OGH 10ObS133/12z

OGH10ObS133/12z2.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Horst Nurschinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 18. Juli 2012, GZ 7 Rs 49/12w‑34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2012:010OBS00133.12Z.1002.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Die Klägerin macht in ihrer außerordentlichen Revision im Wesentlichen geltend, die Vorinstanzen seien von der unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen, dass sie als „Tänzerin einer anderen Sparte“ keinen Berufsschutz genieße, obwohl der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 407/02d ausgesprochen habe, dass bei einem Balletttänzer Berufsschutz bestehe. Weshalb eine „Analogie“ der Tätigkeit der Klägerin mit jener eines Balletttänzers verneint werde, sei nicht erkennbar.

2. Dabei beruft sich die Klägerin darauf, dass sie im Zeitraum von 1968 bis 1973 eine Ausbildung in der Ballettschule „Dia Lucia“ absolviert und „in weiterer Folge“ bis 2008 (sowohl selbständig als auch unselbständig) als Tänzerin in verschiedenen Sparten (Ballett, Stepdance, Modern Jazz, Showtanz, Musical) tätig gewesen sei.

3. Nach den Feststellungen hat die am 19. 8. 1955 geborene Klägerin jedoch keinen Beruf erlernt, sondern übte rund 7 Jahre näher festgestellte „künstlerisch-tänzerische“ Tätigkeiten aus (ua auch für eine Künstleragentur sowie durch Erteilung von Ballettunterricht); wobei sie in der Zeit vom 1. 4. 2003 bis 8. 2. 2010 weder als Angestellte noch als Selbständige oder als Arbeitslose gemeldet war.

3.1. Nach ihrem Leistungskalkül kann sie nicht nur auf eine Reihe von im Einzelnen angeführten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden; sie ist vielmehr im Rahmen derselben Branche ihrer künstlerischen Angestelltentätigkeit auch auf Organisationstätigkeiten in Künstleragenturen, in Vermittlungsagenturen oder auch im Veranstaltungsbereich verweisbar.

Rechtliche Beurteilung

4. Nach ständiger Rechtsprechung stellen die Feststellung der Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte verfügt (also auch des Leistungskalküls), ebenso wie die Frage, welche Voraussetzungen für die Ausübung eines bestimmten Berufs erforderlich sind und mit welchen Anforderungen dieser Beruf verbunden ist, eine irrevisible Tatfrage dar (RIS-Justiz RS0084563 [T11]; RS0084638 [T30]; 10 ObS 64/11a mwN).

4.1. Die Rechtsmittelwerberin bekämpft also in Wahrheit die ‑ in dritter Instanz nicht mehr angreifbaren - (Negativ-)Feststellungen der Tatsacheninstanzen, wonach keine qualifizierte Ausbildung oder Berufsqualifikation der Rechtsmittelwerberin als Balletttänzerin oder Ballettlehrerin feststellbar waren. Auf den daraus abgeleiteten Berufsschutz kann sich die Klägerin somit nicht berufen.

5. Die außerordentliche Revision missversteht weiterhin aber auch die Entscheidung 10 ObS 407/02d, SSV‑NF 17/18, weil die Verweisbarkeit der Klägerin auch dann mit den dort dargelegten Grundsätzen ständiger Rechtsprechung in Einklang stünde, wenn ihr Berufsschutz als Tänzerin zu bejahen wäre: Wurde doch gerade in dieser Entscheidung ein tatsächlich ausgebildeter Balletttänzer im Rahmen seiner Angestelltentätigkeit als verweisbar beurteilt wie folgt:

5.1. „Bei der Bestimmung des Verweisungsfeldes ist der Umstand ins Kalkül zu ziehen, dass die Tätigkeit als aktiver Balletttänzer nicht bis zum Regelpensionsalter ausgeübt werden kann. Entspricht es der üblichen Berufslaufbahn, dass ein Balletttänzer nach Beendigung seiner aktiven Berufslaufbahn als Choreograph, Tanzschullehrer oder in ähnlichen einschlägigen Berufen tätig ist, muss auch eine Verweisung des Versicherten auf solche Tätigkeiten als zulässig angesehen werden.“

5.2. Da die Klägerin nach den Feststellungen ohnehin noch Organisationstätigkeiten in Künstleragenturen, in Vermittlungsagenturen oder auch im Veranstaltungsbereich verrichten kann, also gerade jene Tätigkeiten, die in der zitierten Entscheidung als mögliche Verweisungstätigkeiten eines ausgebildeten Balletttänzers angesprochen werden, zeigt die außerordentliche Revision auch in diesem Zusammenhang keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Stichworte