OGH 8Ob121/12w

OGH8Ob121/12w27.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei S***** G*****, vertreten durch Lansky Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Gegner der gefährdeten Partei Mag. G***** G*****, vertreten durch Dr. Susanne Pertl, Rechtsanwältin in Wien, wegen einstweiliger Verfügung, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 29. August 2012, GZ 23 R 337/12z-16, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 6. Juni 2012, GZ 2 C 61/11h-8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Parteien sind verheiratet, ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Im Februar 2011 verließ der Antragsgegner mit Billigung der Antragstellerin den gemeinsamen Haushalt. Die Antragstellerin bewohnt mit dem 8-jährigen Kind der Streitteile und zwei erwachsenen Kindern aus ihrer ersten Ehe weiterhin das gemeinsame, auf einem Baurechtsgrundstück errichtete Haus. Der Antragsgegner leistete im strittigen Zeitraum keinen Beitrag zu ihren laufenden Wohnkosten, bezahlte aber weiterhin laufende Raten eines von beiden Streitteilen aufgenommenen Kredits in Höhe von 292,98 EUR monatlich.

Die Antragstellerin war während der Ehe berufstätig und zuletzt mehrere Jahre in Teilzeit als Verkäuferin und gelernte Goldschmiedin beschäftigt. Aufgrund der trennungsbedingten psychischen Belastung beendete sie ihre Dienstverhältnisse im Jänner 2011 einvernehmlich, bis Oktober 2011 war sie arbeitsunfähig. Bei intensiver Arbeitsplatzsuche hätte sie spätestens ab 1. 5. 2012 wieder eine Teilzeitbeschäftigung als Goldschmiedin oder als Verkäuferin mit einem Nettoeinkommen von 14 mal jährlich 700 bis 800 EUR finden können. Zuletzt bestritt die Antragstellerin ihren Lebensunterhalt aus den Alimenten für ihre Kinder aus erster Ehe, der Familienbeihilfe sowie dem Erlös (15.000 EUR) aus dem Verkauf eines in ihrem Besitz befindlichen Platinrings.

Der Antragsteller ist selbstständig als Handelsvertreter und Konditionstrainer tätig und erzielt ein Monatseinkommen von rund 1.100 EUR brutto, außerdem steht ihm ein vom Handelspartner finanziertes Dienstfahrzeug zur Privatnutzung zur Verfügung. Um seine monatlichen Fixkosten bezahlen zu können, die ‑ einschließlich Unterhalt für das Kind und Kreditrate ‑ etwa 1.934 EUR betragen, erhält er finanzielle Zuwendungen von einer Tante, wodurch ihm insgesamt rund 2.000 EUR monatlich netto zur Verfügung stehen.

Die Antragstellerin begehrt, ihren Unterhaltsanspruch gegen den Antragsgegner mit einstweiliger Verfügung „ab Rechtskraft dieses Beschlusses“ mit monatlich 660 EUR festzusetzen und ihn zur Zahlung dieses Betrags monatlich im Vorhinein zu verpflichten. Sie erbringe ihren Unterhaltsbeitrag durch Haushaltsführung und Betreuung des gemeinsamen Kindes.

Das Erstgericht trug dem Antragsgegner die Zahlung eines einstweiligen Unterhalts an die Antragstellerin von 590 EUR monatlich vom 22. 12. 2011 bis 30. 4. 2012 und 290 EUR monatlich ab 1. 5. 2012 bis zur rechtskräftigen Erledigung des Scheidungsverfahrens auf. Das tatsächlich verfügbare monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners von rund 2.000 EUR sei vor der Unterhaltsbemessung um die halbe Kreditrate zu reduzieren. Die Antragstellerin habe stets mit ihrem Einkommen zu den Lebenshaltungskosten beigetragen, daher sei nach billigem Ermessen das ab Mai 2012 von ihr wieder erzielbare Monatseinkommen von durchschnittlich mindestens 816 EUR netto zu berücksichtigen. Unter Anrechnung der weiteren Unterhaltspflicht für das Kind seien ihr bis einschließlich April 2012 31 % des Nettoeinkommens des Antragsgegners als vorläufiger Unterhalt zuzuerkennen, für die Zeit danach die Differenz zwischen ihrem zumutbaren eigenen Erwerbseinkommen und 38 % des fiktiven Familieneinkommens. Der Erlös aus dem Verkauf des Platinrings sei nicht auf das Einkommen der Antragstellerin anzurechnen.

