänner bis März 2011 führte sie eine Werbekampagne durch, in der sie an jeden Kunden pro 10 EUR Einkaufswert eine Packung mit fünf selbstklebenden Tierbildern („Stickern“) abgab. Diese Bilder konnten in ein Sammelalbum eingeklebt werden, das die Beklagte um 1,99 EUR verkaufte. Ferner war es möglich, um 50 Cent zusätzlich Bilder zu kaufen. Die Beklagte warb dafür auf ihrer Website www.*****4kids.at , im Fernsehen und in ihren Filialen. Dabei verwendete sie unter anderem folgende Formulierungen:
Stickerbuch holen und Sticker sammeln.
Hol dir jetzt dein Stickerbuch. € 1,99.
Holt Euch jetzt die tierischen Sammel-Sticker an der Kassa.
Geh auf Rekordjagd und hol dir die Sammel-Sticker an der Kassa. Pro € 10,-- Einkaufswert gibt's eine Packung Sticker gratis.
Der Kläger ist ein nach § 14 UWG klagebefugter Verband. Er beantragt, der Beklagten zu untersagen, in ihrer Werbung, insbesondere in ihrer Fernsehwerbung, auf ihrer Website www.*****4kids.at und in ihren Filialen, unmündige Minderjährige, insbesondere Volksschulkinder,
1. zum Kauf ihrer Waren oder dazu, ihre Eltern oder andere Erwachsene zu Wareneinkäufen bei der Beklagten zu überreden, zu veranlassen, dies insbesondere mit dem Versprechen der Gratis-Abgabe von sonst entgeltlichen Sammelstickern im Fall der Überschreitung eines bestimmten Mindesteinkaufswerts, insbesondere durch Aufforderungen wie „Holt Euch jetzt die tierischen Sammel-Sticker an der Kassa! Pro Euro 10,-- Einkaufswert gibt's eine Packung Sticker gratis!“
2. zum Kauf bestimmter Waren, wie etwa eines Sammelalbums und/oder von Sammelstickern, direkt aufzufordern, insbesondere durch Aufforderungen wie „Hol dir jetzt dein Stickerbuch!“ oder „Hol dir jetzt die Sammel-Sticker!“ oder gleichartige Aufforderungen, wenn diese Waren entgeltlich, etwa zum Preis von 1,99 EUR oder 50 Cent zu erwerben seien.
Damit verbindet der Kläger ein Begehren auf Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der Kronen Zeitung und im ORF sowie auf Veröffentlichung des Urteils auf den von der Beklagten betriebenen Webseiten www.*****.at und www.*****4kids.at . Die beanstandete Werbung spreche unmündige Minderjährige an und fordere sie gezielt auf, Sammelbilder zu kaufen oder ihre Eltern zu veranlassen, ihnen diese Bilder durch den Kauf von Waren um zumindest 10 EUR zu verschaffen. Dies verstoße gegen Z 28 Anh UWG und sei wegen der damit verbundenen Belästigung der Eltern eine aggressive Geschäftspraktik iSv § 1a Abs 1 UWG. Z 28 Anh UWG setzte nicht voraus, dass eine produktbezogene Werbung vorliege. Dies ergebe sich insbesondere aus der englischen Fassung der entsprechenden Bestimmung in der RL-UGP, die nicht auf bestimmte, dh von der Werbung erfasste, sondern allgemein auf „beworbene Produkte“ abstelle. Die Voraussetzungen des § 1a UWG seien aufgrund der direkt an Kinder gerichteten und auf deren Sammeltrieb abzielenden Werbung erfüllt. Die begehrte Veröffentlichung sei wegen der österreichweiten Werbung der Beklagten berechtigt.
