OGH 9ObA3/12z

OGH9ObA3/12z24.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Hon.-Prof. Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Robert Brunner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** M*****, vertreten durch die Freimüller/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A***** mbH, *****, vertreten durch die Lansky, Ganzger + Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 23.966,39 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. September 2011, GZ 9 Ra 142/10h-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 20. Mai 2010, GZ 19 Cga 143/09a-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.400,04 EUR (darin 233,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Übergangsversorgung nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag betreffend die Übergangsversorgung für Flugverkehrsleiter (in weiterer Folge: KV) in der Fassung des Rahmens vom 1. 1. 1996 samt dreier Nachträge vom 5. 6. 1997 (wirksam seit 1. 9. 1996), 2. 6. 1999 (wirksam seit 1. 5. 1999) und 20. 6. 2000 (wirksam seit 1. 5. 2000). Die für dieses Verfahren wesentlichen Bestimmungen des KV lauten auszugsweise:

II. ZWECK DER ÜBERGANGSVERSORGUNG

Die in diesem Kollektivvertrag vorgesehene Übergangsversorgung dient dem Ausgleich der besonderen Belastungen und Anforderungen des Dienstes von Flugverkehrsleitern und bezweckt insbesondere auch die Absicherung vor den wirtschaftlichen Folgen eines berufsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst oder eines Verlustes der Befugnis aus medizinischen Gründen.

III. ANSPRUCHSVORAUSSETZUNGEN

1. Flugverkehrsleiter mit gültiger Befugnis, deren Dienstverhältnis nach Vollendung des 55. Lebensjahres beendet wird, haben unter der weiteren Voraussetzung einer anrechenbaren Gesamtdienstzeit als Flugverkehrsleiter von mindestens 20 Jahren Anspruch auf eine Übergangsversorgung, sofern das Dienstverhältnis nicht durch ungerechtfertigten vorzeitigen Austritt oder gerechtfertigte Entlassung aus Verschulden des Bediensteten endet. Gleiches gilt für Flugverkehrsleiter, wenn sie ihre Befugnis nach dem 50. Lebensjahr unverschuldet aus medizinischen Gründen verloren haben, mindestens 15 Jahre anrechenbare Gesamtdienstzeit als Flugverkehrsleiter aufweisen und danach in anderer Verwendung bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres im Dienstverhältnis gestanden sind.

2. Bediensteten, welche die positiven Voraussetzungen des Punktes 1 nicht erfüllen, insgesamt jedoch mindestens 10 Jahre Gesamtdienstzeit als Flugverkehrsleiter, mindestens 480 Bemessungsmonate im Sinne des Artikels V Pkt 4 aufweisen und seit dem Erwerb der Befugnis, gerechnet ohne die Zeiten der Verwendung als Flugverkehrsleiter, überwiegend auf einem Arbeitsplatz verwendet wurden, für den die Qualifikation als Flugverkehrsleiter erforderlich ist, gebührt ebenfalls die Übergangsversorgung.

IV. AUFLÖSUNG DES DIENSTVERHÄLTNISSES

1. Das Dienstverhältnis eines Flugverkehrsleiters ist mit Ende des Monats, in welchem er das 60. Lebensjahr vollendet, höchstbefristet.

4. Eine Weiterbeschäftigung nach Vollendung des 60. Lebensjahres ist nur einvernehmlich möglich. Eine beiden Seiten zumutbare Weiterbeschäftigung ist jedenfalls bis zum Erreichen der Wartezeitvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu gewährleisten, sofern nicht ohnedies die Voraussetzungen für eine Pension wegen geminderter Arbeitsfähigkeit vorliegen.

V. HÖHE DER ÜBERGANGSVERSORGUNG

1. Bemessungsgrundlage für die Übergangsversorgung nach Artikel III ist das letzte Bruttogehalt …

2. Bei einer Bemessungszeit von 480 oder mehr Monaten gewährleistet die Übergangsversorgung Teil 1 monatlich brutto 75 % und Teil 2 monatlich brutto 25 % der Bemessungsgrundlage.

6. Auf die Übergangsversorgung Teil 1 sind folgende Beträge anrechenbar, dh die von der A***** GmbH zu erbringenden Übergangsversorgungsleistungen verringern sich um:

a) Pensionen (einschließlich Sonderruhegeld) aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, wobei vorzeitige Alterspensionen ab dem gesetzlich frühest möglichen Anfallszeitpunkt auch dann anrechenbar sind, wenn bzw soweit sie infolge freiwilliger Weiterversicherung oder eigener Erwerbstätigkeit nicht gebühren (diesenfalls ist die fiktive Höhe anrechenbar).

b) Erwerbseinkommen …

c) tatsächlich in Anspruch genommene Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bzw nach dem SUG; …

7. Auf die Übergangsversorgung Teil 2 ist lediglich Erwerbseinkommen nach Maßgabe von Punkt 6 lit b) anrechenbar, wobei auch der Altersversorgungszuschuss zu berücksichtigen ist.

