Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er lautet:
„Der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Erstgerichts vom 17. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 874,80 EUR (darin enthalten 145,80 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 1.049,04 EUR (darin enthalten 174,84 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt (inklusive Mahnspesen) 16.296,77 EUR sA für Warenlieferungen und berief sich zur Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts darauf, dass 9400 Wolfsberg als Gerichtsstand vereinbart worden sei.
Nachdem die Beklagte in ihrem Einspruch die Zuständigkeit des Erstgerichts bestritten und die örtliche Unzuständigkeit mit dem Hinweis darauf, dass eine Gerichtsstandsvereinbarung nicht getroffen worden sei, eingewendet hatte, trug das Erstgericht der Klägerin die Vorlage der von ihr in der Klage behaupteten Zuständigkeitsvereinbarung auf. Zugleich erging die Aufforderung an die Klägerin, allenfalls einen Überweisungsantrag zu stellen.
In der Folge legte die Klägerin die Rechnungen über die der Klage zugrunde liegenden Warenlieferungen vor und verwies auf die darin jeweils enthaltene Klausel „zahlbar und klagbar in Wolfsberg“.
Mit Beschluss vom 8. 12. 2012 sprach das Erstgericht seine örtliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück.
Die Klägerin erhob kein Rechtsmittel, sondern beantragte die Überweisung der Rechtssache gemäß § 230a ZPO an das „nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Wolfsberg“.
Das Erstgericht hob mit seinem Beschluss vom 17. 12. 2012 die Zurückweisung der Klage auf, überwies die Rechtssache entsprechend dem Antrag der Klägerin an das „nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Wolfsberg“ und wies einen Kostenbestimmungsantrag der Beklagten zurück. Zur Begründung der noch interessierenden Spruchteile führte es aus, die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts sei ausgesprochen und die Klage zurückgewiesen worden, ohne dass die Klägerin Gelegenheit gehabt hätte, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen. Da das von der Klägerin namhaft gemachte Gericht nicht für offenbar unzuständig erachtet werde, sei dem rechtzeitigen Überweisungsantrag der Klägerin nach § 230a ZPO Folge zu geben.
Dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Beklagten gab das Rekursgericht Folge und änderte diese dahin ab, dass es den Überweisungsantrag der Klägerin abwies und diese zum Ersatz der Kosten des Einspruchs sowie des Rekurses der Beklagten verpflichtete. Die Entscheidung des Erstgerichts über seine Entscheidung sei unbekämpft geblieben und damit in Rechtskraft erwachsen, was sowohl die Nichtigkeit infolge unterlassener mündlicher Verhandlung als auch eine inhaltliche Unrichtigkeit heile. Der Klägerin sei keine Gelegenheit gegeben worden, einen Überweisungsantrag nach § 261 Abs 6 ZPO zu stellen, sodass sie nicht wegen Verfristung von der Geltendmachung eines Überweisungsantrags nach § 230a ZPO ausgeschlossen gewesen sei. Die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts sei jedoch unbestritten geblieben, weswegen die Überweisung an ein innerhalb des Gerichtshofssprengels gelegenes Bezirksgericht nicht der im Spruch enthaltenen Feststellung der örtlichen Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtshofs entspreche. Das von der Klägerin namhaft gemachte Bezirksgericht sei daher sachlich (und örtlich) offenbar unzuständig. Zwar sei ein Überweisungsbeschluss nach § 230a Satz 2 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, doch widerspreche nach Ansicht des Rekursgerichts der vom Erstgericht gefällte Überweisungsbeschluss dem Zweck dieses Rechtsmittelausschlusses, weil anzunehmen sei, dass die Beklagte die Unzuständigkeit des Bezirksgerichts, an das nach der Entscheidung des Erstgerichts überwiesen werden solle, geltend machen werde und damit der Zuständigkeitsstreit prolongiert werden würde.
Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil - soweit überblickbar - höchstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob die Anfechtbarkeit einer Überweisung von einem Gerichtshof, der seine örtliche Unzuständigkeit ausgesprochen habe, zu einem Bezirksgericht seines Sprengels ungeachtet der unbeanstandet gebliebenen sachlichen Zuständigkeit des Gerichtshofs anfechtbar sei.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt werde.
Die Beklagte beantragte, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht im Ergebnis von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist; er ist auch berechtigt.