Die Beklagte wendet ein, Z 28 Anh UWG sei eng auszulegen. Er untersage nur die direkte Aufforderung zum Kauf eines ganz bestimmten Produkts. Das treffe hier nicht zu. Die Fernsehwerbung und die Werbung in den Filialen habe sich nicht spezifisch an Kinder gerichtet, es sei kein bestimmtes Produkt beworben und keine direkte Aufforderung zum Kauf ausgesprochen worden. Die Werbeankündigung auf der Website www.*****4kids.at habe sich zwar an Kinder gerichtet, sie habe ebenfalls aber keine direkte Aufforderung enthalten, bestimmte Produkte zu kaufen. Vielmehr habe die Beklagte auch dort nur für eine Zugabenaktion geworben. Eine aggressive Geschäftspraktik liege nicht vor, weil der Anreiz für die angesprochenen Kreise zu gering gewesen sei. Das Veröffentlichungsbegehren sei nicht berechtigt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nur die Website www.*****4kids.at richte sich ausdrücklich an Kinder; dies sei aber nicht absolut unzulässig. Eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf liege nur beim Sammelalbum vor, nicht bei den Stickern selbst. Auch beim Sammelalbum werde aber die Unerfahrenheit von Kindern nicht ausgenutzt. Dieses Erfordernis gelte auch für Z 28 Anh UWG. Denn die Werbung im Internet dürfe nicht anders behandelt werden als jene im Fernsehen, für die der Anhang der RL-UGP nicht gelte. Die Beklagte verstoße auch nicht gegen § 1a UWG. Der wirtschaftliche Kern der Werbekampagne sei nicht das Sammelalbum, sondern die Bilder. Insofern könne Eltern zugemutet werden, den Wünschen ihrer Kinder auch dann Grenzen zu setzen, wenn diese Wünsche durch an die Kinder gerichtete Werbung veranlasst oder verstärkt würden. Anders verhalte es sich zwar, wenn die Wünsche der Kinder durch eine irreführende Geschäftspraktik oder eine andere unlautere Handlung hervorgerufen würden. Das treffe hier aber nicht zu, weil die Werbung der Beklagten ohnehin auf die Bedingungen für den Erhalt der Sticker hinweise (ein Päckchen pro 10 EUR Einkaufswert).
Das Berufungsgericht gab dem Unterlassungsbegehren in den Obersätzen (Einsatz von Kindern als Kaufmotivatoren [1]; unmittelbare Aufforderung zum Kauf [2]) statt, nahm davon aber ‑ durch Teilabweisung ‑ die von der Klägerin „insbesondere“ genannten Begehungsformen der Werbung im Fernsehen und der Aufforderung zum Kauf von Bildern um 50 Cent aus. Dem Veröffentlichungsbegehren gab es für die Kronen Zeitung und die Website www.*****4kids.at statt, das Mehrbegehren in Bezug auf eine Veröffentlichung im Fernsehen und auf der Website www.*****.at wies es ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Die beanstandete Werbung richte sich hauptsächlich an Volksschulkinder. In Bezug auf das Sammelalbum liege auf der Website www.*****4kids.at wegen des Imperativs („Hol dir das Stickeralbum“) und der daneben stehenden Preisangabe eine unmittelbare Aufforderung zum Kauf iSv Z 28 Anh UWG vor. Gleiches gelte aber auch für die Aufforderung, sich Sticker zu „holen“, dies verbunden mit der Formulierung „Pro EUR 10,-- Einkaufswert gibt's eine Packung Sticker gratis“. Denn unter Bedachtnahme auf die englische Fassung von Nr 28 Anh RL-UGP und auf Erwägungsgrund 18 dieser Richtlinie genüge es, wenn sich die Aufforderung (allgemein) auf den Kauf von Produkten eines bestimmten Unternehmens beziehe; die Aufforderung zum Kauf eines bestimmten Produkts sei nicht erforderlich. Sollte man jedoch die Anwendung von Z 28 Anh UWG mangels produktbezogener Werbung verneinen, führe § 1a Abs 1 UWG zum selben Ergebnis. Kaufappelle seien aggressiv im Sinn dieser Bestimmung, wenn sie in irreführender oder sonst unlauterer Weise auf Kinder einwirkten, um diese als Kaufmotivatoren für Erwachsene einzusetzen. Zwar habe die Beklagte hier keine irreführenden oder unvollständigen Angaben gemacht. Allerdings habe sie mit einer Zugabenaktion geworben. Dass die Zugabe unter einen Ausnahmetatbestand des § 9a Abs 2 UWG fiele, habe die Beklagte trotz der sie insofern treffenden Behauptungs- und Beweislast nicht vorgebracht. Ihre Vorgangsweise sei daher schon deswegen unlauter. Zudem habe die Beklagte den Sammeltrieb der Kinder ausgenutzt und zu einem Gruppendruck, insbesondere beim Schulbesuch, beigetragen. Dennoch sei das