OGH 10ObS129/12m

OGH10ObS129/12m20.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Monika Lanz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Andreas Hach (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl RechtsanwaltsgesellschaftmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, wegen Krankengeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. Juli 2012, GZ 6 Rs 33/12p‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. April 2012, GZ 29 Cgs 195/11k‑10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Verfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das sozialversicherungspflichtige Dienstver-hältnis der Klägerin als Reinigungskraft endete am 25. 8. 2009. Beginnend mit 25. 8. 2009 sowie in der Folgezeit war sie aufgrund einer Kniegelenksarthrose (Gonarthrose) am linken Knie, und einer daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit krank gemeldet. Wegen der schon seit 2005 immer stärker werdenden Beschwerden wurde am 11. 9. 2009 am linken Knie eine Operation zur Entfernung einer Metallplatte durchgeführt, die nach einem vor 30 Jahren erlittenen Schienbeinkopfbruch eingesetzt worden war. Da die Klägerin nach der Operation Stützkrücken verwenden musste, wurden Beschwerden an der Wirbelsäule akut, die zum Teil andauern. Sie war seit der Operation am 11. 9. 2009 fortlaufend ohne Unterbrechung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz (am 22. 3. 2012) nicht in der Lage, den Anforderungen ihres früheren Berufs als Reinigungskraft (Raumpflegerin) zu entsprechen, weil zum Inhalt ihrer ‑ früheren ‑ arbeitsvertraglichen Tätigkeit auch ‑ nicht mehr zumutbare ‑ Reinigungsarbeiten auf Leitern, im Knien und in gebückter Haltung gehörten. Die Abnützungserscheinungen am Kniegelenk werden weiter fortschreiten, Therapien zur Besserung des Beschwerdebilds wie etwa schmerzstillende, entzündungshemmende‑ und abschwellende Medikamente, physikalische und physiotherapeutische Maßnahmen, Kur- und Rehabilitationsaufenthalte sind möglich. Letztlich kann auch eine Kniegelenksprothese eingesetzt werden. Dennoch wird die Klägerin nie mehr Tätigkeiten ausführen können, die ihrer zuletzt konkret ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft entsprechen.

Nach Ende des Entgeltfortzahlungsanspruchs erhielt sie ab 1. 9. 2009 bis 30. 8. 2010 (somit in der Höchstdauer von 52 Wochen) Krankengeld. Ab 1. 9. 2010 bis 31. 5. 2011 bezog sie Pensionsvorschuss.

Im Jänner 2011 brachte sie eine Klage auf Gewährung der Invaliditätspension ein. Dieses Verfahren ergab, dass sie aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen nicht mehr in der Lage ist, den Beruf als Raumpflegerin auszuüben, am allgemeinen Arbeitsmarkt aber noch andere Berufstätigkeiten wie etwa jene einer Geschirrabräumerin, Ladnerin, Kassierin, Parkraumüberwacherin oder Kontrollarbeiterin verrichten kann. Das Verfahren endete mit Klagsrückziehung.

Der vom 1. 9. 2010 bis 31. 3. 2011 gewährte Pensionsvorschuss wurde daraufhin rückwirkend in Arbeitslosengeld umgewandelt. Seit 1. 6. 2011 erhält die Klägerin Notstandshilfe.

Am 8. 8. 2011 erlitt sie einen Herzinfarkt und war deshalb bis 25. 8. 2011 in stationärer Behandlung. Sie war nunmehr auch aufgrund des Herzinfarkts nicht in der Lage, ihren ehemaligen Beruf als Reinigungskraft auszuüben; dies jedenfalls bis 6. 9. 2011. Vom 8. 8. 2011 bis 6. 9. 2011 wurde der Bezug der Notstandshilfe von 24,31 EUR täglich unterbrochen.

Mit Bescheid vom 7. 10. 2011 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin, ihr aufgrund ihres Herzinfarkts Krankengeld vom 8. 8. 2011 bis 6. 9. 2011 zu gewähren, unter Hinweis auf das Erreichen der Höchstanspruchsdauer von 52 Wochen ab.

Die Klägerin erhob dagegen Klage mit dem Begehren, ihr Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß vom 8. 8. 2011 bis 6. 9. 2011 zu gewähren.

