Spruch:
Die Akten werden dem Oberlandesgericht Wien mit dem Auftrag zurückgestellt, ein Verbesserungsverfahren zur „Berufung“ des Klägers einzuleiten.
Text
Begründung
Der Verfahrenshilfe genießende Kläger begehrt vom Beklagten Zahlung von 66.240 EUR sA. Er hatte die Klage ursprünglich beim Handelsgericht Wien eingebracht, derzeit ist das Verfahren beim Landesgericht Krems anhängig. Dieses Gericht beraumte die vorbereitende Tagsatzung zunächst für den 12. Juli 2012 an. Aufgrund einer gemeinsamen Vertagungsbitte der Parteien verlegte es sie auf den 20. September 2012.
Der Kläger wandte sich mit zahlreichen selbstverfassten Eingaben und persönlichen Vorsprachen gegen diese Verlegung, unter anderem mit einem „Einspruch“ vom 23. Juli 2012. Aufgrund eines Verbesserungsauftrags legte sein Verfahrenshelfer diesen „Einspruch“ mit seiner Unterschrift versehen wieder vor (ON 55). Das Erstgericht wies die darin enthaltenen Anträge zurück (ON 57).
Gegen diesen Beschluss richtete sich eine vom Kläger verfasste und vom Verfahrenshelfer unterfertigte Eingabe, die er als „Berufung-Einspruch-Rekurs“ bezeichnet hatte (ON 58). Diese Eingabe enthielt auch einen Antrag auf Umbestellung des Verfahrenshelfers und - hier relevant - auf Delegierung des Verfahrens an „das Wiener Gericht“ (erkennbar gemeint: an das Handelsgericht Wien), „da hier ersichtlich ist, dass keine Objektivität, weder von Gericht, noch von den Anwälten herrscht“. Das Erstgericht legte die Eingabe dem Oberlandesgericht Wien zur Entscheidung vor.
Das Oberlandesgericht gab dem Rekurs nicht Folge und wies den Delegierungsantrag ab (ON 63). Die Verlegung der Tagsatzung sei zwar grundsätzlich bekämpfbar, die Vertagungsbitte des Klagevertreters sei aber dem Kläger zuzurechnen, sodass er nicht beschwert sei. Ein Delegierungsantrag nach § 31 Abs 1 JN könne nicht auf die fehlende Objektivität des Gerichts gestützt werden; sonstige Gründe habe der Kläger nicht genannt.
Gegen die Abweisung des Delegierungsantrags erhob der Kläger persönlich am 17. September 2012 (auch) beim Oberlandesgericht eine „Berufung“ (12 Nc 151/12g-7). Das Oberlandesgericht sah von einem Verbesserungsauftrag (Anwaltsunterschrift) ab, weil der (damalige) Verfahrenshelfer des Klägers dieselbe Eingabe am 19. September 2012 erneut beim Oberlandesgericht einbrachte (12 Nc 151/12g-11). Bereits am 18. September 2012 war jedoch beim Erstgericht ein Bescheid der zuständigen Rechtsanwaltskammer eingelangt, mit welchem sie für den Kläger einen anderen Verfahrenshelfer bestellt hatte (ON 68). Offenbar in Unkenntnis dessen legt das Oberlandesgericht die vom früheren Verfahrenshelfer erneut eingebrachte „Berufung“ zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Diese Vorlage erfolgte verfrüht.
1. Bei der Berufung handelt es sich um einen Rekurs gegen die Entscheidung über den Delegierungsantrag. Das Oberlandesgericht wurde dabei als Erstgericht tätig, der Rekurs war daher beim Oberlandesgericht einzubringen (§ 520 Abs 1 erster Halbsatz ZPO; RIS-Justiz RS0046243). Sowohl die Genehmigung als auch die Verweigerung einer Delegierung durch das Oberlandesgericht ist mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof anfechtbar, wobei die - hier nicht in Betracht kommenden - Rekursbeschränkungen des § 517 ZPO, nicht aber jene des § 528 ZPO, zu beachten sind (Mayr in Rechberger³ § 31 JN Rz 6; 1 Ob 80/02z, jeweils mwN). Der Rekurs ist daher unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zulässig (RIS-Justiz RS0116349; zuletzt 4 Ob 194/10y und 1 Ob 259/11m; vgl RIS-Justiz RS0106758 [T1]).
2. Allerdings besteht (auch) für den Rekurs Anwaltspflicht. Das Oberlandesgericht Wien hat zwar an sich richtig erkannt, dass die erneute Vorlage des Rechtsmittels durch einen Verfahrenshelfer die Durchführung eines formellen Verbesserungsverfahrens entbehrlich machen konnte. Allerdings war schon zuvor eine Umbestellung des Verfahrenshelfers erfolgt, die mit dem Einlangen des Bescheids beim Erstgericht wirksam geworden war (1 Ob 582/87 = RIS-Justiz RS0072351; M. Bydlinski in Fasching/Konecny 2 § 67 ZPO Rz 6). Damit hatte der bisherige Verfahrenshelfer seine Vertretungsbefugnis verloren; er konnte das Rechtsmittel des Klägers daher nicht mehr verbessern. Aus diesem Grund wird das Oberlandesgericht Wien den neuen Verfahrenshelfer unter Fristsetzung zur Verbesserung aufzufordern haben; nur wenn diese erfolgt, werden die Akten erneut vorzulegen sein. Dass das Rechtsmittel des Klägers offenkundig unberechtigt ist, weil er keinen tauglichen Delegierungsgrund geltend gemacht hatte (RIS-Justiz RS0114309; vgl auch RS0073042, RS0046333, RS0046074), kann unter diesen Umständen derzeit nicht wahrgenommen werden.
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