OGH 9ObA136/11g

OGH9ObA136/11g22.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Claudia Holzmann als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** P*****, Busfahrer, *****, vertreten durch Dr. Harald Burmann ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Alfons Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 1.147,03 EUR brutto sA (Revisionsinteresse 1.076,88 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. September 2011, GZ 13 Ra 18/11m-16, womit das (End-)Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. April 2011, GZ 48 Cga 218/10i-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Berufungsentscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts in seinem klagestattgebenden Teil einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 436,27 EUR (darin 72,71 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 299,57 EUR (darin 49,93 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte betreibt aufgrund eines Vertrags mit der Stadtgemeinde W***** den City-Bus-Verkehr auf fünf Linien, wofür sie eine Pauschalabgeltung erhält. Zum Einsatz kommen mehrere City-Busse mit einer Länge von 10 m, die durchwegs weniger als 50 Sitzplätze haben. Mit dem Fahrscheinverkauf und der Fahrscheinkontrolle ist die Beklagte nicht befasst. Der Fahrscheinverkauf wird von der Stadtgemeinde W***** über Automaten vorgenommen. Kontrollorgane nehmen die Fahrscheinkontrolle vor.

Der Kläger ist seit 26. 6. 2007 bei der Beklagten als Busfahrer im Linienverkehr in W***** beschäftigt. Er lenkt - ohne Beisein eines weiteren Bediensteten - einen City-Bus (25 Sitz- und 31 Stehplätze; Gesamtlänge 10 m). Der Kläger war im Jahr 2010 weder mit Aufgaben des Fahrscheinverkaufs noch mit der Fahrscheinkontrolle befasst. Das Arbeitsverhältnis unterliegt dem Bundes-Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage - neben einem im Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Feiertagsentgelt - den Betrag von 1.076,88 EUR brutto sA als Erschwerniszulage für die Monate Juni bis November 2010. Diese Zulage gebühre gemäß dem anzuwendenden Kollektivvertrag unter anderem dann, wenn ein Kraftfahrer - wie der Kläger - im „Linienverkehr bei Einmannbetrieb“ (dh ohne Schaffner) eingesetzt werde.