Unterlassungsbegehren nur teilweise berechtigt. Nr 28 Anh RL-UGP gelte unbeschadet des Art 16 der RL 89/552/EWG . Danach sei eine Kaufaufforderung in einer an Kinder gerichteten Fernsehwerbung nur dann unzulässig, wenn dadurch deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausgenutzt werde. Als Hinweis in diese Richtung könnte zwar der Gruppenzwang angesehen werden, den die Beklagte mit ihrer Werbeaktion auf die angesprochenen Volksschulkinder ausübe. Allerdings sei in der Fernsehwerbung keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder erfolgt, was zur Abweisung des diesbezüglichen Begehrens führe. Abzuweisen sei auch das Begehren auf Verbot einer Aufforderung zum Erwerb von Bildern um 50 Cent. Eine solche Werbebotschaft habe es in den beanstandeten Werbemitteln nicht gegeben. Das Veröffentlichungsbegehren sei in Bezug auf die Kronen Zeitung und die an Kinder gerichtete Website www.*****4kids.at berechtigt. Die Werbeaktion habe hohe Publizität gehabt, daher sei die Veröffentlichung in einer österreichweit erscheinenden Tageszeitung angemessen. Eine Veröffentlichung im Fernsehen komme nicht in Betracht, weil das Unterlassungsbegehren insofern abgewiesen worden sei. Auf der Website www.*****.at habe die Beklagte nicht geworben. Für das Internet reiche daher die Veröffentlichung auf der Website www.*****4kids.at aus.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehlt, unter welchen Voraussetzungen eine an Kinder gerichtete Werbung für eine Zugabenaktion unlauter ist. Sie ist teilweise berechtigt.
1. Zu Z 28 des Anhangs zum UWG
1.1. Z 28 Anh UWG dient der Umsetzung von Nr 28 Anh 1 RL‑UGP. Diese Bestimmung ist Teil der „schwarzen Liste“ jedenfalls unzulässiger Geschäftspraktiken und lautet wie folgt:
Einbeziehung einer direkten Aufforderung an Kinder in eine Werbung, die beworbenen Produkte zu kaufen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene zu überreden, die beworbenen Produkte für sie zu kaufen. Diese Bestimmung gilt unbeschadet des Artikels 16 der Richtlinie 89/552/EWG über die Ausübung der Fernsehtätigkeit.
Including in an advertisement a direct exhortation to children to buy advertised products or persuade their parents or other adults to buy advertised products for them. This provision is without prejudice to Article 16 of Directive 89/552/EEC on television broadcasting.
Dans une publicité, inciter directement les enfants à acheter ou à persuader leurs enfants ou d'autres adultes de leur acheter le produit faisant l'objet de la publicité. Cette disposition ne porte pas atteinte à l’article 16 de la directive 89/552/CEE sur la radiodiffusion télévisuelle.
1.2. Unter dieses Verbot fällt jedenfalls Werbung, die sich an Minderjährige unter 14 Jahren richtet und ‑ etwa durch Verwendung des Imperativs ‑ eine Aufforderung zum Kauf bestimmter Waren enthält (4 Ob 110/12y = wbl 2012, 655 ‑ Stickersammelbuch mwN). Das ist hier in Bezug auf die Aufforderung zum Erwerb des Sammelalbums zweifellos der Fall.
1.3. Auf die Eignung einer solchen Aufforderung, die wirtschaftliche Entscheidung des Durchschnitts-verbrauchers oder den Wettbewerb zwischen Unternehmen spürbar zu beeinflussen, kommt es ‑ entgegen einer im Schrifttum vertretenen Ansicht ( Wiltschek , MSA UWG 2 [2007] 12; Wiltschek / Majchrzak , Die UWG‑Novelle 2007, ÖBl 2008, 4 [9]) ‑ nicht an.
(a) Die Irrelevanz dieser Umstände ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut und der Systematik von Art 5 RL‑UGP. Nach dessen Absatz 1 sind „unlautere Geschäftspraktiken […] verboten“; nach Absatz 5 erhält der Anhang zur Richtlinie eine Liste von Geschäftspraktiken, die „unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind“. Das Zusammenspiel dieser Bestimmungen ist eindeutig: Was nach Art 5 Abs 5 RL-UGP „unter allen Umständen unlauter“ ist, ist nach Art 5 Abs 1 RL-UGP ohne weitere Voraussetzungen „verboten“. Daher kommt es bei den im Anhang der Richtlinie genannten Geschäftspraktiken weder darauf an, dass sie im Einzelfall irreführend oder aggressiv sind, noch dass sie die Bedingungen des Art 5 Abs 2 RL-UGP (Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt und Eignung zur wesentlichen Beeinflussung des Durchschnittsverbrauchers) erfüllen.