Das von beiden Streitteilen angerufene Rekursgericht gab nur dem Rechtsmittel des Antragsgegners Folge und wies den Sicherungsantrag zur Gänze ab.

Die Zuwendungen der Tante des Antragsgegners seien als freiwillige und jederzeit widerrufliche Leistungen nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, sodass sein anrechenbares Monatseinkommen höchstens 1.200 EUR netto betrage. Die Antragstellerin selbst habe sich, verteilt auf einen angemessenen Zeitraum von 12 Monaten, den Reinerlös aus dem Verkauf ihres selbst hergestellten Platinrings als Arbeitseinkommen anrechnen zu lassen, weil die Herstellung von Schmuck zu ihrer gelernten Tätigkeit als Goldschmiedin gehöre. Unter weiterer Berücksichtigung des Kindesunterhalts und der im beidseitigen Interesse vom Antragsgegner bezahlten Kreditraten verbleibe damit kein Geldunterhaltsanspruch der Antragstellerin.

Über Antrag der gefährdeten Partei erklärte das Rekursgericht nachträglich den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob der Privatverkauf eines Rings bei der Einkommensermittlung einer gelernten Goldschmiedin zu berücksichtigen sei.

Der vom Antragsgegner beantwortete Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, weil die Begründung des Rekursgerichts zur Klarstellung der Rechtslage einer Korrektur bedarf. Das Rechtsmittel ist im Ergebnis aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Das tragende Argument des Rekursgerichts, mit dem es eine Anrechnung des Verkaufserlöses des Rings der Antragstellerin begründete, ist die Prämisse, dass sie ihn selbst angefertigt hätte, sodass der über den Materialwert hinausgehende Kaufpreis als Entgelt für ihre Arbeit anzusehen wäre. Diese Schlussfolgerung beruht aber, wie der Revisionsrekurs zutreffend aufzeigt, auf aktenwidriger Grundlage. Nach den vom Rekursgericht übernommenen erstinstanzlichen Feststellungen befand sich der verkaufte Ring nämlich nur „im Besitz“ der Antragstellerin, von eigener Herstellung ist keine Rede. Die Antragstellerin hat in ihrer Vernehmung vielmehr unwidersprochen ausgesagt, der Ring sei ein Geschenk ihres Exmannes gewesen.

Nach der ständigen Rechtsprechung sind nur Vermögenserträgnisse bei der Bemessung des Unterhalts als Einkünfte des Unterhaltsberechtigten zu berücksichtigen, der Stamm des Vermögens muss aber ‑ außer bei entsprechender Vereinbarung ‑ nicht zur Entlastung des Unterhaltspflichtigen herangezogen werden (RIS-Justiz RS0122838; 10 Ob 93/07k). Erlöse aus dem Verkauf eines privaten Vermögensgegenstands sind daher nicht als Einkommen zu behandeln, weil sie nur eine Umschichtung der Vermögenssubstanz bewirken (RIS‑Justiz RS0113786 [T3]). Der Verkauf des Rings der Antragstellerin hat daher für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben.

2. Zutreffend ist die Rechtsauffassung des Rekursgerichts aber insofern, als es die Zuwendungen der Tante des Antragsgegners nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einbezogen hat.