Sie brachte zusammengefasst vor, als Bezieherin von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung sei sie der gesetzlichen Krankenversicherung unterlegen. Der (während des Bezugs von Notstandshilfe aufgetretene) Herzinfarkt begründe einen neuen Versicherungsfall, der Anspruch auf Krankengeld eröffne. Ein Herzinfarkt stelle ein von den Knie- und Wirbelsäulenbeschwerden völlig unabhängiges Krankheitsgeschehen dar, es bestehe keinerlei Zusammenhang. Schon die Länge der dazwischenliegenden Zeitspanne sei ein Hinweis darauf, dass es sich um zwei getrennte Versicherungsfälle handle. Zudem habe ab Sommer 2010 eine Besserung des Gesundheitszustands nicht mehr erwirkt werden können. Da sich der frühere Zustand verschlechtern und sie das Leistungskalkül, das dem Beruf einer Raumpflegerin entspreche, nicht mehr erreichen werde, sei diesbezüglich der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge einer Krankheit nicht mehr gegeben, sondern liege ein Gebrechen vor.

Die beklagte Partei beantragte die Klageabweisung und führte aus, bei Feststellung der Arbeitsunfähigkeit in der Krankenversicherung sei allein die zuletzt ausgeübte Tätigkeit maßgebend. Könne der Versicherte diese nicht mehr ausüben, liege Arbeitsunfähigkeit vor. Durch das Hinzutreten einer neuen Krankheit werde der Anspruch auf Krankengeld nicht berührt, sondern bilde mit der bereits vorhandenen Krankheit einen einheitlichen Versicherungsfall. Die Klägerin habe nach Ausschöpfung des gesetzlichen Höchstanspruchs auf Krankengeld die Arbeitsfähigkeit in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf als Reinigungskraft (Raumpflegerin) nicht mehr erlangt, weshalb ein neuer Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit nicht habe eintreten können. Der Versicherungsfall der Krankheit habe weiter bestanden, weil der Klägerin weitere Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden seien. Ein Gebrechen sei nicht vorgelegen.

Der Höhe nach steht das streitgegenständliche Krankengeld für den Zeitraum 11. 8. 2011 bis 6. 9. 2011 mit 656,37 EUR (27 Tagessätze á 24,31 EUR) außer Streit.