(b) Das UWG bezeichnet die im Anhang genannten Geschäftspraktiken nicht generell als „jedenfalls unlauter“, sondern (nur) als „jedenfalls aggressiv“ (§ 1a Abs 3 UWG) bzw „jedenfalls irreführend“ (§ 2 Abs 2 UWG) und ließe daher Raum für eine Auslegung, wonach im Einzelfall zu prüfen ist, ob das beanstandete Verhalten tatsächlich die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers beeinflussen kann. Diese Bestimmungen sind aber aufgrund der Verpflichtung zur richtlinienkonformen Interpretation (RIS-Justiz RS0075866) im Sinn von Art 5 Abs 1 und 5 RL‑UGP zu verstehen. Eine solche Prüfung des Einzelfalls ist daher auch hier ausgeschlossen ( Burgstaller in Wiebe / G. Kodek , UWG 2 Anh § 1a Rz 15; Korn , Anmerkung zu 4 Ob 42/08t, MR 2008, 260 [261]; Wiebe , Umsetzung der Geschäftspraktikenrichtlinie und Perspektiven für eine UWG‑Reform, JBl 2007, 69 [74, 77]; Duursma / Duursma-Kepplinger in Gumpoldsberger / Baumann , UWG Ergänzungsband [2009] vor Anhang Rz 3; vgl aus der deutschen Literatur Köhler/Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG30 [2012] Anh zu § 3 III Rz 0.4; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG5 [2010] Anh zu § 3 Abs 3 Rz 3; Schünemann in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG2 [2009] § 3 Rz 257). Damit übereinstimmend hat auch der Europäische Gerichtshof zuletzt festgehalten, dass bei den Tatbeständen des Anhangs keine Beurteilung des Einzelfalls anhand der Art 5 bis 9 der Richtlinie zu erfolgen habe, da die darin genannten Geschäftspraktiken unter allen Umständen unlauter seien (C‑428/11, Purely Creative Ltd, Rz 45).
1.4. Auf dieser Grundlage muss die Revision gegen Punkt 2 des Unterlassungsgebots (Aufforderung zum Kauf bestimmter Waren) scheitern. Allerdings ist im Spruch eine Klarstellung erforderlich. Das Berufungsgericht hat dargelegt, dass die ebenfalls beanstandete und im Begehren „insbesondere“ genannte Fernsehwerbung nicht verboten werden kann, und das diesbezügliche Begehren daher abgewiesen. Diese Abweisung wurde rechtskräftig. Das Berufungsgericht hat dabei aber nicht beachtet, dass der umfassend formulierte Obersatz des von ihm erlassenen Verbots („... in ihrer Werbung ...“) bei isolierter Betrachtung (also ohne Berücksichtigung der Teilabweisung) auch die Fernsehwerbung erfasste. Da am gegenteiligen Entscheidungswillen des Berufungsgerichts kein Zweifel besteht, ist seine Entscheidung in diesem Punkt mit der Maßgabe zu bestätigen, dass die Fernsehwerbung vom Verbot ausdrücklich ausgenommen wird. Nicht mehr strittig ist die bereits rechtskräftig gewordene Abweisung in Bezug auf die ‑ nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht vorliegende ‑ Aufforderung zum Kauf von Sammelbildern als solchen.
