OGH 4Ob194/10y

OGH4Ob194/10y9.11.2010

Der Oberste Gerichtshof als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** B***** K*****, vertreten durch Gerscha Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei I***** F*****, vertreten durch Dr. Renate Eberl, Rechtsanwältin in Wien, wegen Eintragung einer Änderung im Gesellschafterstand (Streitwert 17.850 EUR), über den Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 8. Oktober 2010, GZ 6 Nc 6/10w-2, mit welchem der Delegierungsantrag der Nebenintervenientin abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.228,79 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (darin 204,80 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung

Die beklagte Gesellschaft mit beschränkter Haftung wurde mit Errichtungserklärung vom 22. Juni 2006 von I***** F***** gegründet. Als einziger Gesellschafter scheint im Firmenbuch derzeit M***** F***** auf; die Stammeinlage ist zur Gänze eingezahlt. Der Sitz der Beklagten liegt im Sprengel des Landesgerichts Korneuburg.

Der Kläger behauptet, einen einer voll eingezahlten Stammeinlage von 17.850 EUR entsprechenden Geschäftsanteil von M***** F***** erworben zu haben. Er begehrt mit einer beim Landesgericht Korneuburg eingebrachten Klage, die Beklagte zu verpflichten, diesen Erwerb beim Firmenbuch anzumelden. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage.

I***** F***** trat dem Verfahren auf Seiten der Beklagten als Nebenintervenientin bei. Sie beantragt, das Verfahren an das Handelsgericht Wien zu delegieren, weil der Geschäftsführer der Beklagten, sie selbst, die überwiegende Zahl der Zeugen und alle Parteienvertreter im Sprengel dieses Gerichts ansässig seien.

Der Kläger sprach sich gegen die Delegierung aus. Die Beklagte gab bekannt, dem Delegierungsantrag nicht entgegenzutreten, und hielt die Verfahrensführung in Wien ebenfalls für zweckmäßiger. Das Landesgericht Korneuburg erkannte keine Zweckmäßigkeitsgründe für eine Delegierung, sprach sich aber auch nicht dagegen aus.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Oberlandesgericht Wien den Delegierungsantrag ab. Zwar seien der Geschäftsführer der Beklagten sowie I***** und M***** F***** in Wien ansässig. Der Wohnsitz einer weiteren Zeugin liege aber im Sprengel des Landesgerichts Wiener Neustadt, jener des Klägers und der Sitz der Beklagten im Sprengel des Landesgerichts Korneuburg. Dort würden auch das Konkursverfahren über das Vermögen der Beklagten und ein von der Nebenintervenientin gegen den Kläger eingeleitetes Parallelverfahren geführt. Der Sitz der Parteienvertreter sei unerheblich. Auf dieser Grundlage sei kein klares und überwiegendes Interesse aller Beteiligten an einer Delegierung an das Handelsgericht Wien zu erkennen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich ein Rekurs der Nebenintervenientin, mit dem sie weiterhin die Delegierung an das Handelsgericht Wien anstrebt. Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist unabhängig vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage zulässig, weil das Oberlandesgericht funktional in erster Instanz entschieden hat (RIS-Justiz RS0116349). Er ist aber nicht berechtigt.

Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Rechtssache von einem anderen als dem zuständigen Gericht aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand zu Ende geführt werden kann (RIS-Justiz RS0053169). Zweckmäßigkeitsgründe sind insbesondere der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen (RIS-Justiz RS0046540). Weiters kann für eine Delegierung die Möglichkeit sprechen, mehrere gleich gelagerte Rechtssachen bei einem Gericht zu verbinden (RIS-Justiz RS0046528). Die Übertragung der Zuständigkeit muss im Interesse beider Parteien liegen (RIS-Justiz RS0046471); kann die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden und widerspricht eine von ihnen, so ist von der Delegierung abzusehen (RIS-Justiz RS0046589, RS0046455). Der Kanzleisitz der Parteienvertreter ist unerheblich (RIS-Justiz RS0046333 [T2, T13], RS0065225 [insb T1], RS0046455 [T4], RS0046540 [T1, T14]).

Auf dieser Grundlage ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Für die Zeugen und den Geschäftsführer der Beklagten wäre zwar die Anreise zum Handelsgericht Wien möglicherweise etwas kürzer. Das Handelsgericht Wien und das Landesgericht Korneuburg liegen aber nur knapp 18 km voneinander entfernt, sodass die Fahrzeiten nicht wirklich ins Gewicht fallen. Der Wohnsitz des Klägers, der Sitz der Beklagten und das möglicherweise einer Verbindung zugängliche Parallelverfahren sprechen demgegenüber für das Fortbestehen der Zuständigkeit des Landesgerichts Korneuburg. Eindeutige Gründe für ein Abweichen von der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung liegen somit nicht vor. Der Rekurs muss daher scheitern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 Satz 2 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Im Verfahren über einen Delegierungsantrag sind, soweit § 31 JN keine Sonderregelungen enthält, die Regelungen jenes Verfahrens anzuwenden, dessen Delegierung beantragt wird (RIS-Justiz RS0043970 [T1]). Daher ist das Rekursverfahren nach § 521a ZPO idF der ZVN 2009 zweiseitig. Für die Kosten der Beantwortung eines erfolglosen Rechtsmittels des Nebenintervenienten haftet die von ihm unterstützte Hauptpartei (RIS-Justiz RS0036057; Obermeier, Kostenhandbuch2 [2010] Rz 348).

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