OGH 9ObA147/12a

OGH9ObA147/12a29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Alfred Strobl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei J***** H*****, Unternehmer, *****, wegen 56.829,29 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 27. September 2012, GZ 8 Ra 22/12g‑21, womit das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 11. Oktober 2011, GZ 8 Cga 43/11t‑15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatz des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalls entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat, wobei diese Einschränkung auch gegenüber den Hinterbliebenen des Versicherten, wenn dessen Tod auf die körperliche Verletzung infolge des Arbeitsunfalls zurückzuführen ist, gilt.

Dieses Haftungsprivileg wird mit der Tatsache der Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung durch den Dienstgeber begründet (8 ObA 78/04k; Neumayr in Schwimann, ABGB³ § 333 ASVG Rz 2).

Gemäß § 333 Abs 3 ASVG ist das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG nicht anzuwenden, wenn der Arbeitsunfall durch ein Verkehrsmittel eingetreten ist, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht. Der Dienstgeber haftet nur bis zur Höhe der aus seiner bestehenden Haftpflichtversicherung zur Verfügung stehenden Versicherungssumme, es sei denn, dass der Versicherungsfall durch den Dienstgeber vorsätzlich verursacht worden ist.

Die Ausnahmebestimmung des § 333 Abs 3 ASVG schafft keinen neuen Haftungsgrund, sondern schließt die Anwendung des Haftungsprivilegs nur für einen gewissen haftpflichtversicherungsrechtlich orientierten Bereich aus (RIS‑Justiz RS0108192).

Die Ausnahmeregelung des § 333 Abs 3 ASVG setzt voraus, dass der zu ersetzende Schaden von einer Haftpflichtversicherung gedeckt ist (RIS‑Justiz RS0085140; Atria in Sonntag , ASVG §§ 333 bis 335 Rz 44). Im Ergebnis wird der Dienstgeber dann ‑ dem Willen des Gesetzgebers zufolge ‑ durch die Aufhebung des Haftungsprivilegs nicht belastet, weil er zum Abschluss der obligatorischen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung ohnedies verpflichtet ist (9 ObA 48/11s; 8 ObA 78/04k). Neben dem Bestehen einer Versicherungspflicht ist es daher erforderlich, dass der zu ersetzende Schaden auch durch eine tatsächlich abgeschlossene und aufrechte Versicherung gedeckt ist, sohin eine Versicherungssumme aus einer bestehenden Pflichthaftpflichtversicherung zur Verfügung steht (9 ObA 48/11s; Neumayr aaO § 333 ASVG Rz 58 mwN).

Der der Entscheidung 9 ObA 48/11s zugrundeliegende Sachverhalt ist ‑ entgegen der Ansicht des Revisionswerbers - mit dem hier vorliegenden durchaus vergleichbar. Ob eine Versicherungssumme aus einer bestehenden Pflichthaftpflichtversicherung deshalb nicht zur Verfügung steht, weil der Dienstgeber, obwohl er dazu verpflichtet ist, keine Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung abgeschlossen hat oder der Dienstnehmer diese nicht in Anspruch nehmen kann, weil ihm weder die Daten des Kunden noch des Kundenfahrzeugs oder der Haftpflichtversicherung bekannt sind, macht keinen Unterschied. In beiden Fällen kommt die Ausnahmeregelung des § 333 Abs 3 ASVG nicht zum Tragen. Es bleibt beim Dienstgeberhaftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG. Andernfalls würde es zu einer zusätzlichen Belastung des Dienstgebers kommen, die aber, wie bereits oben erwähnt, § 333 Abs 3 ASVG gerade nicht bewirken soll (RIS‑Justiz RS0085140 [T1]).

Eine Haftung des Beklagten (Dienstgebers) für die von ihm in seiner KFZ‑Werkstätte dem Kläger (Dienstnehmer) mit einem Kundenfahrzeug zugefügten Schäden iSd § 1325 ABGB käme allenfalls aus dem Titel einer Fürsorgepflichtverletzung in Betracht (vgl 9 ObA 48/11s; 8 ObA 78/04k; 2 Ob 316/97b). Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Beklagte in der KFZ‑Werkstätte einen Schaden des Klägers ‑ wie von § 333 Abs 1 ASVG gefordert ‑ vorsätzlich (9 ObA 48/11s unter Anlehnung an Vonkilch, Haftpflicht für Kfz‑Schäden von Dienstnehmern, Arbeitgeberprivileg und Haftpflichtversicherung nach der 48. ASVG‑Novelle, ZVR 2004/12, 40, 49 f) verursachte, weil er keine Aufzeichnungen über das Kundenfahrzeug geführt hat, lassen sich dem festgestellten Sachverhalt aber nicht entnehmen.

Auf die vom Revisionswerber als erheblich relevierte Rechtsfrage, ob das Haftungsprivileg gemäß § 333 Abs 3 ASVG nicht nur dann entfalle, wenn der Schaden durch eine vom Dienstgeber abgeschlossene Haftpflichtversicherung gedeckt sei, sondern auch dann, wenn eine aufrechte Versicherungsdeckung durch eine Kraftfahrzeughaftpflicht-versicherung eines Dritten (hier des Kunden) bestehe, diese aber aus dem Verschulden des Dienstgebers nicht geltend gemacht werden könne, kommt es daher hier nicht an.

Dem Beklagten kommt somit das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute. Alle sich aus einem Arbeitsunfall ergebenden Schadenersatzansprüche werden, soweit sie Personenschäden betreffen und sich gegen den Dienstgeber oder die ihm Gleichgestellten richten, durch diese Bestimmung abschließend geregelt und damit alle anderen Haftungsgründe insbesondere auch aufgrund der Bestimmungen des ABGB ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0085236; RS0028584). Der Argumentation des Revisionswerbers, für die Verletzung von Fürsorgepflichten nach dem Unfall würden die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätze gelten, wonach auch für leichte Fahrlässigkeit einzustehen sei, bleibt daher auf Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kein Raum.

Insgesamt vermag der Revisionswerber keine erhebliche Rechtsfrage, die für die Entscheidung relevant wäre, aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Stichworte