OGH 14Os53/12v

OGH14Os53/12v25.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Scheickl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dr. Anton B***** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 30. August 2011, GZ 601 Hv 18/10p-75, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Anton B***** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (I) und des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in Klosterneuburg und anderen Orten Österreichs

(I) von 2001 bis 2009 (1 und 2) und von 2006 bis 2009 (3) die ihm durch Beschlüsse der Bezirksgerichte Tulln und Klosterneuburg, mit denen er in Pflegschaftsverfahren zum Sachwalter bestellt worden war, eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Besachwalterten zu verfügen, wissentlich missbraucht, indem er wiederholt diesen gehörende Geldbeträge für eigene Zwecke verwendete, und dadurch die Besachwalterten um insgesamt mehr als 50.000 Euro am Vermögen geschädigt, nämlich

1) Evelyne S***** um zumindest 11.615,67 Euro;

2) Hermann T***** um zumindest 51.937,60 Euro;

3) Mag. Anna-Maria W***** um 22.730 Euro;

(II) sich ein anvertrautes Gut, dessen Wert 3.000 Euro übersteigt, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem er ihm als Rechtsvertreter der Geschädigten zur Weiterleitung an seine Mandanten, an das Grundbuchsgericht und das Finanzamt oder als Akontozahlung übergebene Bargeldbeträge in Höhe von insgesamt 28.557,48 Euro für sich behielt, und zwar

1) zwischen Dezember 2009 und 10. Februar 2010 eine für Christine F***** bestimmte Versicherungsleistung in Höhe von 5.320,40 Euro;

2) nach dem Mai 2008 eine für Peter Be***** bestimmte Versicherungsleistung in Höhe von 7.500 Euro;

3) im August 2009 einen von Dr. Kurt V***** zur Bezahlung von Grunderwerbsteuer beim Finanzamt und Grundbuchseintragungsgebühr beim Grundbuchsgericht übernommenen Betrag von insgesamt 1.280 Euro;

4) nach dem 20. Oktober 2009 eine für Doris D***** bestimmte Versicherungsleistung in Höhe von 4.697 Euro;

5) nach dem 29. April 2009 einen von Dr. Klaus G***** zur Bezahlung von Grunderwerbsteuer beim Finanzamt und Grundbuchseintragungsgebühr beim Grundbuchsgericht übernommenen Betrag von insgesamt 2.479 Euro;

6) nach dem 21. Oktober 2009 einen von Tatjana Bo***** als Akontozahlung für deren Rechtsvertretung im Verfahren AZ 14 C 541/07y des Bezirksgerichts Klosterneuburg übergebenen Betrag von 4.555,08 Euro;

7) nach dem 2. März 2009 einen von Eva H***** zur Bezahlung von Grunderwerbsteuer beim Finanzamt und Grundbuchseintragungsgebühr beim Grundbuchsgericht übernommenen Betrag von insgesamt 2.726 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus dem Grund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Unvollständig (§ 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Zur prozessförmigen Darstellung der Nichtigkeitsbeschwerde müssen daher insoweit die Ergebnisse des Beweisverfahrens, die das Erstgericht nach Ansicht des Beschwerdeführers übergangen hat, deutlich und bestimmt sowie - jedenfalls bei wie hier vorliegenden umfangreichen Akten - unter Angabe der Fundstelle bezeichnet werden (RIS-Justiz RS0118316, RS0124172). Diesen Anforderungen wird die Mängelrüge mit vagen Hinweisen auf die Angaben der Geschädigten, die „vorliegenden Akten“ und „Unterlagen“, „insbesonders“ die „Rechnungslegungs-berichte“ nicht gerecht.

Davon abgesehen stellen fortlaufende Leistungen des Angeklagten an den Vertrauensschadens-Fonds der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich - dem Beschwerde-standpunkt zuwider - keinen „präsenten Deckungsfonds“ dar (vgl dazu RIS-Justiz RS0094326, RS0094486, RS0094364, RS0094428), wobei selbst das Bestehen eines solchen nicht von der Strafbarkeit nach § 153 StGB befreien würde (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153 Rz 40).

Mit der Berufung auf (angebliche) vollständige Befriedigung auch der durch die Untreuehandlungen des Beschwerdeführers Geschädigten (I) durch diesen Fonds, wird vielmehr - weil der Tatbestand bereits mit dem Eintritt des vom Vorsatz des Täters umfassten (vgl US 19), auch bloß vorübergehenden (RIS-Justiz RS0094737, RS0099015) Vermögensnachteils beim Vertretenen (hier demnach mit der Zueignung des Geldes) vollendet ist (Kirchbacher/Presslauer in WK² § 153 Rz 36) - spätere Schadensgutmachung und damit bloß eine Strafzumessungstatsache angesprochen.

Das weitere Vorbringen, wonach der Angeklagte die für eigene Zwecke verwendeten Gelder der Besachwalterten ohne „Verschleierungsabsicht“ (vgl dagegen US 33) in den Rechnungslegungsberichten „als Bardepot“ auswies und bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen „in der Lage war, die jeweils fälligen Rückführungen auf dem Bardepot durchzuführen“, worin „ein Erstattungswille eindeutig manifestiert“ werde, übersieht weiters, dass ein - damit explizit in Abrede gestellter - Bereicherungsvorsatz keine Voraussetzung für die Subsumtion unter § 153 StGB ist.

Zu den Schuldsprüchen II/3, 5 und 7 sind die Tatrichter ohnehin davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer die mit den Finanzämtern (ohne Wissen seiner Mandanten) abgeschlossenen Ratenvereinbarungen hinsichtlich der Grunderwerbsteuer teilweise erfüllte und sich nur den darüber hinausgehenden Teil der ihm anvertrauten Gelder mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zueignete (US 20 ff). Mit ohne Aktenbezug angestellten Überlegungen zur - für die Schuld- und die Subsumtionsfrage nicht entscheidenden - finanziellen Situation des Angeklagten, sowie zur - nach dem Beschwerdestandpunkt - „gar nicht notwendigen“ Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen, welche weitere Zahlungen „verhindert“ habe, und zu einem beim Finanzamt eingeleiteten Wiederaufnahmeverfahren im Zusammenhang mit der Vorverurteilung wegen eines Finanzvergehens bekämpft die Beschwerde hier unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter zur subjektiven Tatseite nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Entgegen dem weiteren Vorbringen der Mängelrüge (erneut Z 5 zweiter Fall) zu den Schuldsprüchen II/1 und 6 wurde die Verantwortung des Beschwerdeführers betreffend angeblich bestehende Gegenforderungen aus Honoraransprüchen und einem zu den Tatzeitpunkten vorliegenden Aufrechnungswillen umfassend erörtert und mit - Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechender - ausführlicher Begründung als unglaubwürdige Schutzbehauptung verworfen (US 44 bis 46, 47 bis 49).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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