OGH 2Ob182/12x

OGH2Ob182/12x24.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Sol, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Siemer - Siegl - Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Mai 2010, GZ 1 R 96/12p-15, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27. Februar 2012, GZ 39 Cg 29/11z-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.963,80 EUR (darin enthalten 327,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der klagende Verband begehrt von der Beklagten die Verwendung folgender oder sinngleicher Klauseln zu unterlassen:

a) „3.3.1. Wird die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke nicht oder nicht in der im Flugschein vorgesehenen Reihenfolge angetreten, so wird derjenige Flugpreis berechnet, der zum Zeitpunkt der Buchung für ihre abweichende, tatsächliche Streckenführung maßgeblich gewesen wäre. Sofern dieser Flugpreis höher ist, als für die im Flugschein angegebene Strecke, können wir die weitere Beförderung davon abhängig machen, dass Sie den anfallenden Aufpreis nachentrichten.

b) 3.3.3.1. Insbesondere sind wir im Falle der Nichtinanspruchnahme des im Flugschein eingetragenen Rückflugs berechtigt, Ihnen, vorbehaltlich Nichteingreifens von Art 3.2.3., den für den One-Way-Flug zugrundeliegenden Flugpreis zum Zeitpunkt der ursprünglichen Buchung in Rechnung zu stellen. Dieser kann höher sein als der ursprünglich bezahlte Flugpreis.

c) Bearbeitungsentgelte für Erstattungen: Österreich 35 EUR für Steuern und Gebührenerstattungen von Tickets mit einem nicht erstattbaren Tarifwert bis zu 250 EUR.“

Er stellt auch ein Veröffentlichungsbegehren.

Die Klauseln seien gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil die Höhe des zu zahlenden Aufpreises für den Verbraucher bei der Buchung nicht ersichtlich sei. Bei kundenfeindlichster Auslegung könne der Aufpreis selbst dann verlangt werden, wenn die Beförderung auf einer vorangehenden Teilstrecke aus im Einflussbereich der Beklagten gelegenen Gründen - etwa infolge eines Flugausfalls - unterbleibe. Da der Verbraucher nicht damit rechnen brauche, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen Klauseln enthielten, die ihm das Recht nehmen, einen bezahlten Teilflug ohne Aufpreis zu konsumieren, nur weil er einen anderen Teilflug nicht angetreten hat, sei die Klausel auch überraschend iSd § 864a ABGB. Weiters fehle es an der gemäß § 6 Abs 3 KSchG gebotenen Transparenz, weil nicht klar sei, welche weitere Kosten dem Konsumenten für die Nichtinanspruchnahme eines Teilflugs entstünden. Die Klauseln verstießen ferner gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil die Entgeltänderung keine Entgeltsenkung vorsehe und sachlich nicht nachvollziehbar sei. In Verbindung mit Punkt 7.1.9. der AGB behalte sich die Beklagte unter Verletzung des § 6 Abs 2 Z 1 KSchG überdies auch ein sachlich nicht gerechtfertigtes Rücktrittsrecht vor.

Die für den Zusatzaufwand errechnete Bearbeitungsgebühr von 35 EUR sei ebenfalls gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Die Beklagte hebe die zu erstattenden Steuern und Gebühren bereits mit dem Ticketkauf ein, obwohl diese erst bei tatsächlicher Inanspruchnahme des Fluges fällig würden. Ein Zusatzaufwand entstehe somit allein dadurch, dass die Beklagte entgegen § 1170 ABGB die Steuern und Gebühren im Voraus verrechne. Dies dürfe nicht dazu führen, dass dem Verbraucher die aus der Rückabwicklung resultierenden Kosten aufgebürdet würden. Im Übrigen sei die Gebühr überhöht und intransparent.

