OGH 7Ob151/12z

OGH7Ob151/12z26.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** S*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Kramer und Dr. Norbert P. Tischitz, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei E***** H*****, vertreten durch Mag. Ingomar Arnez und Mag. Klaus Nagele, Rechtsanwälte in Villach, wegen 4.720 EUR sA und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 29. März 2012, GZ 2 R 57/12b-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Villach vom 2. Jänner 2012, GZ 8 C 552/10p-33, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Beklagte stellte einen 7 kg schweren Karton mit Fladenbroten, die die Klägerin in ihrer Bäckerei gekauft hatte, auf einem Stehtisch ab, der dort seit 2004 aufgestellt war. Er wies auf Grund seiner Konstruktion eine relativ geringe Kippsicherheit auf, weshalb ein erhöhtes Unfallrisiko bestand. Als die Klägerin den Karton zu sich herzog, kippte der Tisch um und seine Marmorplatte verletzte die Klägerin am linken Fuß.

Das Berufungsgericht bejahte wie das Erstgericht die Haftung der Beklagten und bestätigte das Ersturteil, das der auf Zahlung und Feststellung gerichteten Schadenersatzklage stattgab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine oberstgerichtliche Judikatur zu der Frage bestehe, inwieweit Ö-Normen (hier: betreffend die Anforderungen an Tische für den Nicht-Wohnbereich) auf früher verwirklichte Sachverhalte (hier die Anschaffung des Tisches) rückwirkten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil hier keine Rechtsfrage zur Beurteilung vorliegt, der über den Einzelfall hinausgehend Bedeutung zukommt.

Gemäß § 510 Abs 3 ZPO kann sich die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Die Frage der Anwendbarkeit der - ohnedies nicht verbindlichen (vgl RIS-Justiz RS0038622) Ö-Norm EN 15372 auf den vorliegenden Fall ist hier nicht entscheidend. Unabhängig davon, ob die Beklagte auf Grund der erstmals in dieser Ö-Norm vom 1. 12. 2005 festgelegten Sicherheitsvorschrift, der der Stehtisch nicht entsprochen hat (Drückkraft lediglich 16 kg anstatt 20 kg), verpflichtet gewesen wäre, die Einrichtung ihres Geschäftslokals entsprechend zu adaptieren, ist die Ansicht der Vorinstanzen, die Beklagte habe gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen, im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden.

Den Inhaber eines Geschäfts trifft gegenüber jener Person, die das Geschäft in Kaufabsicht betritt, die (vor-)vertragliche Pflicht, für die Sicherheit des Geschäftslokals zu sorgen (RIS-Justiz RS0016407). Der Geschäftsinhaber hat die seiner Verfügung unterliegenden Anlagen, die er dem Kunden zur Benützung einräumt, in verkehrssicherem und gefahrlosem Zustand zu halten. Bei eintretenden Schäden ist er dafür beweispflichtig, nicht schuldhaft gehandelt zu haben (RIS-Justiz RS0016402). Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Entscheidend ist vor allem, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind (RIS-Justiz RS0110202). Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht (das heißt ohne genaue Betrachtung) erkennbar ist (RIS-Justiz RS0114360). Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich vor allem danach, in welchem Maß die Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen können (RIS-Justiz RS0023726). Die Verkehrssicherungspflicht findet ihre Grenze in der Zumutbarkeit (RIS-Justiz RS0023397, RS0023487).

Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht und das Maß der Zumutbarkeit geeigneter Vorkehrungen gegen einen Schadenseintritt richten sich jeweils nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0029874). Darin, dass die Vorinstanzen der Beklagten eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten anlasteten, weil sie den Karton mit Brot auf den konstruktionsbedingt wenig kippsicheren Tisch abstellte, wodurch ein erhöhtes Unfallrisiko bewirkt wurde, stellt nach den Umständen des Einzelfalls keine Fehlbeurteilung dar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision mangels erheblicher Rechtsfrage hingewiesen.

Stichworte