Das Erstgericht wies das gegen den abweislichen Bescheid gerichtete Klagebegehren ab. Rechtlich ging es davon aus, der Herzinfarkt bilde keinen neuen Versicherungsfall, weil die Klägerin auch während des Arbeitslosengeld- und Notstandshilfebezugs durchgehend arbeitsunfähig geblieben sei. Der Versicherungsfall aufgrund der Kniebeschwerden sei nie beendet worden. Die Tatsache, dass die Klägerin Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehe und damit krankenversichert sei, ändere an der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nichts. Zwar setze der Bezug von Arbeitslosengeld Arbeitsfähigkeit voraus, dennoch begründe allein die Tatsache des Bezugs von Arbeitslosengeld keine Arbeitsfähigkeit. Letztere bestimme sich gemäß dem AlVG nach den Verweisungsbestimmungen des pensionsrechtlichen Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitsbegriffs. Auch wenn das Invaliditätspensionsverfahren ergeben habe, dass der Klägerin am allgemeinen Arbeitsmarkt noch Verweisungstätigkeiten offenstehen, lasse dies keinen Rückschluss auf den Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit nach dem ASVG zu. Maßgeblich sei allein, ob sie nach Wegfall des Versicherungsfalls ihre ursprüngliche Tätigkeit als Raumpflegerin wieder ausüben könne, was zu verneinen sei.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin nicht Folge. Rechtlich ging es davon aus, dass ein neuer Anspruch auf Krankengeld infolge der Krankheit, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden habe, nach Ausschöpfung der Höchstdauer des Bezugs von 52 Wochen erst wieder entstehe, wenn der Erkrankte in der Zwischenzeit durch mindestens 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung versichert war (§ 139 Abs 4 ASVG). Auch das Entstehen eines neuen Krankengeldanspruchs wegen Vorliegens derselben Krankheit setze somit den Eintritt eines neuen Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit voraus. Dazu sei erforderlich, dass eine zuvor bestehende Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (Wiedererkrankung) wegfalle. Entscheidend sei daher auch im vorliegenden Fall, ob der Versicherungsfall der Krankheit infolge der Gonarthrose des Kniegelenks in Verbindung mit den übrigen Beschwerden am Bewegungsapparat jemals ‑ insbesondere während des Arbeitslosengeld- bzw Notstandshilfebezugs ‑ beendet gewesen und durch den Herzinfarkt ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei. Zum Wegfall der Arbeitsunfähigkeit infolge der Gonarthrose sei es aber bei der Klägerin nicht gekommen, weil sie weiterhin nicht in der Lage sei, ihre arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit als Reinigungskraft wieder aufzunehmen, ohne dass eine Verschlechterung ihres Zustands zu erwarten wäre. Ein Gebrechen liege nicht vor, weil nach den Feststellungen jedenfalls ein regelwidriger Körperzustand bestehe, der nicht „austherapiert“ sei und eine Krankenbehandlung notwendig mache. Es genüge auch, wenn die Notwendigkeit ärztlicher Hilfeleistung nur in der Verhütung von Verschlimmerungen oder in der Schmerzlinderung bestehe. Der Bestand von Krankenversicherungsschutz nach dem AlVG könne für sich allein keinen neuen Krankengeldanspruch erzeugen. Der Gesetzgeber gehe von der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und damit von einer Beschäftigungsaufnahme durch mindestens 13 Wochen aus, wenn eine Zusammenrechnung von altem und neuem Krankenstand (bei identer Erkrankung) vermieden werden solle. Aus dem engen Zusammenhang zwischen § 139 Abs 3 und Abs 4 ASVG sei abzuleiten, dass dieser Grundsatz auch auf Fälle zu übertragen sei, in denen ‑ wie hier ‑ ein Krankengeldanspruch bereits „ausgesteuert“ sei und es um die Begründung eines neuen Krankenstandtatbestands gehe. Bei aufrechter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit bleibe daher der Krankengeldbezug ‑ unabhängig vom Arbeitslosengeld ‑ und Notstandshilfebezug „ausgesteuert“. Die Frage der Arbeitsfähigkeit sei weiterhin an der ursprünglichen Tätigkeit der Klägerin als Reinigungskraft zu messen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil bereits Vorjudikatur bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidung des Berufungsgerichts dahin abzuändern, dass der Klage stattgegeben werde.

Die beklagte Partei beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zu der hier vorliegenden Fallkonstellation noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt; sie ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

In ihrer Revision hält die Klägerin zusammengefasst an ihrem Standpunkt fest, es lägen infolge zweier verschiedenartiger Erkrankungen zwei getrennte Versicherungsfälle vor. Die Ansicht, das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit als Reinigungskraft wegen des Knieleidens schließe jeglichen zukünftigen Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit aus, obwohl dieser nichts mit der bisherigen Erkrankung zu tun habe, führe zu dem eigenartigen Ergebnis, dass niemals mehr ein weiterer Krankheitsfall eintreten könne. Dem stehe entgegen, dass das Gesetz den Krankengeldanspruch nur für ein und denselben Versicherungsfall begrenze. Darüber hinaus liege mangels Behebbarkeit des Leidenszustands im Bereich des Knies keine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn mehr vor, sondern ein Gebrechen, weshalb auch aus diesem Grund die gesetzlichen Voraussetzungen für einen neuen Versicherungsfall erfüllt seien.

Dazu ist auszuführen:

1. Der Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit gilt mit dem Beginn der durch eine Krankheit ‑ das ist ein regelwidriger Körper‑ oder Geisteszustand, der die Krankenbehandlung notwendig macht ‑ herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit als eingetreten (§ 120 Z 2 ASVG).

Aus dieser Definition ergibt sich, dass

‑ der Versicherungsfall nur vorliegt, wenn und solange die Arbeitsunfähigkeit auf eine Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn zurückzuführen ist und

‑ zusätzlich der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erforderlich ist (10 ObS 194/06m; SSV-NF 21/15).

Fällt ‑ wenn auch bei Weiterbestehen der Krankheit ‑ die Arbeitsunfähigkeit weg, so ist der Versicherungsfall beendet (10 ObS 194/06m mwN = SSV‑NF 21/15 = DRdA 2008/42, 430 [Naderhirn] = ZAS 2008/34, 232 [Binder]).