VI. DAUER DER ÜBERGANGSVERSORGUNG

1. Die Übergangsversorgung fällt mit dem Ersten des auf den Eintritt der Anspruchsvoraussetzungen gemäß Artikel III folgenden Monats an, mit der Maßgabe, dass die Übergangsversorgung mit Beginn des auf die Vollendung des Lebensjahres, welches in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Inanspruchnahme der Altersversorgung wegen langer Versicherungsdauer gilt, folgenden Monats im Ausmaß der Übergangsversorgung Teil 2 gebührt.

2. Der Anspruch auf Übergangsversorgung Teil 1 endet mit Ende des Monats der Vollendung jenes Lebensjahres, welches in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Inanspruchnahme der Altersversorgung wegen langer Versicherungsdauer gilt, jener auf Übergangsversorgung Teil 2 mit Ende des Monats der Vollendung des in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die normale Alterspension jeweils geltenden Anfallsalters, spätestens mit dem 65. Lebensjahr, bei Tod in allen Fällen mit Ende des Sterbemonats. …“

Der Kläger (geboren 11. 8. 1946) war bei der Beklagten als Schichtleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. 6. 2003. Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. 7. 2003 eine „Übergangsversorgung Teil 1“ nach dem KV.

Die Beklagte beschloss im Jahr 2008, dass hinsichtlich aller Mitarbeiter ab dem Jahrgang 1946 gemäß KV ein möglicher Anspruch auf Korridorpension bei der Übergangsversorgung im Weg der Einrechnung berücksichtigt werde. Bei den davor liegenden Jahrgängen bis 1945 war nicht die Korridorpension, sondern erst ein allfälliger Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer angerechnet worden.

Der Kläger erfüllt, nachdem er zu seinen Beitragsmonaten der Pflichtversicherung weitere 82 Monate der freiwilligen Versicherung erworben hatte, seit 1. 9. 2008 die Voraussetzungen für eine Korridorpension. Er beantragte allerdings bei der Pensionsversicherungsanstalt keine Korridorpension, sondern eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer, die ihm seit 1. 8. 2009 - also 11 Monate nach der möglichen Korridorpension - auch tatsächlich gewährt wird. Die Beklagte bringt beim Kläger bereits seit 1. 9. 2008 auf die Übergangsversorgung Teil 1 die mögliche Korridorpension in Anrechnung.

