OGH 14Os113/12t

OGH14Os113/12t18.12.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Dezember 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fruhmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Astrit B***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Geschworenengericht vom 23. August 2012, GZ 24 Hv 38/12m-61, sowie über dessen Beschwerde gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Widerruf bedingter Strafnachsichten und einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil wurde Astrit B***** des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 29. Jänner 2012 in Linz Sarah G***** durch zahlreiche massive Faustschläge und Fußtritte gegen den Körper, insbesondere gegen den Kopf und den Bauch, zu töten versucht, wodurch die Genannte zahlreiche, im Urteil detailliert aufgezählte Verletzungen, darunter ein stumpfes Bauchtrauma, zwei Rippenbrüche, einen Nierenkelchabriss und eine Nierenarterienruptur, verbunden mit der schweren Dauerfolge des Verlusts einer Niere, erlitt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 2, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Dass der Beschwerdeführer während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war, worauf allein der Nichtigkeitsgrund der Z 2 nach seinem klaren Wortlaut abstellt, räumt die Beschwerde ein. Eine Interessenkollission nach dem Vorbringen in Form einer Doppelvertretung (vgl § 10 Abs 1 RAO) durch die Privatbeteiligtenvertreterin (die den Angeklagten in einem früheren gegen ihn geführten, vom Widerrufsbeschluss umfassten Verfahren vertreten haben soll) begründet Nichtigkeit nach dieser Gesetzesstelle nicht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 147; SSt 40/35).

Soweit sich die Instruktionsrüge (Z 8) gegen die Unterweisung der Geschworenen über die Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2 StGB) wendet, bezieht sie sich auf die Rechtsbelehrung zur - nur für den Fall der Verneinung der bejahten Hauptfrage und solcherart (im Ergebnis) - nicht gestellten Eventualfrage (nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB), die aus Z 8 nicht erfolgreich gerügt werden kann. Dass sich die angebliche - im Übrigen nicht vorliegende (vgl S 31 dritter Absatz der Rechtsbelehrung) - Unvollständigkeit auf die Beantwortung der Hauptfrage ausgewirkt haben soll, wird nicht behauptet (RIS-Justiz RS0101091, RS0110682, RS0111311; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 63).

Mit ihrer Kritik an der Instruktion zum bedingten Vorsatz, nimmt die Beschwerde nicht Maß am gesamten Inhalt der Rechtsbelehrung (RIS-Justiz RS0100695; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65), in der der Begriff sowohl hinsichtlich der Wissens- als auch der Willensseite ausführlich (auch in Abgrenzung von bewusster Fahrlässigkeit) erläutert wurde (S 6 und 7 f der Rechtsbelehrung). Die unsubstantiierte Behauptung, der in der Rechtsbelehrung verwendete Terminus „Sich-Abfinden“ sei nicht mit dem „billigenden In-Kaufnehmen“ gleichzusetzen, ist mit Blick auf die Legaldefinition des § 5 Abs 1 StGB nicht nachvollziehbar (vgl auch RIS-Justiz RS0088986).

Im Übrigen wird der Standpunkt der Beschwerde, der Belehrungsteil über die „bewusste Gleichgültigkeit“ (S 8 der Rechtsbelehrung) sei „irreführend falsch“, mit dem Hinweis auf eine - ihrerseits auf eine bloße Rechtsbehauptung beschränkte - Kommentarmeinung (Moos in WK § 75 Rz 14) nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet (vgl Ratz, WK-StPO § 345 Rz 65; RIS-Justiz RS0118429). Aus der weiters angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (11 Os 177/96) lässt sich für den Beschwerdestandpunkt nichts gewinnen. Die notwendigen Elemente des bedingten Vorsatzes, nämlich die gedankliche Stellungnahme zur (ernstlich für möglich gehaltenen) Tatbildverwirklichung und den auf dieser Basis (unter Inkaufnahme dieser Konsequenz) gefassten Handlungsentschluss (vgl RIS-Justiz RS0088968, RS0081459, RS0089001; Reindl in WK2 StGB § 5 Rz 39) stellt die Belehrung - von der Rüge übergangen - auch in diesem Zusammenhang unmissverständlich dar.

Der Nichtigkeitsgrund der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen konstatierten Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

Diesen Anfechtungsrahmen überschreitet die Beschwerde, indem sie - bezogen auf die von den Geschworenen verneinte entsprechende Zusatzfrage - einräumt, dass der Angeklagte die Wohnungstüre nach heftigem längeren Klopfen der einschreitenden Polizeibeamten in Erwartung deren gewaltsamen Eindringens „freiwillig“ öffnete, und im Anschluss daran unter Hinweis auf die ihm dennoch offen gestandene „objektive“ Möglichkeit zur Tatvollendung freiwilligen Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) behauptet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1 Z 2, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde folgt (§§ 285i, 489 Abs 3, 344 StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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