OGH 7Ob131/12h

OGH7Ob131/12h17.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach H***** B*****, verstorben am *****, über den Revisionsrekurs der Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17‑19, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 18. April 2012, GZ 23 R 138/12k‑18, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 16. Februar 2012, GZ 1 A 176/11h‑12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen als unangefochten unberührt bleiben, werden in Ansehung der Forderung der Republik Österreich (Bund) auf Zahlung von Gerichtsgebühren nach TP 7 lit c Z 2 GGG in Höhe von 745 EUR dahin abgeändert, dass

(a) diese Forderung als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt wird,

(b) der Nachlass in diesem Betrag der Republik Österreich zur vollständigen Berichtigung dieser Forderung an Zahlungs statt überlassen wird,

(c) der nach Berichtigung dieser und zwei weiterer bevorrechteter Forderungen verbleibende Nachlass

‑ der Bezirkshauptmannschaft T***** zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von 24.415,02 EUR,

‑ der B***** GmbH zur teilweisen Berichtigung ihrer Forderung von 5,91 EUR,

‑ J***** S***** zur teilweisen Berichtigung seiner Forderung von 100 EUR und

‑ dem Sachwalter R***** B***** zur teilweisen Berichtigung seiner Forderung von 2.663,58 EUR,

jeweils im Verhältnis zur Summe dieser Forderungen, an Zahlungs statt überlassen wird.

Die dadurch erforderliche Änderung der Vollzugs‑ und Auszahlungsanordnung obliegt dem Erstgericht.

Text

Begründung

Der Nachlass von H***** B***** ist überschuldet. An Forderungen wurden angemeldet:

Gebühren des Gerichtskommissärs 1.144,‑ ‑ EUR

Entschädigung und Aufwandersatz des

Sachwalters (für das letzte Jahr vor dem

Tod) 2.592,11 EUR

Gerichtsgebühr für die Prüfung der

Schlussrechnung des Sachwalters

(TP 7 lit c Z 2 GGG) 745,‑ ‑ EUR

Forderung der Bezirkshauptmannschaft

T***** (Pflegeheimkosten) 24.415,02 EUR

Forderung der B***** GmbH 5,91 EUR

Forderung von J***** S***** 100,‑ ‑ EUR

weitere Forderung des Sachwalters 2.663,58 EUR

Das Erstgericht überließ den Nachlass den Gläubigern an Zahlungs statt, und zwar zunächst dem Gerichtskommissär und dem Sachwalter in der jeweils angemeldeten Höhe zur vollständigen Berichtigung ihrer bevorrechteten Forderungen (§ 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Abs 1 Z 1 IO; § 154 Abs 2 Z 2 AußStrG) und sodann der Republik Österreich (Bund) und den übrigen Gläubigern zur verhältnismäßigen Berichtigung ihrer Forderungen (§ 154 Abs 2 Z 3 AußStrG).

Gegen diese Entscheidung richtete sich der Rekurs der Republik Österreich (Bund), die eine vollständige Berichtigung ihrer Gebührenforderung anstrebte.

Das Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Auch wenn die Bestätigung der Schlussrechnung eines Sachwalters zwangsläufig erst nach dem Tod der betroffenen Person erfolgen könne, betreffe sie doch nur das Sachwalterschaftsverfahren. Die in diesem Verfahren angefallene Pauschalgebühr sei mit den Kosten des Verlassenschaftskurators oder des Gerichtskommissärs nicht gleichzusetzen. Die Bestätigung der Schlussrechnung des Sachwalters erspare im Verlassenschaftsverfahren keinen Aufwand, weil das Gericht keine inhaltliche Überprüfung vornehme. § 154 Abs 2 Z 2 AußStrG sehe nur eine Bevorrechtung der Belohnung des Sachwalters vor, soweit diesem für das letzte Jahr vor dem Tod Beträge zuerkannt worden seien. Als der Gesetzgeber im Budgetbegleitgesetz 2009 die Gebühr für die Bestätigung der Rechnungslegung eingeführt habe, habe er keine Veranlassung gesehen, § 154 Abs 2 AußStrG entsprechend zu ändern. Er habe daher eine Privilegierung der Gebühr im Gesetz gerade nicht vorgesehen. Sie sei als allgemeine Forderung im Sinn des § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG nach den bevorrechteten Forderungen nur quotenmäßig zu berichtigen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung gerichtete Revisionsrekurs der Republik Österreich (Bund) ist zulässig und berechtigt:

1. Streitpunkt im gegenständlichen Verfahren ist, in welchem Rang die Pauschalgebühr für die Bestätigung der Pflegschaftsrechnung (TP 7 lit c Z 2 GGG) zu befriedigen ist. Bei der Frage des Befriedigungsrangs von Kosten handelt es sich nach nunmehr herrschender Rechtsprechung nicht um eine Entscheidung im Kostenpunkt (RIS‑Justiz RS0044267 [T2]; RS0007399 [T1]; vgl Zechner in Fasching/Konecny² § 528 ZPO Rz 141; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 528 Rz 38 jeweils mwN). Der Revisionsrekurs ist daher nicht nach § 62 Abs 2 AußStrG jedenfalls unzulässig.

2. Die Revisionsrekurswerberin ist rechtsmittellegitimiert, weil jedem Verlassenschaftsgläubiger das Recht zusteht, die Überlassung an Zahlungs statt und damit auch die in diesem Beschluss erfolgte Art der Aufteilung der vorhandenen Aktiven unter mehrere Gläubiger zu bekämpfen (1 Ob 631/90 mwN; RIS‑Justiz RS0006659).

3. In der Sache hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 21/12d ausgesprochen, dass die Gerichtsgebühr für die Bestätigung der Schlussrechnung des Sachwalters (TP 7 lit c Z 2 GGG) als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO vorrangig zu berichtigen ist. Maßgebender Zeitpunkt für die Qualifikation einer Forderung als Masseforderung ist bei einer Überlassung an Zahlungs statt der Tod des Erblassers (vgl RIS‑Justiz RS0013034; RS0007622 [T5]). Der die Gebührenpflicht auslösende Sachverhalt ist hier die Bestätigung der Schlussrechnung durch das Pflegschaftsgericht, die zwangsläufig nach diesem Zeitpunkt erfolgt. Damit ist der Tatbestand von § 46 Z 2 IO erfüllt.

4. Dieser Rechtsprechung folgend sind die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen unbekämpft geblieben sind, dahin abzuändern, dass die strittige Gebührenforderung als Masseforderung im Sinn von § 154 Abs 2 Z 1 AußStrG iVm § 46 Z 2 IO festgestellt und der Nachlass in diesem Umfang der Republik Österreich (Bund) zur vollständigen Berichtigung ihrer Forderung überlassen wird. Die Zuweisungen an den Gerichtskommissär und den Sachwalter (hinsichtlich seiner bevorrechteten Forderung) bleiben davon unberührt, jene an die übrigen Gläubiger, deren Forderungen unter § 154 Abs 2 Z 3 AußStrG fallen und an die im Verhältnis der Höhe ihrer Forderungen zu verteilen ist, vermindert sich in entsprechender Höhe.

5. Die Änderungen der Vollzugs‑ und Auszahlungsanordnung, die sich aus dieser Entscheidung ergeben, obliegen dem Erstgericht.

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