OGH 6Ob195/12p

OGH6Ob195/12p16.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. V*****gesellschaft mbH & Co KG, 2. V***** registrierte Genossenschaft mit beschränkter Haftung, 3. B*****gesellschaft mbH, alle *****, vertreten durch Dr. Michael Wonisch, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei H***** W*****, vertreten durch Dr. Ulrike Kreiseder, Rechtsanwältin in Salzburg, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 25. Juli 2012, GZ 22 R 223/12s-11, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

1. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen vereinbarten die Parteien zwar am 15. 3. 2011, also rund zwei Monate vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten, dass der damals bestehende Rückstand des Beklagten an Bestandzinsen in zwei Raten zu begleichen sei; zudem seien die neu fällig werdenden Bestandzinse laufend zu bezahlen. „Im Fall der Einhaltung dieser Vereinbarung durch den Beklagten“ würden die Kläger vom Versäumungsurteil vom 4. 3. 2011 (Räumungstitel) keinen exekutiven Gebrauch machen.

Der Beklagte beruft sich unter Bezugnahme auf dieses Übereinkommen mit den Klägerinnen auf eine damit vereinbarte „Fortsetzung des Bestandverhältnisses“. Er übersieht dabei aber die weitere Feststellung, wonach er nicht nur die zweite Rate (infolge Eröffnung des Insolvenzverfahrens) nicht bezahlt hat, sondern auch die laufenden Bestandzinse (zunächst) schuldig geblieben ist (so bereits jenen für April 2011). Von einer vereinbarten Fortsetzung des Bestandverhältnisses kann somit mangels Einhaltung der vereinbarten Bedingung keine Rede sein.

2. Der Beklagte meint in seiner außerordentlichen Revision, der vorliegenden Räumungsklage stünde (außerdem) § 12c IO entgegen; einfacher Verzug mit Bestandzinsen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens genüge nicht.

Rechtliche Beurteilung

2.1. Mit § 12c IO wurde § 12a AO idF vor dem IRÄG 2010 in die IO übertragen (vgl ErläutRV 612 BlgNR 24. GP 11; Konecny in Konecny, Insolvenzgesetze [2011] § 12c IO Rz 5). Zu § 12a AO hatte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 92/03f (SZ 2004/12 = EvBl 2004/132) ausgeführt, dass nicht der Verzug mit laufenden Bestandzinsen (Benützungsentgelten) an sich eine Fortsetzung des Räumungsvollzugs ermöglicht, sondern nur jener qualifizierte Verzug in der Erfüllung bevorrechteter Forderungen, der dazu führt, dass der Ausgleich nicht bestätigt wird. Der Oberste Gerichtshof hatte dabei auf den „qualifizierten Verzug“ nach § 50 Z 6 AO Bezug genommen.

Während Mohr (Sanierungsplan und Sanierungsverfahren [2010] Rz 738 ff; ders, Neuerungen im Unternehmensinsolvenzrecht, ÖJZ 2010/94) meint, diese Rechtsprechung sei auch auf § 12c IO anzuwenden, verneinen dies - mit durchaus beachtlichen Argumenten - Konecny/Nunner-Krautgasser (in Konecny, IRÄG 2010 [2010] 57), Konecny (aaO Rz 124) und Pariasek (IRÄG 2010: Neuerungen im Zusammenhang mit Bestandrechten, wobl 2010, 237). Einer Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs dazu bedarf es hier allerdings nicht:

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde der Sanierungsplan am 11. 7. 2011 aufgrund eines Berichts des Sanierungsverwalters vom 5. 7. 2011 bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben; der Beklagte blieb sodann (auch) weitere Bestandzinse (Benützungsentgelte) schuldig. Jedenfalls in einem solchen Fall kann der Bestandgeber wegen Verletzung der in § 12c IO stillschweigend vorausgesetzten Pflicht der Benützungsabgeltung bei jedem Verzug mit Entgeltbeträgen die Räumungsexekution fortsetzen (Konecny/Nunner-Krautgasser aaO; Konecny aaO Rz 123).

2.2. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurde das Bestandverhältnis bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelöst; die Kläger haben deshalb zu 2 E 94/11g des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau aufgrund eines Versäumungsurteils dieses Gerichts vom 4. 3. 2011 die zwangsweise Räumung des Bestandobjekts betrieben. Diese Räumungsexekution wurde mit Beschluss vom 3. 10. 2011 gemäß § 12c IO bis 30. 6. 2013 aufgeschoben; die Kläger könnten nicht ohne weiteres von einem Räumungstitel, den Forderungen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugrunde liegen, Gebrauch machen, wenn Bestandzinse nach Abschluss des Sanierungsverfahrens nicht rechtzeitig beglichen wurden, weshalb die Kläger wegen dieser Rückstände einen neuen Räumungstitel erwirken müssten.

Zwar verkennt dieser Beschluss das Konzept des § 12c IO grundlegend, benützt doch der Beklagte das ehemalige Bestandobjekt seit Auflösung des Bestandverhältnisses bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens titellos (ausführlich Konecny aaO Rz 64), weshalb der Beklagte auch keine Bestandzinse, sondern Benützungsentgelte zu zahlen hat (Konecny aaO Rz 68 ff) - ein Zustand, der im Übrigen bis zur vollen Befriedigung der Forderungen der Kläger mit dem im Sanierungsplan festgesetzten Betrag (§ 12c Satz 2 IO) fortdauern würde (vgl dazu Konecny aaO Rz 132, 137). Damit wäre zum einen der genannte Aufschiebungsbeschluss an sich im Instanzenweg zu beseitigen gewesen; zum anderen könnte auch die Ansicht vertreten werden, dass angesichts des vorliegenden und unverändert gültigen Exekutionstitels eine neuerliche Räumungsklage rechtlich nicht begründet, jedenfalls aber unökonomisch ist (in diesem Sinn Konecny/Nunner-Krautgasser aaO; Konecny aaO Rz 129; ebenso bereits zur Rechtslage vor dem IRÄG 2010 Reckenzaun, Räumungsexekution - Änderungen im Ausgleich nach dem IRÄG 1997, immolex 1997, 278).

Allerdings beruft sich der Beklagte im Revisionsverfahren auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis für die vorliegende Räumungsklage, das zu ihrer Abweisung führen müsste (RIS-Justiz RS0038062), nicht. Eine amtswegige Wahrnehmung mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses kommt nicht in Betracht (9 ObA 10/97d; aA Fasching in Fasching, ZPO² [2000] Einl I Rz 177).

Damit sind aber die zu 2.1. dargelegten Grundsätze bei der vorliegenden Konstellation auch für die Frage der Berechtigung der (weiteren) Räumungsklage beachtlich.

Stichworte