Entgegen der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht gibt es zu diesem Problemkreis ausreichende und gesicherte Judikatur (vgl 8 Ob 76/08x; 7 Ob 99/09y), die sich nicht nur auf die Bemessung des Kindesunterhalts bezieht. Danach zählen zum maßgeblichen Einkommen des Unterhaltsverpflichteten zwar grundsätzlich alle tatsächlich erzielten Einnahmen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann (RIS-Justiz RS0107262), aber nicht Zuwendungen, die ohne rechtliche Verpflichtung und jederzeit widerruflich von Familienangehörigen oder Lebensgefährten erbracht werden (RIS-Justiz RS0107262 [T10]); 6 Ob 5/04k; 8 Ob 76/08x) und die nicht dazu gedacht sind, andere Unterhaltsberechtigte mitzuversorgen (6 Ob 5/04k, 10 Ob 96/05y, 3 Ob 280/06g, 10 Ob 8/07k = RIS-Justiz RS0107262 [T10, T12, T14 und T15], 6 Ob 76/08x, Barth/Neumayr in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³, § 140 ABGB Rz 146, Hinteregger in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³, § 94 ABGB Rz 34; krit Kolmasch, „Neues im Kindesunterhaltsrecht“, Zak 2008/39, 26; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4, 14 f). Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlasst, von dieser Rechtsprechung abzugehen.

Aus dem vorliegenden Sachverhalt ergibt sich nicht, dass die Tante des Antragsgegners mit der Unterstützung seiner Person (auch) eine finanzielle Versorgung der Antragstellerin bezweckt. Es wäre jedoch im Provisorialverfahren Sache der gefährdeten Partei, die Voraussetzung für eine Anrechnung der Zuwendungen darzulegen und zu bescheinigen (Kodek in Angst², § 382 Rz 39; Angst/Jakusch/Mohr, EO14 § 382 Rz 187, 188 mwN).

3. Zur Bemessung eines vorläufigen Unterhalts der Antragstellerin sind daher nur ihr eigenes zumutbares Erwerbseinkommen, ohne Anrechnung des Verkaufserlöses, und das festgestellte Arbeitseinkommen des Antragsgegners ohne familiäre Zuwendungen heranzuziehen. Auf Seiten des Antragsgegner ist aber auch die unentgeltliche Privatnutzung des ihm als Handelsvertreter zur Verfügung gestellten Pkws mit einem in Anlehnung an steuerliche Sachbezugswerte angemessenen Wert von 300 EUR zu berücksichtigen. Nach Abzug der Hälfte der von ihm bezahlten Kreditrate errechnet sich insgesamt ein anrechenbares Einkommen des Antragsgegners von gerundet 1.250 EUR netto. Ab Mai 2012 hätte die Antragstellerin mit einer zumutbaren Wiederaufnahme ihrer schon während der Ehe gepflogenen Erwerbstätigkeit durchschnittlich 816 EUR netto monatlich verdienen können, sodass für die Unterhaltsbemessung ein fiktives Familieneinkommen von 2.066 EUR heranzuziehen ist. Von diesem Betrag stünden der Antragstellerin 38 % bzw 785 EUR abzüglich ihres Eigeneinkommens zu, sodass sich keine Differenz zu ihren Gunsten ergibt.

Da die gefährdete Partei in ihrem Antrag die Festsetzung eines vorläufigen Unterhalts ausdrücklich erst ab Rechtskraft des darüber ergehenden Beschlusses begehrt hat, kommt ein Zuspruch für die Vergangenheit (bis April 2012) nicht in Frage. Ein aktueller Geldunterhaltsanspruch konnte nicht bescheinigt werden, sodass es im Ergebnis bei der Abweisung des Provisorialbegehrens zu bleiben hat.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 402, 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

Der Antrag auf einstweiligen Unterhalt sichert nicht den im Hauptverfahren geltend gemachten Anspruch auf Ehescheidung, sodass die Kostenersatzpflicht unabhängig vom Ausgang des Scheidungsverfahrens besteht (ua 7 Ob 2/10k mwN; 1 Ob 235/11g). In einem solchen Fall ist über die Kosten bereits im Provisorialverfahren abzusprechen.

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