2.1. Die Leistungsansprüche des erkrankten Versicherten sind im Interesse der Aufrechterhaltung der Finanzierbarkeit zeitlich beschränkt. Gemäß § 139 Abs 1 ASVG besteht Krankengeldanspruch für ein und denselben Versicherungsfall bis zur Dauer von 26 Wochen, auch wenn während dieser Zeit zu der Krankheit, welche die Arbeitsunfähigkeit zuerst verursachte, eine neue Krankheit hinzugetreten ist. Wenn der Anspruchsberechtigte innerhalb der letzten zwölf Monate vor dem Eintritt des Versicherungsfalls mindestens sechs Monate in der Krankenversicherung versichert war, verlängert sich für diese Personen, ausgenommen für die nach § 122 Abs 2 Z 2 bis 4 ASVG Anspruchsberechtigten, die Dauer auf bis zu 52 Wochen.

2.2. Entsteht nach Wegfall des Krankengeldanspruchs vor Ablauf der Höchstdauer neuerlich, und zwar innerhalb von 13 Wochen, infolge der Krankheit, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, ein Anspruch auf Krankengeld, so werden die Anspruchszeiten für diese Krankheitsfälle zur Feststellung der Höchstdauer zusammengerechnet; die neuerliche mit Arbeitsunfähigkeit verbundene Erkrankung gilt als Fortsetzung der vorausgegangenen Erkrankung (§ 139 Abs 3 Satz 1 ASVG). Ein einheitlicher Versicherungsfall iSd § 139 Abs 3 ASVG liegt somit dann vor, wenn mehrere Krankheiten nebeneinander wirken oder sich ablösen oder auch wenn innerhalb von 13 Wochen jene Krankheit wieder auftritt, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat (Schober in Sonntag, ASVG3 § 139 Rz 3 f mwN).

2.3. Ist mit dem Wegfall des Krankengeldanspruchs die Höchstdauer abgelaufen, so kann ein neuer Anspruch auf Krankengeld infolge der Krankheit, für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat, erst wieder entstehen, wenn der Erkrankte in der Zwischenzeit durch mindestens 13 Wochen in einer den Anspruch auf Krankengeld eröffnenden gesetzlichen Krankenversicherung oder durch mindestens 52 Wochen in einer sonstigen gesetzlichen Krankenversicherung versichert war (§ 139 Abs 4 Satz 1 ASVG). Durch den Bestand einer Versicherung von beträchtlicher Dauer soll der Versicherte eine neue Anwartschaft auf Krankengeld erwerben, auch wenn die Wiedererkrankung auf dieselbe nicht behobene Krankheitsursache zurückgeht, wie im früheren Versicherungsfall, bei dem er bereits ausgesteuert wurde (10 ObS 267/01i, SSV-NF 15/113 = DRdA 2003/2, 31 [Binder]). Die Regelung des § 139 Abs 4 ASVG stellt somit ebenfalls auf jene Fälle ab, in denen die Arbeitsunfähigkeit auf dieselbe Krankheit zurückgeht, „für die der weggefallene Krankengeldanspruch bestanden hat“. Das Entstehen dieses neuen Krankengeldanspruchs iSd § 139 Abs 4 ASVG hat dabei den Eintritt eines neuen Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Voraussetzung, für den alle gesetzlichen Bedingungen erfüllt sein müssen. Dazu ist es grundsätzlich erforderlich, dass eine zuvor bestandene Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit wegfällt (Schober in Sonntag, ASVG3 § 139 Rz 6 mwN; RIS-Justiz RS0115579).

2.4. Der Krankengeldanspruch der Klägerin aufgrund der Knieerkrankung, die ihre Arbeitsunfähigkeit als Reinigungskraft bewirkte, war mit Ablauf der Höchstdauer von 52 Wochen (Aussteuerung) am 30. 8. 2010 weggefallen. Eine Anwendung der Bestimmung des § 139 Abs 3 ASVG kommt daher nicht in Betracht. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kommt aber auch die Bestimmung des § 139 Abs 4 ASVG im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung, weil die bei der Klägerin diagnostizierte Gonarthrose und der bei ihr am 8. 8. 2011 aufgetretene Herzinfarkt nicht als idente sondern als voneinander verschiedene Erkrankungen iSd § 139 Abs 4 ASVG anzusehen sind. Tritt eine Versicherte, deren Krankengeldanspruch wegen Ablaufs der Höchstdauer erschöpft ist, in der Folgezeit wieder in ein Versicherungsverhältnis ein und wird sie infolge einer anderen Krankheit als der Krankheit, für die sie bereits ausgesteuert worden ist, neuerdings arbeitsunfähig, so gilt dies als ein neuer Versicherungsfall (Schober in Sonntag, ASVG3 § 139 Rz 6). In diesem Fall kann nach kurzzeitiger Arbeitsfähigkeit ein neuer Krankengeldanspruch in voller Länge ausgeschöpft werden (vgl M. Binder in seiner Entscheidungsbesprechung in DRdA 2003/2, 31 [34]).

