OGH 9ObA94/10d

OGH9ObA94/10d22.10.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni und Dr. Martin Gillinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. R*****, 3. I*****, alle vertreten durch Freimüller/Noll/Obereder/Pilz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei R*****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 1. 576,26 EUR brutto sA, 2. 584,88 EUR brutto sA, 3. 613,30 EUR brutto abzüglich 118,27 EUR netto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juni 2010, GZ 10 Ra 136/09g-24, mit dem infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 29. September 2009, GZ 21 Cga 67/08p, 21 Cga 68/08k, 21 Cga 69/08g-20, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 386,65 EUR (darin enthalten 64,14 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagenden Pflegehelfer begehren eine Infektionszulage in Höhe von 94,37 EUR brutto monatlich nach der Zulagenordnung in Anhang IV.3. des Kollektivvertrags für DienstnehmerInnen der Privatkrankenanstalten Österreichs. Nach den Feststellungen war ihre Tätigkeit mit einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden, weil kranke Menschen betreut werden mussten, die durch ihren geschwächten Gesundheitszustand häufiger an Infektionskrankheiten leiden als andere Menschen. Allerdings entsprach dies dem normalen Maß der Infektionsgefahr eines Krankenpflegers und einer Krankenpflegerin. Eine darüber hinausgehende besondere Infektionsgefahr lag nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat den Zuspruch der Infektionszulage im Ergebnis zutreffend begründet. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Das Berufungsgericht ist hier entsprechend dem Wortlaut des Kollektivvertrags davon ausgegangen, dass eine erhöhte, mit der Tätigkeit verbundene Infektionsgefahr auch den Anspruch auf die Infektionszulage begründet.

Der zufolge § 20 des Kollektivvertrags für die DienstnehmerInnen der Privatkrankenanstalten Österreichs maßgebliche Anhang hat folgenden Aufbau:

Verwendungsgruppen des Krankenpflegepersonals

Verwendungsgruppe A

Verwendungsgruppe B

Verwendungsgruppe C

Verwendungsgruppe D

Verwendungsgruppe E

Verwendungsgruppe F

Im Anhang IV finden sich vorweg die Gehaltstabellen je nach Verwendungsgruppe sowie Dienstjahren und dann folgende „Zulagenordnung“:

pro Monat

 

1.

Oberin

199,23

2.

Stationsschwester

136,31

3.

Gefahren- oder Strahlen- oder Infektions- oder Geriatrie- oder Zystostatikazulage(es gebührt stets nur eine dieser Zulagen, die Geriatriezulage nur in als solchen bezeichneten geriatrischen Abteilungen)

94,37

4.

Erschwerniszulage

a)

für diplomierte Schwestern

56,10

b)

für PflegehelferInnen und SHD mit Prüfung

35,13

5.

Stationsschwesternvertretung (eventuell aliquot)

95,16

6.

Nachtdienstzulage (20 bis 6 Uhr) bis zur vollendeten 4. Stunde

pro Stunde

3,67

Bei einem Dienst von mehr als 4 Stunden

29,26

7.

Sonntagsdienstzulage bis zur vollendeten 4. Stunde

pro Stunde

3,67

Bei einem Dienst von mehr als 4 Stunden

29,26

8.

Anästhesie- und Operationsschwester

105,07

9.

Wachstation- und Intensivzulage

146,80

10.

Hygieneschwesternzulage

994,37

11.

Überstundenpauschale

3,75 % pro Wochenstunde vom KV-Mindestgehalt entsprechend der jeweiligen Einstufung

Davor findet sich das Gehaltsschema für das Verwaltungspersonal und danach jenes für die Arbeiter.

Allgemein ist bei der Auslegung eines Kollektivvertrags der Wortsinn, aber auch die sich daraus ergebende Absicht der Kollektivvertragsparteien zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0010089 mwN). Den Kollektivvertragsparteien kann grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechend praktisch durchführbare Regelung treffen wollten, die einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen soll, sodass jene Auslegung zu wählen ist, die diesen Anforderungen am ehesten entspricht (RIS-Justiz RS0008828 mwN, ebenso RIS-Justiz RS0008897 mwN).

Das Berufungsgericht hat hier ausgehend vom Wortsinn angenommen, dass dies Zulage für eine Tätigkeit mit „erhöhter“ Infektionsgefahr gebührt. Anders als bei der Geriatriezulage sei hier keine Bindung an eine bestimmte Abteilung, etwa „Infektionsabteilung ...“, erfolgt. Bei den Arbeitern seien - anders als hier - bestimmte Zulagen ausdrücklich bestimmten Arbeitnehmerkreisen innerhalb der jeweiligen Verwendungsgruppe vorbehalten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass nur ein noch über dem pflegespezifischen Infektionsrisiko liegendes höheres Infektionsrisiko abgegolten werden sollte. Im Anhang III seien auch Dienstnehmergruppen erfasst, die kein pflegespezifisches Infektionsrisiko haben, wie etwa die Beschäftigungs- und ArbeitstherapiegehilfInnen.

Insgesamt vermag die Revision keine Bedenken an dieser Beurteilung des Berufungsgerichts hervorzurufen.

Die Beklagte hebt selbst hervor, dass es im Anwendungsbereich der Zulagentabelle auch Verwendungen gibt, bei denen im Allgemeinen kein erhöhtes Infektionsrisiko vorhanden ist und bei denen jedoch das Vorliegen eines erhöhten Infektionsrisikos durch den intensiven Kontakt mit kranken Menschen den Anspruch auf die Infektionszulage begründet. Sie verbleibt aber dabei, dass dies bei den Pflegehelfern nicht gelten könne, weil diese schon berufsspezifisch dieses erhöhte Infektionsrisiko hätten und dieses im Grundgehalt abgegolten sei. Dazu kann aber auf die Ausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden. Auch ist nicht einsehbar, woraus sich ergeben sollte, dass die Kollektivvertragsparteien - ohne dies zum Ausdruck zu bringen - für die idente - tätigkeitsbezogene - Zulage unterschiedliche Voraussetzungen festlegen wollten. Wollten die KV-Parteien gerade bei einer der zahlreichen Verwendungen, für die dieses Zulage vorgesehen ist, dieses Risiko bereits mit dem Grundgehalt abgelten und diese Zulage nur unter verschärften Voraussetzungen - etwa der Verwendung in besonders gefährdeten Abteilungen - zuerkennen, so hätten sie dies - wie bei anderen Zulagen auch (Geriatriezulage - Geriatrieabteilung) zum Ausdruck gebracht. Hier spricht der Aufbau des Kollektivvertrags eher dafür, dass das erhöhte Infektionsrisiko für alle von der Zulagenordnung erfassten Arbeitnehmergruppen einheitlich abgegolten werden sollte und daher bei der Festlegung des Grundgehalts auch bei den Arbeitnehmergruppen noch nicht besonders berücksichtigt wurde, bei denen dieses Risiko typischerweise immer vorliegt.

Der Revision war dementsprechend nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.

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