OGH 11Os106/12s

OGH11Os106/12s9.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. Oktober 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Lendl, Mag. Michel und Dr. Oshidari als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Marko N***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142, 143 erster Fall StGB über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Mai 2012, GZ 024 Hv 24/12s-102a, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Ulrich, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Werner zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, welches im Übrigen unberührt bleibt, in Ansehung des Schuldspruchs I./, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) sowie im darauf bezogenen Zuspruch von 20.450 Euro an die Privatbeteiligte U***** AG aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Marko N***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe am 1. September 2011 in Wien als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Nemanja V***** und Filip P***** sowie weiteren nicht mehr ausforschbaren Mittätern teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, teils mit Gewalt, indem sie nämlich eine Spielzeugpistole auf Rüstü T***** richteten und auf seinen Kopf einschlugen, Gewahrsamsträgern des Juweliergeschäfts E***** fremde bewegliche Sachen, und zwar 50 Stück Goldringe im Wert von 30.600 Euro mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen sowie weiteren Schmuck in nicht mehr feststellbarem Wert wegzunehmen versucht, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

In Ansehung des dem Angeklagten weiterhin zur Last liegenden Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB (Schuldspruch II./) wird über Marko N***** gemäß dem ersten Strafsatz des § 143 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren verhängt.

Die Privatbeteiligte U***** AG wird mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Die Vorhaftanrechnung wird dem Erstgericht überlassen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Marko N***** zu I./ und II./ zweier Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt (zur verfehlten Annahme eines teilweise versuchten und teilweise vollendeten Verbrechens bei zu I./ anzunehmender tatbestandlicher Handlungseinheit vgl 11 Os 51/11a).

Danach hat er in Wien als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12 StGB) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Nemanja V***** und Filip P***** sowie weiteren nicht mehr ausforschbaren Mittätern nachgenannten Personen teils durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, teils mit Gewalt fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen bzw wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

I./ am 1. September 2011 Verfügungsberechtigten des Juweliergeschäfts E*****, indem sie eine Spielzeugpistole auf Rüstü T***** richteten und auf seinen Kopf einschlugen,

a./ 50 Stück Goldringe im Wert von 30.600 Euro weggenommen und

b./ weiteren Schmuck wegzunehmen versucht;

II./ am 7. September 2011 Verfügungsberechtig-ten des Juweliergeschäfts S*****, indem sie eine Spielzeugpistole auf Leopoldine H*****, Elfriede H***** und Michaela Sch***** richteten, Luxusuhren im Wert von 95.107,16 Euro weggenommen.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) behauptet eine unterbliebene Auseinandersetzung mit den Angaben des Angeklagten, er hätte lediglich eine Tat zwecks Bezahlung seiner Schulden durchführen wollen und die - nach seinen Vorstellungen jedenfalls letzte - weitere Tat bloß infolge unzureichender Beute begangen (ON 102 S 4 f).

Damit verkennt der Beschwerdeführer einerseits, dass die problematisierte Anzahl der von ihm geplanten Raubtaten im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach dem klaren Wortlaut des § 278 Abs 3 erster Fall StGB keine entscheidende Tatsache betrifft (die Beteiligung als Mitglied kann eben schon in der Begehung einer strafbaren Handlung bestehen) und ignoriert andererseits die umfassende (US 14-18), auch auf die angesprochene Verantwortung (ON 102 S 5) eingehende (US 17) Auseinandersetzung des Schöffensenats mit den (in der Beschwerde unvollständig wiedergegebenen) Angaben des Angeklagten.

Ausgehend von der Mitwirkung des Angeklagten an (bloß) zwei Raubtaten bestreitet der Beschwerdeführer mit Subsumtionsrüge (Z 10) das Vorliegen des mit dem Begriff der Mitgliedschaft verbundenen Moments einer gewissen Dauer, übergeht damit jedoch die auf US 6 und 12 dazu getroffenen Feststellungen und leitet nicht aus einem Vergleich der getroffenen Konstatierungen mit dem Gesetz ab, aus welchem Grund die Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nicht in der Begehung einer einzigen oder zweier Raubtaten bestehen könne (Plöchl in WK2 § 278 Rz 36 mwN) und es von Bedeutung sei, wann immer auch diese zwischen welchen der jedenfalls mehreren Mitglieder der kriminellen Vereinigung verabredet wurden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - zu verwerfen.

Aus deren Anlass musste sich der Oberste Gerichtshof bei der Ausübung des ihm zustehenden Überprüfungsrechts (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 17) von einer dem Schuldspruch I./ anhaftenden, vom Rechtsmittelwerber nicht geltend gemachten, daher von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO überzeugen.