3. Die Klägerin bezog zum Zeitpunkt des Herzinfarkts eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, nämlich Notstandshilfe nach § 6 Abs 1 Z 2 AlVG. Als Bezieherin einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung war sie während des Leistungsbezugs krankenversichert (§ 40 Abs 1 AlVG), sodass ihr grundsätzlich auch Anspruch auf Krankengeld gebührt, und zwar in der Höhe des letzten Leistungsbezugs nach dem AlVG (§ 41 Abs 1 AlVG).

4. Arbeitsunfähigkeit iSd § 120 Abs 1 Z 2 ASVG liegt vor, wenn der Erkrankte nicht oder doch nur mit der Gefahr, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner zuletzt ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Wegfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit ist daher anzunehmen, wenn der Versicherte in der Lage ist, seine arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen, ohne dass dadurch eine Schädigung der Gesundheit oder eine Verschlimmerung seines Zustands zu erwarten ist (10 ObS 194/06m mwN).

5. Im vorliegenden Fall ist jedoch entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen zu berücksichtigen, dass der zwischen den Parteien strittige neuerliche Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit am 8. 8. 2011 längst nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin als Reinigungskraft am 25. 8. 2009 und nach Ablauf der Schutzfrist nach § 122 Abs 2 ASVG erfolgte (vgl 10 ObS 57/01g, SSV‑NF 15/40 ua), sodass für die Beurteilung der Frage der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin nicht mehr von den Anforderungen in der von ihr zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Reinigungskraft auszugehen ist. Die Klägerin bezog im Zeitpunkt des möglichen Eintritts des neuerlichen Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit am 8. 8. 2011 Notstandshilfe. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Eintritt der Arbeitsunfähigkeit während der Dauer des Arbeitslosengeldbezugs (bzw der Notstandshilfe) nicht mehr nach der zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit (hier einer Reinigungskraft), sondern nach den Verweisungsbestim-mungen des pensionsrechtlichen Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitsbegriffs (§§ 255, 273 ASVG) zu bestimmen, wobei die Zumutbarkeitskriterien des § 9 Abs 2 AlVG nicht außer Acht gelassen werden dürfen (RIS-Justiz RS0115875).

6. Im vorliegenden Fall ist daher für einen neuerlichen Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit entscheidend, ob die Klägerin vor ihrem am 8. 8. 2011 erlittenen Herzinfarkt arbeitsfähig im Sinn des für sie maßgebenden pensionsrechtlichen Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitsbe-griffs war und sie diese Arbeitsfähigkeit durch ihre neuerliche Erkrankung wieder verloren hat. Dazu bedarf es ergänzender Feststellungen durch das Erstgericht, welches ausgehend von einer anderen Rechtsansicht, derzufolge weiterhin auf die Anforderungen an die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Reinigungskraft abzustellen sei, lediglich die Feststellung getroffen hat, dass die Klägerin nach ihrer stationären Behandlung jedenfalls bis 6. 9. 2011 auch wegen des Herzinfarkts nicht mehr in der Lage war, den Beruf als Reinigungskraft auszuüben. Feststellungen in der aufgezeigten Richtung, ob die Klägerin vor ihrem Herzinfarkt noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten konnte und sie diese Arbeitsfähigkeit durch die Folgen des Herzinfarkts im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 8. 8. 2011 bis 6. 9. 2011 wieder verloren hat, wurden vom Erstgericht bisher nicht getroffen. Es werden Feststellungen zu treffen sein, ob die Klägerin vor Eintritt des Herzinfarkts in der Lage war, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Da es offenbar einer Verhandlung in erster Instanz bedarf, um die Sache spruchreif zu machen, waren die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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