OGH 4Ob214/12t

OGH4Ob214/12t15.1.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende, sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Fiebinger Polak Leon & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung von Patentanwalt DI Peter Buchberger, Wien 1, Reichsratsstraße 13, gegen die beklagte Partei F***** GmbH, *****, vertreten durch e/n/w/c Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, unter Mitwirkung von Patentanwalt DI Dr. Rainer Beetz, Wien 1, Riemergasse 14/28, wegen Unterlassung, Beseitigung, Rechnungslegung, Zahlung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 25.585 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. September 2012, GZ 5 R 29/12i-39, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 27. Dezember 2011, GZ 10 Cg 248/09i-33, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Das Rekursgericht verbot der Beklagten, betriebsmäßig einen näher beschriebenen Ski in Verkehr zu bringen, feilzuhalten oder zu gebrauchen, insbesondere näher bezeichnete Modelle eines derartigen Skis von Österreich aus in das Ausland feilzuhalten, in Verkehr zu bringen oder vom Ausland nach Österreich zu importieren, es sei denn, die Skier wurden vor dem 15. Mai 2009 hergestellt, und sämtliche der vorgenannten Skier, die sich bei Dritten, insbesondere Einzelhändlern befinden und in ihrer Verfügungsmacht stehen, zurückzurufen. Das Rekursgericht bejahte einen Patenteingriff und folgerte aus dem als bescheinigt angenommenen Sachverhalt, dass es der Beklagten nicht gelungen sei, die Nichtigkeit des Klagepatents mangels Neuheit oder erfinderischen Schritts zu bescheinigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

„Gegenstand der Erfindung“ iSd § 22 Abs 1 PatG ist der in den Patentansprüchen definierte Lösungsgedanke im Zusammenhang mit der durch ihn gelösten Aufgabe; er bestimmt das Wesen und den Umfang des dem Patentinhaber gewährten Schutzes (RIS-Justiz RS0071537). Der Schutzumfang eines österreichischen Patents kann das im Patentansuchen gestellte Schutzbegehren nicht übersteigen. Es kommt nicht darauf an, was erfunden wurde, sondern allein darauf, wofür der Schutz in Anspruch genommen und gewährt wurde (RIS-Justiz RS0071338). Für die Feststellungen des Inhalts des Patentanspruchs kommt es darauf an, wie der durch Beschreibung und Zeichnungen erläuterte Wortlaut des erteilten Patents auszulegen ist. Ob die Erteilungsakten für einen engeren Umfang sprechen, ist nicht maßgebend (17 Ob 35/09k).

Wie weit der Schutzumfang eines Patents reicht, kann nur durch Auslegung im Einzelfall beurteilt werden. Von im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden (krassen) Fehlbeurteilungen im Einzelfall abgesehen stellen sich hier daher keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO bzw § 528 Abs 1 ZPO. Da die hier erörterten Begriffe „fest“ und „hochfest“ und deren allfällige Relation nicht näher beschrieben sind, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanzen zur Auslegung auch auf die Beschreibung zurückgegriffen haben. Die der Rekursentscheidung zugrundeliegende Auffassung, dass der lichtdurchlässige Gurt „zumindest“ fest sein müsse und der lichtundurchlässige Gurt „zumindest“ hochfest wie die in der Beschreibung genannten Materialien ist daher als vertretbar zu beurteilen. Der von der Beklagten als zwingend bezeichnete Schluss, dass (nur) die Zugfestigkeit für die Auslegung der Begriffe „fest“ und „hochfest“ heranzuziehen sei, ist weder aus der Patentschrift abzuleiten noch selbstverständlich. Als Aufgabe der Erfindung wird in der Patentschrift ausdrücklich die starke Gewichtsreduktion hervorgehoben, weiters die Verbesserung des Schwingungsverhaltens und die Reduktion der Massenmomente sowie eine Verbesserung des Rückstellverhaltens. Vor diesem Hintergrund ist das Vorbringen der Beklagten, es gehe ausschließlich um einen optischen Effekt, nicht nachvollziehbar.

Im ersten Rechtsgang dieses Sicherungsverfahrens sprach der erkennende Senat aus, dass für die Rechtsfrage, ob die klägerische Erfindung auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, entscheidend ist, ob sich aus den von der Beklagten ins Treffen geführten Vorveröffentlichungen, insbesondere der französischen Patentschrift, allenfalls auch aus den in ihr enthaltenen technischen Zeichnungen, für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt die technische Lehre des Klagepatents in naheliegender Weise ergibt (17 Ob 4/11d). Wenn die Vorinstanzen in diesem Fall die von der Beklagten angestrebte Bescheinigung mangelnder Neuheit und fehlender Erfindungshöhe des Klagepatents als nicht gelungen angesehen haben, wirft dies gleichfalls keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 528 Abs 1 ZPO auf. Es liegt nahe, die prinzipiellen Unterschiede in Aufbau und Gestaltung aufgrund unterschiedlicher Anforderungen zwischen Skiern einerseits und Snowboards andererseits als so groß anzusehen, dass die Übertragung allfälliger Lösungsansätze von einem Bereich in den anderen Bereich als nicht naheliegend für einen Fachmann beurteilt wird.

Auch der von der Beklagten behauptete Widerspruch der angefochtenen Entscheidung zur markenrechtlichen Beurteilung einer durchsichtigen Verpackung (4 Ob 61/12t) besteht nicht. Dort wurde der Umstand, dass die Verpackung (von Süßigkeiten) durchsichtig war, als nicht technisch bedingt und daher als markenrechtlich schutzfähig beurteilt. Das hat nichts mit der hier erörterten Frage zu tun, ob die Ausgestaltung der Skischaufel nach dem Patent bloß ästhetischen Anforderungen entsprechen soll oder einen technischen Zweck verfolgt (konstruktive Beeinflussung des Fahrverhaltens eines Skiers).

Der Revisionsrekurs ist daher zurückzuweisen.

Stichworte