Grundlage für die mit Beschluss des Justizministeriums von Bosnien und Herzegowina vom 22. Dezember 2011, Zl: 07-14-7-13135/11, genehmigte Auslieferung des am 20. Dezember 2011 in Ljubovija festgenommen Angeklagten Marko N***** war der von der Staatsanwaltschaft Wien ausgestellte Europäische Haftbefehl vom 12. Dezember 2011 (ON 26), welcher auf einer gerichtlichen Bewilligung der Anordnung der Festnahme durch das Landesgericht für Strafsachen Wien beruht. Danach stand Marko N***** im Verdacht, gemeinsam mit Filip P***** und Nemanja V***** sowie weiteren unbekannten Tätern am 7. September 2011 in Wien das Juweliergeschäft S***** unter Verwendung einer Waffe überfallen und 49 hochpreisige Markenuhren geraubt zu haben, wodurch ein Gesamtschaden von 95.107,16 Euro entstand.

Die nunmehr zum Schuldspruch I./ angelastete Tathandlung ist im Europäischen Haftbefehl nicht erwähnt.

Gemäß Art 14 Abs 1 des (fallbezogen anzuwendenden) Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957 (BGBl Nr 1969/320), welcher durch das Zweite Zusatzprotokoll zum genannten Übereinkommen vom 17. März 1978 (BGBl Nr 1983/297) keine Änderung erfahren hat, und gemäß dem im Wesentlichen gleichlautenden Art 17 Abs 1 des nunmehr für Bosnien und Herzegowina geltenden Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über die Auslieferung (BGBl Nr 1983/546) darf die ausgelieferte Person wegen einer anderen, vor der Übergabe begangenen Handlung als jener, die der Auslieferung zugrunde liegt (abgesehen von den aktuell nicht vorliegenden Ausnahmefällen der lit a) und b) leg cit) nicht verfolgt, abgeurteilt, zur Vollstreckung einer Strafe oder Maßnahme der Sicherung und Besserung in Haft gehalten oder einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden.

Der Beschluss des Justizministeriums der Republik Bosnien Herzegowina vom 22. Dezember 2011 genehmigt die Auslieferung des Angeklagten ausdrücklich nur unter der Bedingung, dass gegen diesen keine Strafverfolgung wegen einer anderen vor der Auslieferung begangenen strafbaren Handlung erfolgen und gegen diesen auch keine Strafe vollzogen werden kann, die wegen einer anderen vor der genehmigten Auslieferung begangenen strafbaren Handlung verhängt wurde. Die unter anderem aus Mitteilungen der Interpol ersichtliche Zustimmung des Angeklagten zur Auslieferung im vereinfachten Verfahren (ON 59 S 2, ON 60 S 3, S 2 des Beschlusses des Justizministeriums der Republik Bosnien Herzegowina vom 22. Dezember 2011) entfaltet daher hier in Ansehung des Spezialitätsgrundsatzes keine Bedeutung (vgl sonst RIS-Justiz RS0087126 und RS0073377; Murschetz, Auslieferung und Europäischer Haftbefehl, 149).

Zum Schuldspruch I./ leidet das Ersturteil zufolge Vorkommens des erwähnten Beschlusses in der Hauptverhandlung an einem Feststellungsmangel und war daher zu kassieren.

Aus den Akten ist festzuhalten (Ratz, WK-StPO § 288 Rz 40, 43, 44; 13 Os 19/08f, EvBl 2010/13, 85), dass die in Rede stehende Tat in dem vorerwähnten Haftbefehl nicht angeführt ist und somit auch die Auslieferungsbewilligung durch Bosnien und Herzegowina dieses Raubfaktum nicht umfasst. Damit steht einem diesbezüglichen Schuldspruch des Angeklagten der Grundsatz der Spezialität der Auslieferung entgegen. Mangels aktenkundigen Hinweises auf ein zum Urteilszeitpunkt noch anhängiges Nachtragsauslieferungsverfahren (RIS-Justiz RS0098426 [T3, T5, T9]), war insofern - wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte - mit Teilfreispruch vorzugehen.

Für den verbleibenden Schuldspruch II./ war die Strafe nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB neu zu bemessen.

Dabei war erschwerend der hohe Schaden und die Intensivierung der Drohung mit einer Waffenattrappe, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und das teilweise Geständnis des Angeklagten.

Die aus dem Spruch ersichtliche Sanktion entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Tat und genügt präventiven Erfordernissen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Strafneubemessung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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