1.1 Die Klägerin hat sich auf eine Gerichtsstandsvereinbarung berufen, dazu allerdings nach Aufforderung Fakturen mit dem Vermerk „zahlbar und klagbar in Wolfsberg“ vorgelegt und damit die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtshofs nicht aus einer Vereinbarung im Sinn des § 104 JN, sondern aus der (unbeanstandeten) Annahme von Rechnungen durch die Beklagte für Warenlieferungen abgeleitet.
1.2 Der Fakturengerichtsstand nach § 88 Abs 2 JN ist ein Unterfall des Gerichtsstands des Erfüllungsorts nach Abs 1 leg cit und begründet damit einen Wahlgerichtsstand, der Einfluss nur auf die örtliche, nicht aber auch auf die sachliche Zuständigkeit hat (Simotta in Fasching² I § 88 JN Rz 1; Mayr in Rechberger, ZPO³ § 88 JN Rz 1). Die von der Klägerin in Anspruch genommene Festlegung eines Erfüllungsorts führt daher nicht zur Verschiebung der sachlichen Zuständigkeit vom Gerichtshof zum Bezirksgericht. Da aber die Klägerin gegen die Zurückweisung der Klage durch das Erstgericht kein Rechtsmittel erhoben hat, kann, worauf bereits das Rekursgericht zutreffend verwies, weder die Nichtigkeit der Entscheidung, weil diese ohne mündliche Verhandlung erging, aufgegriffen, noch sonst die inhaltliche Richtigkeit dieser Entscheidung überprüft werden. Dass der Kläger, wenn ihm entgegen § 182 Abs 2 ZPO keine Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrags gemäß § 261 Abs 6 ZPO eingeräumt wurde, einen nachträglichen Überweisungsantrag gemäß § 230a ZPO stellen kann, entspricht der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Lehre (1 Ob 143/03s; 8 Ob 45/05h je mwN; G. Kodek in Fasching/Konecny³ III § 261 ZPO Rz 133; Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO³ § 230a ZPO Rz 1, jeweils mwN). Eine solche Gelegenheit zur Stellung eines Überweisungsantrags fehlt auch, wenn die Klage - wie hier - ohne die nach Streitanhängigkeit vorgeschriebene mündliche Verhandlung zurückgewiesen wird (Mayr in Fasching/Konecny aaO § 230a Rz 5). Die Aufforderung des Erstgerichts an die Klägerin, allenfalls einen Überweisungsantrag zu stellen, führt zu keiner anderen Beurteilung, weil die Klägerin mit einer Entscheidung des Erstgerichts ohne mündliche Verhandlung nicht rechnen musste.
2. Nach § 230a zweiter Satz ZPO ist gegen einen Beschluss nach dieser Gesetzesstelle mit Ausnahme der Entscheidung über die Kosten eines allfälligen Zuständigkeitsstreits ein Rechtsmittel nicht zulässig. Zweck des Rechtsmittelausschlusses ist es, die Zuständigkeitsfrage rasch und mit vertretbarem Aufwand zu klären (1 Ob 169/10z; 7 Ob 4/12g). Demgemäß ist die Unanfechtbarkeit eines auf § 230a ZPO gegründeten Überweisungsbeschlusses, wie auch eines solchen nach § 261 Abs 6 ZPO, nur dann nicht gegeben, wenn die Überweisung dem § 230a ZPO derart gravierend widerspricht, dass der Zweck des Rechtsmittelausschlusses nicht mehr erfüllt wird (1 Ob 37/01z; 1 Ob 169/10z; 7 Ob 4/12g; RIS-Justiz RS0039091; Mayr in Fasching/Konecny² III § 230a ZPO Rz 18; Kodek aaO Rz 167 ff). Das ist der Fall, wenn der Kläger keinen oder einen den Bestimmungen des § 230a ZPO widersprechenden Überweisungsantrag stellte, wenn er das Gericht, an das überwiesen wurde, gar nicht bezeichnet hat, wenn die Überweisung gegen die Bindungswirkung einer Zuständigkeitsentscheidung verstößt, wenn das Gericht eine bereits geheilte Unzuständigkeit aufgegriffen hat, oder eine Überweisung erfolgte, obwohl sich das Gericht nicht ausdrücklich oder zumindest aus der Begründung erkennbar für unzuständig erklärte (1 Ob 37/01z; 8 Ob 45/05h; Kodek aaO Rz 173, Rechberger/Klicka in Rechberger, ZPO³ §§ 260-261 Rz 11 je mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Demgegenüber steht der Überweisungsbeschluss mit den Zielsetzungen des Rechtsmittelausschlusses aber auch dann noch in Einklang - und ist damit unanfechtbar -, wenn das Gericht, an das überwiesen wurde, sachlich oder örtlich unzuständig ist (vgl 1 Ob 37/01z). Es genügt, dass das überweisende Gericht das andere für nicht offenbar unzuständig erachtet (8 Ob 2237/96w; 4 Ob 53/05f; 7 Ob 4/12g).
3. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts liegt auch im vorliegenden Fall kein die Anfechtbarkeit eines Überweisungbeschlusses rechtfertigender Umstand vor. Dass das Erstgericht aufgrund der Einrede der Beklagten seine örtliche Unzuständigkeit ausgesprochen hat, begründet keine bindende Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit der Gerichtshöfe erster Instanz zur Verhandlung und Entscheidung über die Klage, weswegen das Erstgericht mit seinem Überweisungsbeschluss auch nicht gegen die Bindungswirkung einer Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit verstoßen konnte. Zwar deckt, wie bereits erwähnt, der von der Klägerin geltend gemachte Vermerk auf den Fakturen keine Verschiebung der (Wert-)Zuständigkeit vom Landesgericht zum Bezirksgericht. Die sachliche Unzuständigkeit des Gerichts an das überwiesen wird, führt aber noch nicht zur Rechtsmittelzulässigkeit, weil sonst der Rechtsmittelausschluss der §§ 230a und 261 Abs 1 ZPO ausgehöhlt wäre (1 Ob 37/01z).
4. Über die sachliche und örtliche Zuständigkeit wird auch bei einer nach den Grundsätzen des § 261 Abs 6 ZPO vorgenommenen Überweisung nie endgültig entschieden (G. Kodek aaO Rz 176). Der Beklagte ist hinsichtlich seiner Einwände vor dem Adressatgericht nur insoweit beschränkt, als er dessen Unzuständigkeit nicht mit Gründen geltend machen kann, die seiner ursprünglichen Einrede entgegenstehen (§ 261 Abs 6 letzter Satz ZPO). Gleiches gilt im Wege der Analogie, wenn die Überweisung gemäß § 230a ZPO nach Streitanhängigkeit erfolgt (Mayr aaO § 230a ZPO Rz 23). Die vom Rekursgericht befürchtete Prolongierung eines Zuständigkeitsstreits dergestalt, dass der Beklagte geltend macht, ein drittes Gericht und nicht das Adressatgericht sei zuständig, kann im Fall eines Überweisungsbeschlusses damit nie ausgeschlossen werden. Die Rechtsmittelzulässigkeit kann daher auch nicht damit begründet werden, dass die Beklagte nach Ansicht des Rekursgerichts die Unzuständigkeit des Adressatgerichts einwenden werde. Wie dargestellt, kommt es für die Unanfechtbarkeit des Überweisungsbeschlusses nur darauf an, dass das überweisende Gericht das Adressatgericht für nicht offenbar unzuständig erachtete (1 Ob 37/01z mwN).
5. Der Rekurs der Beklagten hat sich inhaltlich nicht auch gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Kostenbestimmung gewendet, sondern Kostenersatz nur als Folge der von ihr angestrebten Abweisung des Überweisungsantrags der Klägerin angesprochen. Somit macht die Klägerin in ihrem Revisionsrekurs zu Recht geltend, dass der Rekurs der Beklagten gegen den Überweisungsbeschluss des Erstgerichts insgesamt unzulässig war und daher zurückzuweisen gewesen wäre. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher in diesem Sinn abzuändern.
6. Die Klägerin hat in ihrer Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rekurses der Beklagten hingewiesen. Ihre Rechtsmittelbeantwortung war damit der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienlich. Sie hat daher nach § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO Anspruch auf Ersatz ihrer damit verbundenen Kosten.
7. Der Ausspruch über den Kostenersatz im Revisionsrekursverfahren beruht ebenfalls auf § 41 Abs 1 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in dem Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rekurses der Beklagten obsiegt.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)