1.5. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht hingegen in der Anwendung von Z 28 Anh UWG auch auf die Werbung für die Sammelaktion im Allgemeinen (Punkt 1 des Unterlassungsgebots). Denn hier fehlt eine direkte Aufforderung zum Kauf eines bestimmten Produkts. Es mag zwar zutreffen, dass die englische Fassung von Nr 28 Anh RL‑UGP dieses Erfordernis ‑ wegen des Fehlens eines bestimmten Artikels ‑ nicht ganz eindeutig ausdrückt. Auch dort ist aber von „advertised products“ die Rede (vgl auch „geadverteerde producten“ in der niederländischen Fassung). Die Aufforderung muss sich daher auch nach der englischen Fassung von Nr 28 Anh RL-UGP auf in der Werbung genannte Produkte beziehen. Aus der französischen und deutschen Fassung ergibt sich dieses Erfordernis in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise („beworbenen Produkte“ bzw „produit faisant l'objet de la publicité“; vgl auch „i prodotti reclamizzati“ [it], „los productos anunciados“ [sp] und „os produtos anunciados“ [port]). Aus dem vom Berufungsgericht angeführten Erwägungsgrund 18 der RL-UGP ergibt sich nichts Gegenteiliges, da dort nur allgemein ausgeführt wird, dass Kinder vor unmittelbaren Kaufaufforderungen geschützt werden müssten. Auch die Lehre nimmt ‑ soweit das Problem gesehen wird ‑ an, dass sich Nr 28 Anh RL-UGP nur auf die Aufforderung zum Erwerb bestimmter Produkte bezieht (Köhler/Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG30 Anh zu § 3 III Rz 28.11; Sosnitza in Piper/Ohly/Sosnitza, UWG5 Anh zu § 3 Abs 3 Rz 61). Das trifft bei der hier strittigen Werbung für eine Zugabenaktion, die bloß mittelbar einen Anreiz zum Erwerb von nicht näher bestimmten Waren der Beklagten bildet, nicht zu. Die stattgebende Entscheidung zu Punkt 1 des Unterlassungsbegehrens kann daher nicht auf Z 28 Anh UWG gestützt werden.
2. Zum Vorliegen einer aggressiven Geschäftspraktik
2.1. Richtig ist, dass die Beklagte Kinder als Kaufmotivatoren für Erwachsene einsetzt. Die Erwartung, weitere Sammelbilder zu bekommen, soll Kinder dazu veranlassen, ihre Eltern oder andere nahestehende Personen zu einem Einkauf in den Geschäften der Beklagten zu bewegen. Es ist allgemein bekannt, dass sich diese Marketingmaßnahme bei großen Handelsketten als durchaus erfolgreich erwiesen hat. Fraglich ist allerdings, ob darin tatsächlich eine aggressive Geschäftspraktik iSv § 1a UWG und Art 8 RL-UGP liegt.
2.2. Nach Art 7 RL-UGP gilt eine Geschäftspraktik als aggressiv,
wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Im konkreten Fall könnte das Einwirken auf die Kinder allenfalls als (mittelbare) Belästigung („harassment“, „harcèlement“) der Erwachsenen angesehen werden. Der Senat hat allerdings bereits entschieden, dass der bloße Einsatz von Kindern als Kaufmotivatoren für sich allein noch keine solche Belästigung ist (4 Ob 57/08y = SZ 2008/96 ‑ ÖBl 2009, 33 [ Rungg / Albiez ] ‑ Pony Club). Danach kann Eltern grundsätzlich zugemutet werden, den Wünschen ihrer Kinder auch dann Grenzen zu setzen, wenn diese Wünsche durch an diese gerichtete Werbung veranlasst oder verstärkt werden; an Kinder gerichtete Werbung ist daher nicht grundsätzlich unzulässig (ebenso BGH I ZR 82/05 = WRP 2008, 214 ‑ Tony Taler). Anderes gilt nur dann, wenn die Wünsche der Kinder durch eine irreführende Geschäftspraktik oder eine andere unlautere Handlung hervorgerufen werden. Denn damit wird den Eltern nicht nur die - in der Erziehung unvermeidbare - Auseinandersetzung mit möglicherweise unvernünftigen Konsumwünschen ihrer Kinder aufgezwungen. Vielmehr müssen sie durch die Werbung veranlasste Fehlvorstellungen widerlegen, was in der Regel mit einem weit höheren zeitlichen und argumentativen Aufwand verbunden ist als das Gespräch über Konsumwünsche im Allgemeinen (4 Ob 57/08y - Pony Club; RIS-Justiz RS0123821).
