OGH 13Os90/12b

OGH13Os90/12b18.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Haberreiter als Schriftführerin in der Strafsache gegen George G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 20. Juni 2012, GZ 24 Hv 19/12a-59, sowie die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde George G***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „nachts zum 5. Jänner 2012 in I***** den Nourddine B***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er mit einem insgesamt 20 Zentimeter langen Messer (Klingenlänge 8 Zentimeter) auf den Genannten zumindest dreimal einstach, und zwar zumindest einmal in den linken Oberschenkel, einmal in den linken Bereich des Unterbauchs und einmal gegen die Stirn, wodurch Nourddine B***** neben Schnittverletzungen an der Stirn und am linken Unterbauch eine Stichverletzung am linken Oberschenkel mit Durchtrennung von zumindest einem Ast der tiefen Oberschenkelarterie erlitt“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 9 und (gemeint) 10a des § 345 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Soweit sie (aus Z 9) den Wahrspruch als undeutlich bezeichnet, geht sie nicht von dessen Inhalt aus und verfehlt daher den Bezugspunkt des Nichtigkeitsgrundes, indem sie vorbringt, dass „die Zusatzfrage 2 nur dann zu beantworten gewesen wäre“ wenn die Zusatzfrage 1 „verneint worden wäre“: Die Geschworenen haben letztgenannte Frage ohnedies verneint.

Anzumerken ist aber, dass zu mehreren Strafausschließungsgründen im prozessualen Sinn (dazu Schindler, WK-StPO § 313 Rz 1) nur eine einzige Zusatzfrage zu stellen ist (Grundsatz der Totalabstimmung). Der Zweck dieses Grundsatzes, in jenen Fällen, in denen zwar in Summe die Mehrheit der Geschworenen mit einem Freispruch vorgehen will, die einzelnen Geschworenen dabei jedoch von unterschiedlichen Strafausschließungsgründen ausgehen, einen - solcherart dem wahren Willen der Geschworenen widersprechenden - Schuldspruch zu vermeiden (Schindler, WK-StPO § 313 Rz 32, § 317 Rz 19 f), ist aber hier mit Blick auf die Abstimmungsverhältnisse zu den in Rede stehenden Fragen (jeweils eine Ja-Stimme zu sieben Nein-Stimmen) nicht tangiert.

Da die Niederschrift der Geschworenen (ungeachtet der an sie zu stellenden Anforderungen) eine Begründung für die Beweiswürdigung darstellt, kann sie nicht gleichzeitig deren Gegenstand bilden. Demgemäß kann auch - was hier übersehen wird - die Tatsachenrüge (Z 10a) nicht darauf gegründet werden (RIS-Justiz RS0100809, RS0115549).

Überhaupt greift der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld im Einzelrichterverfahren einräumt - wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583). Letzteres unternimmt die Rüge jedoch, soweit sie aus der Verantwortung des Beschwerdeführers und der Aussage eines Zeugen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Angeklagten günstigere Schlüsse als die Geschworenen ableitet.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO).

Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt damit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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