OGH 9ObA6/13t

OGH9ObA6/13t29.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** S*****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. R***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 23.670,31 EUR brutto abzüglich 3.838,40 EUR netto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. November 2012, GZ 7 Ra 86/12m-19, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte Entlassung vorliegen, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0105987 [T3] ua). Die Entscheidung des Berufungsgerichts lässt auch keine unvertretbare und deshalb korrekturbedürftige Fehlbeurteilung erkennen:

Nach den Feststellungen begab sich der Kläger am 23. 5. 2011 wegen akuter Schmerzen in Behandlung, wurde krankgeschrieben und erhielt die Information, dass er das Knie bis zu der für den 7. 7. 2011 geplanten Meniskusoperation schonen müsse, jedoch grundsätzlich bis zur Schmerzgrenze belasten dürfe. Eine Belastung des Knies vor der Operation verzögert nicht den Heilungsverlauf, dem Patienten entstehen dadurch aber Schmerzen. Am 11. 6. 2011 trug der Kläger etwa 15 Minuten Styrodurplatten von seinem Auto ins Haus, wodurch die Heilung des Knies nicht beeinflusst wurde.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Berufungsgericht hätte zu Unrecht nicht ihr Vorbringen und die darauf gestützten Verfahrens- und Feststellungsmängel berücksichtigt, dass einer ihrer Mitarbeiter den Kläger am 3. 6. 2011 trotz Krankenstand gebeten habe, bei einer Arbeit (EDV-Verkabelung) zu helfen, die jedenfalls keinerlei Auswirkungen auf Fuß- oder Rückenschmerzen gehabt hätte. Der Kläger habe dies abgelehnt. Damit zielt die Beklagte offenbar auf die Geltendmachung einer Pflichtverletzung durch den Kläger iSd § 82 lit f GewO 1859 ab.

Das Fernbleiben vom Dienst ist gerechtfertigt, wenn der Dienstnehmer tatsächlich krank und arbeitsunfähig ist (RIS-Justiz RS0029527 [T2]). Daneben kann eine Pflichtverletzung vorliegen, wenn der Arbeitnehmer zwar krankgeschrieben ist, aber nicht auf die Richtigkeit der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit vertrauen darf; dies wäre etwa der Fall, wenn der Arbeitnehmer die ärztliche Bestätigung durch bewusst unrichtige Angaben gegenüber dem Arzt erwirkt hätte (vgl RIS-Justiz RS0028875). Die Pflichtverletzung muss, um eine darauf gestützte Entlassung zu rechtfertigen, schuldhaft erfolgen. Als Schuldform reicht Fahrlässigkeit aus, doch muss dem Arbeitnehmer bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennbar sein. Lehnt ein Arbeitnehmer eine ihm aufgetragene Arbeit in der irrigen Meinung ab, er sei zu ihrer Durchführung nicht verpflichtet, obliegt ihm der Nachweis, dass er sich über seine Verpflichtung trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt in einem Irrtum befunden habe (RIS-Justiz RS0060748).

Selbst wenn der Kläger objektiv in der Lage gewesen wäre, die ihm von der Beklagten Anfang Juni aufgetragenen Arbeiten zu verrichten, gehen aus dem festgestellten Sachverhalt keine Umstände hervor, die auf ein entsprechendes Verschulden des Klägers schließen ließen. Soweit die Beklagte in ihrer Berufung zu diesem Punkt die Ersatzfeststellung begehrte, dass dem Kläger Anfang Juni 2011 objektiv und subjektiv die Erbringung der Kabelverlegungsarbeiten möglich gewesen wäre, war das Berufungsgericht der Ansicht, dass die Beklagte dazu kein ausreichendes erstinstanzliches Vorbringen erstattet hatte. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828), die hier vom Berufungsgericht in zumindest vertretbarer Weise beantwortet wurde. Zu der von der Beklagten begehrten Ersatzfeststellung, dass die Kabelverlegungsarbeiten vom Kläger lediglich eine Tätigkeit im Gehen, Stehen bzw Sitzen erfordert hätten, sei im Übrigen nur darauf hingewiesen, dass nach Aussage des Arztes beim Sitzen gerade auch der beim Kläger verletzte hintere Teil des Meniskus belastet worden wäre und ein Patient vor der Operation auch im Stehen nicht arbeitsfähig ist (ON 12 S 4).

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.

Stichworte