Die Beklagte bestreitet das Klagevorbringen, beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und wendet ein, dass Busfahrer im Linienverkehr die Erschwerniszulage - sofern sie nicht einen Bus mit mehr als 50 Sitzplätzen oder mit einer Länge von mehr als 10,90 m lenken - nur dann erhalten, wenn sie auch das Inkasso bezüglich der Fahrscheine vorzunehmen haben. Dies sei beim Kläger nicht der Fall. Früher sei dieses Verständnis des Kollektivvertrags völlig klar gewesen und außer jeder Diskussion gestanden. Nun sei die Regelung im Kollektivvertrag missverständlich und gebe den tatsächlichen Zustand nicht mehr problemlos wieder. Ursprünglich seien die Linienbusse - wie Straßenbahnen - grundsätzlich mit zwei Personen besetzt gewesen. Eine Person sei für das Lenken des Busses, die zweite Person sei für den Verkauf der Fahrscheine zuständig gewesen. In der Folge seien die Aufgaben der zweiten Person vom Lenker übernommen worden. Dafür sei die Erschwerniszulage im Linienverkehr eingeführt worden. Etwa ab 1990/1991 seien Kraftfahrlinien teilweise auch von Städten und Gemeinden betrieben worden. Ein Fahrscheininkasso durch die Lenker sei in diesen Fällen nicht mehr erforderlich gewesen; es seien auch Dauer-Fahrscheine eingeführt worden. Dies habe dazu geführt, dass Lenkern im Linienverkehr ohne Inkasso keine Erschwerniszulage mehr zugestanden sei. In der Folge sei es bei Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern unter anderem darum gegangen, die Erschwerniszulage in den Stundenlohn aufzunehmen oder überhaupt zu beseitigen. Zu einer Einigung über eine Neuregelung sei es allerdings nicht gekommen. Man sei übereingekommen, dass sich am Kollektivvertrag nichts ändere, es also bei der bisherigen Formulierung bleibe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zahlung der Erschwerniszulage von 1.076,88 EUR brutto sA statt, während es das darüber hinausgehende, im Revisionsverfahren nicht relevante Feiertagsentgelt von 70,15 EUR brutto sA rechtskräftig abwies. Unter Zugrundelegung des vorstehend wiedergegebenen Sachverhalts ging es in rechtlicher Hinsicht davon aus, dass dem Kläger die begehrte Erschwerniszulage für Juni bis November 2010 gebühre, weil er von der Beklagten im Linienverkehr im Einmannbetrieb eingesetzt worden sei. Die Einschränkung der Beklagten, dass die Erschwerniszulage von Inkasso- oder zusätzlichen Kontrolltätigkeiten abhänge, habe im Kollektivvertrag keine Grundlage. Die Kollektivvertragsparteien hätten mehrere Jahrzehnte lang Zeit gehabt, eine solche Einschränkung im Kollektivvertrag aufzunehmen, wenn sie diese tatsächlich gewollt hätten.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten gegen den klagestattgebenden Teil erhobenen Berufung Folge und änderte das Ersturteil im Sinn der Abweisung der begehrten Erschwerniszulage ab. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil der Auslegung des Kollektivvertrags zufolge Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme. In rechtlicher Hinsicht sei davon auszugehen, dass eine Erschwerniszulage gemäß Punkt 7 lit a des Kollektivvertrags nur dann zustehe, wenn mit der Tätigkeit des Lenkens eines Autobusses eine Erschwernis einhergehe, die nicht schon grundsätzlich mit der Aufgabenbewältigung verbunden sei. Das Aufgabenfeld einer mit dem Betrieb eines Autobusses im Linienverkehr betrauten Person könne sich abstrakt - unter Vernachlässigung ordnender Tätigkeit, die jede Person treffe - nur auf das Lenken des Fahrzeugs einerseits und auf die Vornahme von Inkasso- und Fahrscheinkontrolltätigkeiten andererseits erstrecken. Beziehe man daher auch das Vorhandensein einer „Erschwernis“ ein, dann könne unter „Einmannbetrieb“ nur eine Person verstanden werden, die beide Aufgaben erfülle. Dies sei beim Kläger, der sich auf das Lenken eines Fahrzeugs (und allenfalls vereinzelt erforderliche Ordnungstätigkeiten) beschränke, nicht der Fall. Folge man der Auslegung des Klägers, käme es zu einer Ungleichbehandlung. Zwar erhielten dann auch Personen, die nur mit dem Lenken eines Fahrzeugs befasst seien, die Erschwerniszulage. Die Erschwernis, die mit den zusätzlichen Inkasso- und Fahrscheinkontrolltätigkeiten verbunden sei, bliebe aber unabgegolten. Dass die Kollektivvertragsparteien der Entwicklung des Autobusbetriebs bisher nicht Rechnung getragen haben, könne verschiedene Ursachen haben. Aus deren Untätigkeit könne aber ein verlässlicher Schluss nicht gezogen werden.

Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem restlichen Klagebegehren von 1.076,88 EUR brutto sA stattzugeben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, weil sich die Auslegung des Kollektivvertrags aus dem Gesetz ergebe; hilfsweise möge der Revision nicht Folge gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist auch berechtigt.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet unstrittig der Bundes-Kollektivvertrag für Dienstnehmer in den privaten Autobusbetrieben (im Folgenden kurz KollV) Anwendung. Im Revisionsverfahren geht es um den Anspruch des Klägers auf Erschwerniszulage für die Monate April bis November 2010. Gemäß Abschnitt XI. Punkt 1. KollV bildet die im II. Teil als Anhang enthaltene „Lohnordnung“ einen integrierenden Bestandteil des Kollektivvertrags. Punkt 7. der Lohnordnung (in der Fassung ab 1. 1. 2010) regelt verschiedene Zulagen, namentlich neben einem Zuschlag für Nachtstunden die Erschwernis-, die Schicht- und die Schmutzzulage. Die Regelung lautet bezüglich der Erschwerniszulage wie folgt:

7. ZULAGEN

a) Kraftfahrern, die einen Autobus mit Anhänger oder einen Autobus, welcher mit mehr als 50 Sitzen (ausgenommen dem Lenkersitz) ausgestattet ist bzw. dessen Gesamtlänge mehr als 10,90 m beträgt, lenken, oder Kraftfahrern, die im Linienverkehr bei Einmannbetrieb eingesetzt sind, gebührt eine Erschwerniszulage von Euro 0,84 pro Stunde. Diese Erschwerniszulage gebührt für die gesamte Einsatzzeit, gelangt jedoch, auch wenn mehrere der obgenannten Merkmale zutreffen, nur einmal zur Auszahlung.

b) ...

c) ...

d) Kraftfahrern, die einen Autobus mit mehr als 13 Metern Gesamtlänge, einen Gelenkbus oder einen Stockbus lenken, gebührt anstelle der in Ziffer a) genannten Zulage eine Erschwerniszulage von Euro 1,03 pro Stunde.

e) ...

Nach der vorstehenden Bestimmung gebührt also Kraftfahrern, die einen Autobus lenken, in den folgenden sieben Fällen eine Erschwerniszulage, und zwar in vier Fällen eine Erschwerniszulage in der Höhe von 0,84 EUR pro Stunde (1.-4.), in drei weiteren Fällen eine Erschwerniszulage in der Höhe von 1,03 EUR pro Stunde (5.-7.):

1. Kraftfahrer, die einen Autobus mit Anhänger lenken;

2. Kraftfahrer, die einen Autobus, der mit mehr als 50 Sitzen (ausgenommen dem Lenkersitz) ausgestattet ist, lenken;

3. Kraftfahrer, die einen Autobus, dessen Gesamtlänge mehr als 10,90 m beträgt, lenken;

4. Kraftfahrer, die im Linienverkehr bei Einmannbetrieb eingesetzt sind;

5. Kraftfahrer, die einen Autobus, dessen Gesamtlänge mehr als 13 m beträgt, lenken;

6. Kraftfahrer, die einen Gelenkbus lenken;

7. Kraftfahrer, die einen Stockbus lenken.

Während die Fälle 1.-3. und 5.-7. nicht zwischen Buslenkern im Gelegenheitsverkehr und Buslenkern im Linienverkehr unterscheiden, kommt der 4. Fall („Einmannbetrieb“) nur im Linienverkehr in Betracht.

„Kraftfahrlinienverkehr“ ist die regelmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durch Personenkraftverkehrsunternehmer in einer bestimmten Verkehrsverbindung, wobei Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen aufgenommen und abgesetzt werden (§ 1 Abs 1 Kraftfahrliniengesetz, BGBl I 1999/203). „Gelegenheitsver-kehr“ ist die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen, ausgenommen die gewerbsmäßige Beförderung von Personen im Kraftfahrlinienverkehr (§ 1 Abs 1 Gelegenheitsverkehrs-Gesetz 1996, BGBl I 1996/112).

Der KollV definiert nicht näher, was er unter „Einmannbetrieb“ versteht. Einigkeit besteht darüber, dass nach dem allgemeinen Sprachgebrauch vom „Einmannbetrieb“ eines Autobusses dann gesprochen werden kann, wenn der Betrieb des Autobusses mit nur „einem Mann“ (einer Person) besorgt wird. Die Beklagte räumt nun zwar ein, dass der Kläger im Linienverkehr jeweils allein zum Einsatz komme. Sie meint aber, dass es sich dabei um keinen „Einmannbetrieb“ im Sinn des KollV handle. Das Berufsbild des Busfahrers habe sich nämlich im Lauf der Zeit gewandelt, sodass der seinerzeitige Regelfall des „Zweimannbetriebs“ (Busfahrer und Schaffner) im städtischen Linienverkehr kaum mehr vorkomme. Im Zuge der Entwicklung vom Zweimannbetrieb der Vergangenheit zur heutigen Situation, bei der der Fahrscheinverkauf vorwiegend über Automaten erfolge und die Fahrscheine von Kontrolloren nur mehr stichprobenweise kontrolliert werden, habe es auch eine Zeit gegeben, in der der Fahrscheinverkauf und die Fahrscheinkontrolle von den Busfahrern (ohne Vorhandensein auch eines Schaffners) vorgenommen worden sei. Für diese Situation sei der hier strittige Fall der Erschwerniszulage („Linienverkehr bei Einmannbetrieb“) im KollV vorgesehen gewesen. Dieser Fall liege jedoch beim Kläger, der nicht auch mit dem Fahrscheinverkauf und der Fahrscheinkontrolle befasst sei, nicht vor.

Die Überlegungen der Beklagten, denen das Berufungsgericht gefolgt ist, überzeugen nicht. Auszugehen ist davon, dass die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers, auszulegen sind (RIS-Justiz RS0008782 ua). Den Kollektivvertragsparteien darf dabei grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS-Justiz RS0008828 ua). Maßgeblich ist, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088 ua), nicht was der Normgeber später unverbindlich geäußert hat (RIS-Justiz RS0010089 [T12] ua). Denn die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, die die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat. Auf Verhandlungsprotokolle und sonstige Aufzeichungen der Kollektivvertragsparteien kann daher, soweit sie im Vertragstext nicht ihren Niederschlag gefunden haben, nicht Bedacht genommen werden (RIS-Justiz RS0010089 [T6] ua). So wie es nicht Sache der Rechtsprechung ist, eine unbefriedigende Regelung des Gesetzes zu korrigieren, darf auch einem Kollektivvertrag nicht zu diesem Zweck eine Deutung gegeben werden, die dem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut zuwiderliefe (9 ObA 33/11k mwN ua).

Nach Punkt 7. der Lohnordnung des KollV gebührt Busfahrern unter bestimmten Voraussetzungen eine Erschwerniszulage. Der KollV stellt dabei nicht nur allgemein auf „schwere“ Tätigkeiten ab, sondern benennt ausdrücklich jene Situationen, bei denen die Kollektivvertragsparteien erkennbar davon ausgegangen sind, dass die Arbeitsbedingungen schwerer sind als in den sonstigen, im KollV nicht benannten Situationen. Punkt 7. der Lohnordnung stellt dabei vor allem auf bestimmte Autobusse (zB Gelenkbus) oder eine bestimmte Ausgestaltung des Autobusses (zB bestimmte Zahl von Sitzplätzen) ab. Auch für eine bestimmte Betriebsart, nämlich den „Linienverkehr bei Einmannbetrieb“, wird die Erschwerniszulage vorgesehen. Liegt in der Praxis eine dieser Situationen vor, dann gebührt dem Busfahrer eine Erschwerniszulage. Eine weitere Prüfung, ob trotz Vorliegens einer der im KollV benannten Situationen im Einzelfall tatsächlich schwere Arbeitsbedingungen herrschen, ist im KollV nicht vorgesehen (vgl 4 Ob 174/85 ua).

