OGH 7Ob165/12h

OGH7Ob165/12h14.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** S*****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei N***** AG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen 45.819,89 EUR und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2012, GZ 30 R 23/12s-18, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Zulassungsbeschwerde der außerordentlichen Revision der Beklagten wendet sich gegen die Beurteilung 1. des „räumlichen Umfangs“ des Versicherungsvertrags, 2. der „dinglichen“ Wirkung des naturschutzrechtlichen Bescheids der BH Krems und 3. gegen die Auslegung des Art 7 Abs 2 AHVB 2003 im Zusammenhang mit diesem Bescheid.

Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO wird damit nicht aufgezeigt; vielmehr geht die Bedeutung der Entscheidung nicht über den Einzelfall hinaus.

Ob die drei vom Kläger bewirtschafteten Grundstücke, auf denen es nach Grabungsarbeiten zur Hangrutschung kam, vom Versicherungsschutz umfasst sind, hängt nicht von der Auslegung der AHVB oder EHVB ab, sondern von der Auslegung des nach dem konkreten Vertragstext versicherten Risikos. Die Frage, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, ist nur dann eine erhebliche, wenn infolge wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936). Sowohl die Vertragsauslegung im Einzelfall als auch die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung stellen also nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042936; RS0042776; RS0043253); es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (7 Ob 28/11k mwN; RIS-Justiz RS0042776 [T11] uva).

Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu. Der Versuch der Beklagten, nur „Äcker“ und „Wiesen“ zum versicherten Betrieb zu zählen, nicht aber Weingärten, muss schon daran scheitern, dass die „betriebliche Tätigkeit“ hier „ausschließlich auf Weinbau ausgerichtet war (vgl die Bedingung WR000 WEINBAUBETRIEB ... [Blg ./A]).

Da im Vertrag keine Einschränkung auf das Eigentum des Klägers festgelegt, sondern - im Gegenteil - auf die bloße Innehabung zur Nutzung im Betrieb des Klägers abgestellt wurde (Abschnitt A. Art 1 (2) 2.3. EHBV), die drei Grundstücke dem Betrieb Unternehmens des Klägers zuzurechnen waren und bereits bei Abschluss des Vertrags von ihm bewirtschaftet wurden, ist unerheblich, ob sie von der „Flächenaufstellung“ umfasst waren. Versichert waren nicht einzelne Grundstücke oder Flächen, sondern der (Weinbau-)Betrieb des Klägers. Die Ansicht der Vorinstanzen, der Versicherungsvertrag sei dahin auszulegen, dass auch die drei Grundstücke von der Betriebshaftpflichtversicherung des Klägers umfasst seien, hält sich daher im Rahmen der Judikatur.

Der Frage nach der „dinglichen“ Wirkung des die Grabungsarbeiten genehmigenden Bescheids im Zusammenhang mit der Auslegung des Art 7 Abs 2 AHVB 2003 fehlt die entscheidungserhebliche Bedeutung: Die im Rahmen des Weinbaubetriebs notwendigen Grabungsarbeiten wurden vom Kläger als rechtmäßigem Bewirtschafter der Grundstücke in Auftrag gegeben; dieser - und nicht die Grundstückseigentümerin und Bescheidadressatin - wird auch von den geschädigten Grundnachbarn mit Schadenersatzansprüchen konfrontiert.

Der Versicherungsschutz fiele nach Art 7 Abs 2 AHVB 2003 nur bei (auch bedingtem) Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit weg. Aus der - im Revisionsverfahren nicht mehr angreifbaren - Tatsachengrundlage geht ein solches Verschulden aber nicht hervor; die Abrutschungen sind vielmehr durch die Schneeschmelze entstanden und waren nicht vorhersehbar. Schon deshalb scheidet ein bewusstes Zuwiderhandeln im Sinn des Abschnitts A Art 3 EHVB gegen die im Bescheid der Naturschutzbehörde angesprochene Standfestigkeit des Geländes - deren gesonderte fachmännische Prüfung gar nicht aufgetragen wurde - aus. Die mit dem Einverständnis der Grundeigentümerin durchgeführten Arbeiten waren durch die naturschutzbehördliche Bewilligung gedeckt und verstießen daher auch nicht gegen die betreffende gesetzliche Genehmigungspflicht.

Mangels erheblicher Rechtsfragen (§ 502 Abs 1 ZPO) ist die Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte