OGH 3Ob280/06g

OGH3Ob280/06g31.1.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Engelbert R*****, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Erika R*****, vertreten durch Dr. Peter Planer und Dr. Barbara Planer, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 31. Juli 2006, GZ 2 R 207/06i-16, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 20. Oktober 2006, AZ 2 R 207/06i, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 24. März 2006, GZ 4 C 941/05k-8, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger ist auf Grund eines vor dem Erstgericht am 7. September 2001 geschlossenen Vergleichs verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau, der Beklagten, einen monatlichen Unterhalt von 3.600 S = 261,62 EUR zu zahlen. Da er seit Mai 2005 lediglich 60 EUR monatlich leistete, führte die Beklagte gegen ihn Exekution zur Hereinbringung des restlichen Unterhaltsbetrags. Der Kläger bezog 2005 ein monatliches Nettoeinkommen von 735,20 EUR inklusive Sonderzahlungen. Die Beklagte übte im Zeitraum Jänner bis Ende August 2005 das Scherenschleifergewerbe aus und verdiente abzüglich der Treibstoffrechnungen, Tagesdiäten, der GSVG-Versicherungsbeiträge sowie eines Nächtigungsgeldes monatlich 108,25 EUR. Aus gesundheitlichen Gründen musste sie diese Tätigkeit seit September 2005 einstellen. Die Beklagte wird seit damals von ihrer Tochter mit 300 bis 400 EUR monatlich auf freiwilliger Basis unterstützt. Im Gegenzug hilft sie im Haushalt ihrer Tochter aus.

Der Kläger begehrte mit seiner Oppositionsklage, den Unterhaltsanspruch der Beklagten seit Mai 2005 bis auf einen Betrag von 60 EUR monatlich für erloschen zu erklären. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Relevanz, brachte er dazu insbesondere vor, dass die Beklagte für zwei ihrer Kinder Arbeiten verrichte, wofür sie Entgelt erhalte, das auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen sei.

Die Beklagte bestritt, über ein eigenes Einkommen oder über verwertbare Ersparnisse zu verfügen.

Das Erstgericht erklärte den Unterhaltsanspruch, zu dessen Hereinbringung die Exekution bewilligt wurde, für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 31. August 2005 im Umfang von monatlich 32,49 EUR für erloschen. Das Mehrbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, dass der Unterhaltsanspruch, zu dessen Hereinbringung die Exekution bewilligt wurde, für den Zeitraum 1. Mai 2005 bis 31. August 2005 im Umfang von monatlich 85,60 EUR erloschen sei. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, erachtete das Berufungsgericht das Vorbringen im Rechtsmittel, die Beklagte leiste gegen Entgelt Aushilfstätigkeiten für ihre Tochter, als unzulässige Neuerung. Ungeachtet dessen bestünden keine Bedenken dagegen, dass das Erstgericht die „freiwillige" Unterstützung der Beklagten durch deren Tochter als glaubwürdig angesehen habe. Die dafür durch die Beklagte verrichteten Hilfstätigkeiten schadeten nicht, weil es sich dabei um eine in einer Familie übliche Vorgehensweise handle.

Über Antrag des Klägers ließ das Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision nachträglich zu. Es habe ein Vorbringen des Klägers auf Grund eines Versehens als unzulässige Neuerung behandelt, obwohl entsprechendes Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren erstattet worden sei.

Die Revision des Klägers ist entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch der zweiten Instanz nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die unrichtige Wiedergabe, unzutreffende Auslegung oder gänzliche Übergehung von Tatsachenbehauptungen oder sonstigen Parteivorbringens im Urteil des Berufungsgerichts stellt zwar keine Aktenwidrigkeit dar, kann allerdings einen wesentlichen Verfahrensmangel (7 Ob 523/89) oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung begründen (Zechner in Fasching/Konecny2 § 503 ZPO Rz 166 mwN), jedoch nicht - wie der Kläger vermeint - eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Ein Verfahrensmangel iSd § 503 Z 2 ZPO kann allerdings nur dann zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts führen, wenn er eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern abstrakt geeignet war (Zechner aaO Rz 123 mwN). Er müsste also wesentlich für die Entscheidung sein, sich also auf diese auswirken können (10 ObS 110/02b = SSV-NF 16/29). Zwar ging das Berufungsgericht, wie es nunmehr selbst einräumt, zu Unrecht davon aus, die Behauptung, die Beklagte verrichte gegen Entgelt Tätigkeiten für ihre Tochter, stelle eine unzulässige Neuerung dar. Tatsächlich hatte dies der Kläger nämlich bereits im Verfahren erster Instanz vorgebracht. Dennoch blieb dieser Mangel des Berufungsurteils ohne relevante Auswirkung auf die bekämpfte Entscheidung. Das Berufungsgericht behandelte nämlich ungeachtet der Annahme einer Verletzung des Neuerungsverbots die Beweisrüge in diesem Punkt ohnehin und gelangte zum Ergebnis, dass keine Bedenken gegen die Annahme einer bloß freiwilligen Unterstützung der Beklagten durch ihre Tochter bestünden. Es handle sich um eine in einer Familie üblichen Vorgehensweise, sich für finanzielle Unterstützung durch Mithilfe, etwa im Haushalt, zu revanchieren.

Im Zusammenhang mit einer - wie dargelegt - ebenfalls in Betracht kommenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung macht der Kläger eine erhebliche Rechtsfrage gar nicht geltend. Die Nichtberücksichtigung der Leistungen der Tochter steht auch mit jener Rsp des Obersten Gerichtshofs im Einklang, wonach freiwillige, jederzeit widerrufliche Zuwendungen von Familienangehörigen ohne rechtliche Verpflichtung aus familiären Gründen (6 Ob 5/04k = ÖA 2004, 312; 10 Ob 96/05y = EFSlg

110.225) nicht in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen sind. Diese Zuwendungen der Tochter im Familienkreis dienen ja nicht dazu, den unterhaltspflichtigen Kläger zu entlasten, sondern der Mutter zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO sind somit entgegen der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz und des Klägers in Wahrheit nicht zu lösen. Sein Rechtsmittel ist daher zurückzuweisen.

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