OGH 14Os83/12f

OGH14Os83/12f18.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Hülya A***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. März 2012, GZ 074 Hv 85/11b-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Staatsanwalt Dr. Haslwanter, des Privatbeteiligten Asaf G*****, der Angeklagten und ihres Verteidigers Mag. Leitner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten wird verworfen.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Nichtannahme der Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB sowie demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen werden die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.

Der Berufung der Angeklagten gegen das Adhäsionserkenntnis wird nicht Folge gegeben.

Ihr fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hülya A***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 und 148 erster (statt wie in der Anklage subsumiert: zweiter) Fall StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie in Wien zwischen Frühjahr 2009 und Februar 2010 mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, Asaf G***** in sechs Angriffen durch die wahrheitswidrige Behauptung, ihm oder der A***** KG einen Kredit über 100.000 Euro zu verschaffen, zur Zahlung von - in vier Fällen 3.000 Euro übersteigenden (1, 2, 4 bis 6) - Geldbeträgen von insgesamt 22.000 Euro verleitet, wodurch der Genannte in dieser Höhe am Vermögen geschädigt wurde.

Gegen den Schuldspruch richtet sich die auf Z 4, 5 und 10a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, gegen die Nichtannahme der Qualifikation nach § 148 zweiter Fall StGB die aus § 281 Abs 1 Z 5 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

Rechtliche Beurteilung

Nur letzterer kommt Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten:

Die Abweisung des Beweisantrags auf „Beischaffung einer Aufstellung aller Geldtransaktionen von der W***** GmbH, welche im Zeitraum Jänner 2009 bis Dezember 2010 über Auftrag des Asaf G*****, der Hülya A***** und/oder des Ahmed G***** an Semiha G***** und/oder Ahmed G***** durchgeführt wurden“ (ON 38 S 16 f iVm ON 31), erfolgte entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten, weil der damit angestrebte Nachweis im Auftrag des Geschädigten durchgeführter Überweisungen an seine Familie in der Türkei im Ausmaß von „bis zu 52.000 Euro“ einem §§ 146, 147 Abs 2, 148 StGB subsumierbaren Geschehen nicht entgegensteht und daher nicht entscheidend ist. Unter dem Aspekt der - grundsätzlich zulässigen (vgl RIS-Justiz RS0098429, RS0028345; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 340 und 350) - Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen Asaf G***** ist er ebenfalls nicht berechtigt, weil sich aus dem Antragsvorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, der betreffende Zeuge hätte in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt, wozu etwa dargetan hätte werden müssen, dass er rechtskräftig wegen Verleumdung verurteilt worden ist, zum konkreten Verfahrensgegenstand bereits falsche Angaben gemacht hat oder eine habituelle Falschbezichtigungstendenz erkennen lässt (RIS-Justiz RS0120109).

Über den Beweisantrag hinausgehendes, in der Beschwerde nachgetragenes Vorbringen ist zufolge des sich aus dem Wesen des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 ergebenden Neuerungsverbots unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Der Kritik am Unterbleiben amtswegiger ergänzender Befragung des Geschädigten mangelt es unter dem Aspekt der Z 4 an einer darauf gerichteten Antragstellung in der Hauptverhandlung, unter jenem der Z 5a an einem Vorbringen dazu, dass die Angeklagte an ihrem diesbezüglichen Antrags- oder Fragerecht gehindert war (RIS-Justiz RS0115823, RS0114036).

Die Konstatierung, wonach der genaue Zeitpunkt des Beginns der außerehelichen intimen Beziehung zwischen Hülya A***** und dem Geschädigten nicht festgestellt werden konnte (US 8), ist - dem (auf rein spekulativen Überlegungen basierenden) Standpunkt der Mängelrüge (Z 5) zuwider - nicht entscheidend, im Übrigen aber auch nicht undeutlich im Sinn der Z 5 erster Fall.

Dass die Beschwerdeführerin Asaf G***** von Frühjahr 2009 bis Februar 2010 Beträge in Höhe von insgesamt 22.000 Euro unter der Vorgabe herauslockte, ihm einen Kredit zu verschaffen und das Geld als „Anzahlung“ zu benötigen, haben die Tatrichter primär aus der Aussage des Geschädigten sowie den damit im Einklang stehenden Angaben der Zeugen Ali S*****, Bülent Ay***** und Bayram K***** abgeleitet (US 11 ff), was unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden ist.

Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall), die dann vorliegt, wenn ein Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt (RIS-Justiz RS0099431), wird mit dem Vorwurf, die Feststellung, wonach Asaf G***** auch während seiner intimen Beziehung mit der Angeklagten noch darauf vertraut hätte, über ihre Vermittlung einen Bankkredit zu erhalten, stünde „im Widerspruch zum Akteninhalt“ der Sache nach nicht eingewendet.

Die von der Rüge in diesem Zusammenhang - isoliert und aus dem Zusammenhang gerissen - zitierte Passage aus der Aussage dieses Zeugen, wonach er ab „Februar 2009“ (sohin einem vor dem ersten Zusammentreffen mit der Angeklagten gelegenen Zeitpunkt) deren Lebensunterhalt aufgrund ihrer Einkommenslosigkeit finanzierte und „die Kreditgeschichte … da bereits vergessen“ hatte (ON 13 S 51), wurde im Urteil erörtert (US 16), womit der Rüge auch unter dem Aspekt der Z 5 zweiter Fall keine Berechtigung zukommt. Dass die Tatrichter daraus nicht den von der Beschwerdeführerin gewünschten Schluss zogen, sondern auf Basis ihrer Überlegungen zu - die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht beeinträchtigenden - „Verwechslungen und Irrtümern“ in Betreff von Dauer und Zeitraum seines Verhältnisses mit Hülya A***** zur Überzeugung gelangten, dass er (erst) nach dem Februar 2010 über die wahren Verhältnisse aufgeklärt wurde (weshalb - mangels täuschungsbedingter Vermögensverfügung - auch hinsichtlich nachfolgender von der Anklage umfasster Geldzuwendungen kein Schuldspruch erging; vgl US 7 f, 11 iVm US 16 f; ON 5 Anklagepunkte 9 und 10), stellt einen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 nicht her.

In diesem Umfang war die Nichtigkeitsbeschwerde daher - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - zu verwerfen. Mit Blick auf die erfolgreiche Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (vgl dazu gleich) erübrigt sich ein Eingehen auf die - im Übrigen mangels das Unrecht des Verhaltens akzeptierender Einsicht nicht erfolgversprechende (vgl dazu Schroll, WK-StPO § 198 Rz 36; RIS-Justiz RS0116299) - Diversionsrüge (Z 10a).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:

Sie zeigt zutreffend auf, dass die - trotz eines in vier von sechs Fällen konstatierten Betrugsschadens von über 3.000 Euro getroffene - Negativfeststellung zur Absicht der Angeklagten, sich durch die wiederkehrende Begehung von schweren (§ 147 Abs 2 StGB) Betrügereien eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 7), gänzlich unbegründet geblieben ist (Z 5 vierter Fall), was zur Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang und insoweit zur Anordnung einer neuen Hauptverhandlung samt Verweisung an das Erstgericht zwingt.

Mit ihren gegen den Strafausspruch gerichteten Berufungen waren die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die gegen den Privatbeteiligtenzuspruch von 22.000 Euro erhobene Berufung der Angeklagten ist nicht berechtigt, weil dieser Betrag in den Feststellungen zur Höhe des durch die zur Verurteilung gelangten Taten herbeigeführten Vermögensschadens des Opfers Deckung findet.

Die behauptete Aufrechnungserklärung (vgl dazu Spenling, WK-StPO § 369 Rz 7 ff) oder auch nur eine betragsmäßig spezifizierte Berufung auf bestehende Gegenforderungen „aus der - nach Ansicht der Angeklagten - betrügerischen Übertragung der A***** KG an sie“ ist dem - nicht beanstandeten - Protokoll über die Hauptverhandlung nicht zu entnehmen (vgl vor allem ON 13 S 3 ff; vgl dazu auch 15 Os 135/01). Entsprechendes Vorbringen wurden auch im Gerichtstag nicht erstattet. Im Übrigen sind die Tatrichter gerade nicht davon ausgegangen, dass Hülya A***** in diesem Zusammenhang vom Privatbeteiligten getäuscht wurde (US 15, 17 f).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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