Die Beklagte bestritt und brachte vor, die Klauseln entsprächen den Vorgaben des Verbraucherschutzes. Laut BGH genüge es, eine Regelung in die Geschäftsbedingungen aufzunehmen, die den Kunden gegebenenfalls zur Zahlung eines höheren Entgelts verpflichte, wenn die Beförderung einer vorangehenden Teilstrecke nicht angetreten werde. Die Klauseln entsprächen diesen Voraussetzungen. Ohne sie könne der Kunde das Tarifsystem der Beklagten durch sogenanntes „Crossboarderselling“ oder „Crossticketing“ problemlos umgehen. Ein iSd § 6 Abs 2 Z 1 KSchG unzulässiges Rücktrittsrecht sei nicht mehr vorgesehen, vielmehr habe die Beklagte nunmehr die Möglichkeit einer Vertragsänderung, wenn der Verbraucher den dafür fälligen Aufpreis leiste. Ein durchschnittlicher Kunde rechne damit, dass ein Vertragspartner, mit dem er eine fixe Kuponreihenfolge bzw unteilbare Leistung vereinbart habe, ein Interesse daran habe, dass die gesamte Leistung in Anspruch genommen werde. Vom Verbraucher unverschuldete Vorfälle wie Krankheit oder Flugausfälle hätten mit der beanstandeten Klausel nichts zu tun. Die in Punkt 7.1.9. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegte Beförderungsverweigerung beziehe sich nur auf den Fall des Kunden, der den neu kalkulierten (höheren) Preis unbezahlt lasse. Die Klauseln seien transparent, weil der Verbraucher den neuen Preis einerseits online oder durch Anfrage bei der Beklagten oder beim Reisebüro überprüfen könne und Art und Weise seiner Berechnung bereits in der Klausel beschrieben sei. Da bei jedem Buchungsvorgang auf die AGB der Beklagten verwiesen werde, seien die Klauseln auch nicht überraschend iSd § 864a ABGB. Das Bearbeitungsentgelt sei „gerade einmal“ kostendeckend, die Vorgangsweise diene der Vereinfachung für die Passagiere und werde berechtigt für jenen Aufwand eingehoben, welcher der Beklagten bei Stornierungen des Verbrauchers entstehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei den beanstandeten Klauseln handle es sich um Nebenabreden, die für den Verbraucher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB seien, weil er unter Umständen für den einzelnen Flug mehr zahlen müsse als für alle gebuchten Flüge zusammen, wodurch die objektive Äquivalenz empfindlich gestört werde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Unter Hinweis darauf, dass die Geltungskontrolle gemäß § 864a ABGB der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vorgehe, gelangte es zu dem Ergebnis, dass die Klauseln 3.3.1. und 3.3.3.1. bei vernünftiger Betrachtung deutlich von den Erwartungen eines durchschnittlichen Fluggastes abwichen, sodass die Voraussetzungen des § 864a ABGB vorlägen. Das pauschal mit 35 EUR festgelegte Bearbeitungsentgelt sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil man, selbst wenn man von dem von der Beklagten behaupteten Bruttolohn und den von ihr angegebenen Zeitaufwand für eine Rückbuchung von 20 bis 30 Minuten ausgehe, lediglich zu Kosten von etwa 10 bis etwa 16 EUR gelange. Auch unter Berücksichtigung von Gemeinkosten sei daher der Pauschalbetrag keineswegs „gerade einmal kostendeckend“ wie die Beklagte behaupte, sondern übersteige die Kosten wesentlich.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zu den hier zu beurteilenden Klauseln zu.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508 Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht mehr von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Der Oberste Gerichtshof hat nämlich jüngst zu einer den hier inkriminierten Klauseln a) und b) inhaltlich vergleichbaren Klausel einer anderen Fluglinie in 4 Ob 164/12i unter ausführlicher Begründung ua ausgeführt:

„Die beanstandete Klausel erfasst nicht nur Fälle, in denen der Fluggast von vornherein die Nutzung nur eines von mehreren Flügen eines Kombinationsangebots beabsichtigt und so das Tarifsystem der Beklagten bewusst umgeht. Sie belastet auch Kunden, die zunächst das Kombinationsangebot nutzen wollen und sich erst später - etwa wegen der Versäumung oder der Verspätung eines Zubringerfluges oder wegen einer Änderung ihrer Reisepläne - anders entschließen. In diesen Fällen liegt kein bewusstes Ausnutzen der Tarifstruktur der Beklagten vor. Das fällt bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen entscheidend ins Gewicht. Denn hier steht dem allgemeinen Interesse der Beklagten am Aufrechterhalten ihrer Tarifstruktur ein mangels Umgehungsabsicht konkret schützenswertes Interesse des Kunden an der Anwendung des dispositiven Rechts gegenüber. ...

Die beanstandete Klausel ist daher in einem Teil ihres Anwendungsbereichs gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Da eine geltungserhaltende Reduktion im Verbandsprozess ausgeschlossen ist (RIS-Justiz RS0038205), führt dies zur Bestätigung der Entscheidung über das Unterlassungsbegehren.“

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Auf § 864a ABGB muss daher nicht mehr eingegangen werden.

Keine erhebliche Rechtsfrage liegt auch in Zusammenhang mit dem inkriminierten Bearbeitungsentgelt vor:

Die Sittenwidrigkeit der Klausel ergibt sich schon aus dem Vorbringen der Beklagten selbst, wonach das Bearbeitungsentgelt nur bei in der Sphäre des Verbrauchers liegenden Gründen eingehoben werden soll. Diese Einschränkung ist der beanstandeten Klausel aber gerade nicht zu entnehmen, sondern könnte danach das Entgelt- jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung (RIS-Justiz RS0016590) - selbst dann verlangt werden, wenn der Flug aus in der Sphäre der Beklagten liegenden Gründen unterbleibt.

Die von den Vorinstanzen ausgesprochene Untersagung auch dieser Klausel ist daher jedenfalls vertretbar, ohne dass es auf die in der Revision vorgetragenen Argumente zur Angemessenheit der Höhe dieser Gebühren ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.

Stichworte