Der KollV geht also bei der Betriebsart „Linienverkehr bei Einmannbetrieb“ davon aus, dass regelmäßig schwere Arbeitsbedingungen vorliegen, für die dem Busfahrer eine Erschwerniszulage gebührt. Worauf sich diese Annahme gründet, wird im KollV nicht weiter erläutert. Aus der Beschränkung auf den „Linienverkehr bei Einmannbetrieb“ kann aber darauf geschlossen werden, dass weder für den „Linienverkehr bei Zweimannbetrieb“ noch für den „Gelegenheitsverkehr bei Einmannbetrieb“ eine Erschwerniszulage gebührt. Diese Betriebsarten werden offenbar als leichter als der „Linienverkehr bei Einmannbetrieb“ qualifiziert. Dass der „Zweimannbetrieb“ als leichter angesehen wird als der „Einmannbetrieb“, kann damit erklärt werden, dass beim Zweimannbetrieb die sonst für eine Person anfallenden Aufgaben auf zwei Personen verteilt werden können. Dies kann beispielsweise den von der Beklagten genannten Fahrscheinverkauf oder die Fahrscheinkontrolle betreffen; dies kann sich aber auch auf andere Aufgaben beziehen, die im Autobus anfallen können (zB Aufsicht im Bus; Überwachung des sicheren Ein- und Aussteigens; Erteilung von Auskünften etc). Da auch für den Gelegenheitsverkehr bei Einmannbetrieb keine Erschwerniszulage gebührt, ist davon auszugehen, dass der Gelegenheitsverkehr von den Kollektivvertragsparteien als weniger schwer als der Linienverkehr angesehen wird. Auch insoweit besteht der Unterschied nicht nur im Fahrscheinverkauf oder der Fahrscheinkontrolle, die sich beim Gelegenheitsverkehr von vornherein anders als im Linienverkehr gestalten. Wie schon oben erwähnt, liegt der Unterschied zwischen Linienverkehr und Gelegenheitsverkehr vor allem darin, dass bei ersterem im Rahmen einer bestimmten Verkehrsverbindung Fahrgäste an vorher festgelegten Haltestellen aufgenommen und abgesetzt werden. Das häufige Ein- und Aussteigen der Fahrgäste kennzeichnet somit den Linienverkehr. Dass mit der stärkeren Fluktuation der Fahrgäste das Sicherheitsrisiko insgesamt höher ist als beim Gelegenheitsverkehr, bedarf keiner besonderen Erörterung. Mit dem Sicherheitsrisiko steigen aber die Anforderungen und die Verantwortung des Busfahrers im Linienverkehr bei Alleinbetrieb, weil er das Einsteigen und Aussteigen der Fahrgäste, das meist nicht nur über eine einzige Türe des Busses erfolgt, allein überwachen muss.

Dass sich im Lauf der Zeit der Fahrscheinverkauf und die Fahrscheinkontrolle mit Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen der Busfahrer gewandelt haben, ist nicht weiter strittig. Dennoch haben die Kollektivvertragsparteien, die gewöhnlich in genauer Kenntnis von geänderten Arbeitsbedingungen sind, auch bei den jüngsten Änderungen der Lohnordnung an der Gewährung der Erschwerniszulage für die Betriebsart „Linienverkehr bei Einmannbetrieb“ festgehalten, ohne die der Beklagten vorschwebende Einschränkung der Zulage auf Busfahrer, die auch mit den Aufgaben des Fahrscheinverkaufs und der Fahrscheinkontrolle befasst sind, in den KollV aufzunehmen oder eine sonstige abweichende authentische Interpretation vorzunehmen (vgl RIS-Justiz RS0010089 [T12] ua). Den Kollektivvertragsparteien kann beim Festhalten am bisherigen Regelungswortlaut trotz Wandels der Arbeitsbedingungen nicht von vornherein eine gänzlich unsachliche Wertung oder eine nicht erklärbare Ungleichbehandlung (vgl RIS-Justiz RS0008897 ua) unterstellt werden, wenn man bedenkt, dass sich die Belastung eines Busfahrers im Linienverkehr bei Alleinbetrieb - auch ohne Fahrscheinverkauf und ohne Fahrscheinkontrolle - wie bereits vorstehend ausgeführt nicht im bloßen Lenken des Busses erschöpft. Nach dem Wortlaut und der Systematik der Regelung bestehen für die Normadressaten keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kollektivvertragsparteien in Bezug auf die Gewährung der Erschwerniszulage zwischen Busfahrern im Linienverkehr, die mit dem Fahrscheinverkauf und der Fahrscheinkontrolle befasst sind, und Busfahrern, die nicht mit diesen Aufgaben befasst sind, unterscheiden wollten. Die Kollektivvertragsparteien haben einen derartigen Willen auch sonst nicht verbindlich zum Ausdruck gebracht (vgl 9 ObA 94/10d ua). Vom Regelungswortlaut der Lohnordnung bezüglich der Erschwerniszulage, der über die einschränkende Auslegung der Beklagten hinausgeht, ist daher weiterhin auszugehen. Für eine teleologische Reduktion besteht keine verlässliche Grundlage (vgl 9 ObA 142/93 ua).

Zusammenfassend besteht der Anspruch des Klägers auf Gewährung der Erschwerniszulage nach der Lohnordnung des KollV zu Recht. Seiner Revision ist daher Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinn der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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