2.3. Irreführung oder eine sonstige Unlauterkeit liegt hier allerdings nicht vor.
2.3.1. Die Klägerin behauptet nicht, dass die Werbung irreführend sei. Das trifft zu, da die Beklagte ausreichend deutlich machte, dass es sich bei den Sammelbildern um eine vom Wert des Einkaufs abhängige Zugabe handelte. Auch das bloße Vorliegen einer Zugabe führt, anders als vom Berufungsgericht angenommen, noch nicht zur Unlauterkeit der beanstandeten Werbung. Denn das Ankündigen, Anbieten oder Gewähren von Zugaben gegenüber Verbrauchern war schon während der strittigen Marketingaktion aufgrund richtlinienkonformer Auslegung von § 9a Abs 1 Z 1 UWG nur dann unzulässig, wenn es im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter war (Rs C-540/08 , Mediaprint; 4 Ob 208/10g = wbl 2011/79 [ Schuhmacher ] = MR 2011, 41 [ Plasser ] = ecolex 2011,727 [ Horak ] = ÖBl 2011, 115 [ Gamerith ] - Fußballer des Jahres IV; RIS-Justiz RS0126589); inzwischen wurde § 9a UWG mit dem Kartell- und Wettbewerbsrechts-Änderungsgesetz 2012 (BGBl I 2013/13) überhaupt aufgehoben.
2.3.2. Damit bleibt das Argument, dass die Zugabenaktion den Sammeltrieb der Kinder ausnutze und einen Gruppendruck erzeuge. Auch das reicht nach Auffassung des Senats noch nicht aus, um eine nach § 1a UWG (Art 8 RL‑UGP) relevante Belästigung der Eltern anzunehmen.
(a) Sammelbilder sind im deutschsprachigen Raum seit langem als Maßnahme zur Kundenbindung bekannt; Bilder mit Märchenmotiven aus dem 19. Jahrhundert (http://de.wikipedia.org/wiki/Sammelalbum ) belegen, dass damit von Anfang an auch Kinder angesprochen wurden. Dass sie in Österreich zu diesem Zweck offenbar erst (wieder) in den letzten Jahren in Gebrauch kamen, hängt wohl mit dem inzwischen weggefallenen Zugabenverbot zusammen. Das Ausnutzen eines möglicherweise bestehenden Sammeltriebs kann schon wegen der Notwendigkeit, Kinder und Jugendliche auf das alltägliche Marktgeschehen in der Welt der Erwachsenen vorzubereiten, nicht generell als unzulässig angesehen werden (vgl BGH I ZR 160/05 = GRUR 2009, 71 ‑ Sammelaktion für Schoko-Riegel; in Abkehr von strengerer Rechtsprechung aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, ZR 175/54 = GRUR 1957, 40 ‑ Puppenservice-Teile). Ein Unterschied zum vorliegenden Fall liegt zwar darin, dass sich die Zugabe hier nicht auf bestimmte Waren (zB Stollwerck-Schokoladen [19. Jhdt], Schoko-Riegel [BGH]), sondern auf das gesamte Sortiment der Beklagten bezieht; die Aktion erfasst daher nicht nur für Kinder interessante Waren. Die Unerfahrenheit von Kindern wird aber auch damit nicht ausgenutzt, da die Beklagte den Zusammenhang zwischen Einkaufswert und Zugabe in ihrer Werbung mit einfachen Worten darstellt. Auch Kindern wird damit bewusst, dass die Bilder nicht verschenkt werden, sondern von einem Einkauf ihrer Eltern oder anderer nahestehender Personen abhängen. Da Koppelungsangebote und Zugaben nicht (mehr) generell als unlauter angesehen werden, kann die Zugabenaktion der Beklagten insofern nicht anders beurteilt werden als ein Verkauf von Sammelalben und Sammelbildern mit einem für Kinder interessanten Inhalt, der vom Erwerb anderer Waren unabhängig ist.
(b) Ein lauterkeitsrechtlich relevanter Gruppendruck entsteht ebenfalls nicht. Es ist zwar allgemein bekannt, dass die Aktion der Beklagten dazu führte, dass Kinder in der Schule Bilder tauschten. Das ist aber jeder erfolgreichen Sammelbilderaktion, die, wie oben ausgeführt, nicht unbedingt als Zugabe gestaltet sein muss, immanent. Unlauter könnte zwar eine Sammelaktion sein, die mit einem Vorteil für eine bestimmte Gruppe (Klasse, Schule, Kindergarten) verbunden ist; hier könnte durch (auch erwachsene) Mitglieder der Gruppe tatsächlich ein besonderer Druck auf Kinder entstehen, sich an der Aktion zu beteiligen (vgl I ZR 82/05 = GRUR 2008, 183 ‑ Tony Taler). Das trifft aber im vorliegenden Fall nicht zu, weil sich der Gruppendruck hier allenfalls daraus ergibt, dass Kinder durch Teilnahme an Tauschgeschäften „dazugehören“ wollen. In Anbetracht der vielen anderen Formen von Gruppendruck, dem Kinder und damit ihre Eltern heute ausgesetzt sind (Markenkleidung, elektronische Geräte, Teilnahme an Veranstaltungen), fallen die Folgen solcher Tauschbörsen aber nicht entscheidend ins Gewicht.
(c) Es ist daher zwar nicht zu bestreiten, dass die Beklagte über die Kinder Einfluss auf die Eltern und andere Erwachsene auszuüben versucht. Eine lauterkeitsrechtlich relevante Belästigung liegt darin aber bei wertender Betrachtung ‑ die auch die Freude miteinzubeziehen hat, die Kinder mit den Sammelbildern der Beklagten und ihrer Mitbewerber haben ‑ noch nicht. Vielmehr kann Eltern durchaus zugemutet werden, sich gegebenenfalls den Wünschen ihrer Kinder zu widersetzen und ihnen zu erläutern, dass und aus welchen Gründen sie den Einkauf bei Mitbewerbern der Beklagten vorziehen. Das damit verbundene Schaffen eines kritischen Bewusstseins ist ein wichtiges Element bei der Erziehung von Kindern zu mündigen Verbrauchern.
2.4. Eine aggressive Geschäftspraktik iSv § 1a UWG (Art 8 RL-UGP) liegt daher nicht vor. Dies führt bei Punkt 1 des Unterlassungsbegehrens (Einsatz von Kindern als Kaufmotivatoren) zur Wiederherstellung der abweisenden Entscheidung des Erstgerichts.
3. Zum Veröffentlichungsbegehren
3.1. Die Ermächtigung oder Verpflichtung zur Urteilsveröffentlichung setzt ein schutzwürdiges Interesse des Klägers an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaße voraus (RIS-Justiz RS0079737). Diese Frage hat das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Bei der dabei vorzunehmenden Interessenabwägung ist den Interessen dessen, dem das Recht auf Urteilsveröffentlichung zugesprochen wird, und dem Interesse der beteiligten Verkehrskreise an der Aufklärung ausgewogen Rechnung zu tragen (4 Ob 287/01m; RIS-Justiz RS0079820 [T15]).
3.2. Im vorliegenden Fall besteht ein berechtigtes Interesse des Klägers und der Allgemeinheit an der Information darüber, dass nicht nur ein großer Mitbewerber (4 Ob 110/12y), sondern auch die Beklagte gegen Z 28 Anh UWG verstoßen hat. Die österreichweite Werbeaktion der Beklagten rechtfertigt die Veröffentlichung in einer überregionalen Tageszeitung. Anderes gilt aber für die Veröffentlichung auf der Website www.*****4kids.at. Denn diese Website richtet sich, wie sich schon aus der Domain ergibt, an Kinder. Diese wären aber durch die ‑ auch für erwachsene Nichtjuristen nur schwer verständliche ‑ Formulierung des Unterlassungsgebots zweifellos überfordert. Ein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung eines für die Zielgruppe praktisch unverständlichen Textes besteht nicht. Insofern ist das Begehren daher abzuweisen. Nicht mehr strittig sind die bereits rechtskräftig abgewiesenen Begehren auf Veröffentlichung auf einer anderen Website der Beklagten und im Fernsehen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.
Die Klägerin ist in erster und zweiter Instanz mit etwa einem Drittel ihres Begehrens durchgedrungen (Abweisung von Punkt 1 und Teilabweisung von Punkt 2 des Unterlassungsbegehrens, überwiegendes Unterliegen beim Veröffentlichungsbegehren). Sie hat der Beklagten daher ein Drittel von deren Anwaltskosten zu ersetzen, selbst hat sie Anspruch auf ein Drittel der allein von ihr getragenen Pauschalgebühren. Im Revisionsverfahren halten sich Obsiegen und Unterliegen die Waage. Die Klägerin hat der Beklagten daher die halbe Pauschalgebühr zu ersetzen, sonst sind die Kosten gegeneinander aufzuheben.
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