Der Kläger begehrt mit dem Vorbringen, dass die Vorgangsweise der Beklagten mit den kollektivvertraglichen Regelungen nicht im Einklang stehe, die Zahlung jener Beträge, die die Beklagte von der ihm gebührenden „Übergangsversorgung Teil 1“ in Abzug gebracht habe. Nach dem KV komme nur ein Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG für eine Einrechnung in den Anspruch auf „Übergangsversorgung Teil 1“ in Frage, nicht aber ein Anspruch auf Korridorpension, bei dem es sich um ein „Aliud“ handle. Die Beklagte habe überdies gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil sie nur beim Kläger, nicht aber bei anderen Arbeitnehmern einen möglichen Anspruch auf Korridorpension berücksichtigt habe. Die Vorgangsweise der Beklagten benachteilige überdies Männer gegenüber Frauen, sodass durch sie auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts verwirklicht sei.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, dass gemäß Pkt V Z 6 lit a KV vorzeitige Alterspensionen ab dem frühestmöglichen Anfallszeitpunkt für die Bemessung der Übergangsversorgung Teil 1 zu berücksichtigen seien. Darunter sei auch eine Korridorpension zu verstehen, weil diese ein Äquivalent für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer sei. Eine unsachliche Ungleichbehandlung liege nicht vor, weil Mitarbeiter des Geburtsjahrgangs 1944 bereits im Jahr 2006 und Mitarbeiter des Geburtsjahrgangs 1945 bereits im Jahr 2007 Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer hätten, sodass ein Abzug der Korridorpension nicht erforderlich sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (bis auf eine teilweise Abweisung des 4 % übersteigenden Zinsenbegehrens) statt. Unter Zugrundelegung der vorstehend wiedergegebenen Feststellungen ging es rechtlich davon aus, dass dem Wortlaut des Art VI KV nicht eindeutig entnommen werden könne, ob damit lediglich § 253b ASVG oder jegliche Altersversorung vor dem Regelpensionsalter gemeint sei. Eine Zusammenschau der KV-Bestimmungen spreche aber eher für ersteres. Die Korridorpension sei ein Aliud, zumal Art IV KV ausdrücklich auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer abstelle. Dazu komme, dass im KV keine Bestimmung enthalten sei, die den ehemaligen Bediensteten verpflichte, Versicherungszeiten zu erwerben, um die Beklagte von der Übergangsversorgung zu entlasten. Die Auslegung der Beklagten laufe auf eine unzulässige dynamische Verweisung hinaus. Da der Kläger die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erst mit dem Stichtag 1. 8. 2009 erfüllt habe, seien die vorhergehenden auf die Korridorpension abstellenden Abzüge der Beklagten nicht gerechtfertigt gewesen.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und wies das Klagebegehren ab. Die Korridorpension sei als Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gemäß Art V Z 6 lit a KV anzusehen. Die Anrechnung einer solchen Pension auf die Übergangsversorgung Teil 1 richte sich nach Art V KV, der die Höhe der Übergangsversorgung betreffe, während Art VI KV lediglich die Dauer des Anspruchs auf Übergangsversorgung regle. Dementsprechend hätte der Kläger ohnehin über den Zeitpunkt des fiktiven Anfalls einer Korridorpension hinaus weiterhin Übergangsversorgung Teil 1 bis zu dem in Art VI geregelten Zeitpunkt bezogen. Lediglich die Höhe dieser Übergangsversorgung habe sich durch die Berücksichtigung der fiktiv gebührenden Korridorpension gemäß Art V Z 6 lit a KV verringert. Diese Bestimmung unterscheide zwischen tatsächlich in Anspruch genommenen Leistungen und bloß fiktiv anzurechnenden Ansprüchen. Tatsächlich in Anspruch genommene Pensionsleistungen aller Art, somit auch die Korridorpension, seien jedenfalls auf die Höhe der Übergangsversorgung Teil 1 anzurechnen. Die Formulierung „vorzeitige Alterspensionen“ ab dem „frühest möglichen Anfallszeitpunkt“ in Art V Z 6 lit a KV könne nur so verstanden werden, dass alle Alterspensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung erfasst seien, die vor dem Regelpensionsalter anfallen. Dazu zähle auch die Korridorpension. Maßgeblich sei für die KV-Parteien nicht die Variante der vorzeitigen Alterspension, sondern deren Anfallszeitpunkt für die Anrechenbarkeit der Leistung. Der KV bezwecke in Art II insbesondere auch die Absicherung vor den wirtschaftlichen Folgen eines berufsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst. Dieser Zweck werde erreicht, wenn der Arbeitnehmer eine Übergangsversorgung in Höhe von 75 % seines zuletzt bezogenen Bruttogehalts erhalte. Diesem Zweck stehe eine Anrechnung der Korridorpension nicht entgegen, weil sich die Höhe der Übergangsversorgung, die die ehemaligen Arbeitnehmer erhalten, in Summe nicht ändere. Der Zweck der Übergangsversorgung überwiege gegenüber dem - nicht gravierenden - Nachteil, dass der Kläger durch diese Regelung wirtschaftlich dazu angehalten werde, die auf Dauer gegenüber einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer etwas niedrigere Pensionsleistung aus der Korridorpension in Anspruch zu nehmen. Eine Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes liege zufolge zulässiger zeitlicher Differenzierung des Arbeitgebers nicht vor. Es sei auch keine Diskriminierung wegen des Geschlechts erkennbar, weil Frauen die Übergangsversorgung Teil 1 wegen früherer Erreichung des Regelpensionsalters ohnehin kürzer als Männer beziehen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil der Auslegung eines Kollektivvertrags grundsätzlich erhebliche Bedeutung zukomme.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Berufungsentscheidung im Sinn der Klagestattgebung abzuändern.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber vertritt zusammengefasst die Ansicht, dass sich aus einer Gesamtschau der Bestimmungen der Art IV, V und VI KV und dem vom KV verfolgten Versorgungszweck ergebe, dass der KV lediglich den Begriff der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer verwende, sodass die Korridorpension, bei der es sich nicht um eine vorzeitige Alterspension handle, von der Anrechnungsbestimmung des Art V Abs 6 lit a KV nicht erfasst sei. Demgegenüber kann auf die zutreffende Auslegung der Bestimmungen des KV durch das Berufungsgericht verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist dem Revisionswerber entgegenzuhalten:

1. Die dem normativen Teil eines Kollektivvertrags angehörenden Bestimmungen sind nach den Grundsätzen der §§ 6, 7 ABGB, also nach der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und der Absicht des Normgebers auszulegen (RIS-Justiz RS0008782; RS0008807). Maßgeblich ist daher, welchen Willen des Normgebers der Leser dem Text entnehmen kann (RIS-Justiz RS0010088). Denn die Normadressaten, denen nur der Text des Kollektivvertrags zur Verfügung steht, können die Vorstellungen, die die Kollektivvertragsparteien beim Abschluss vom Inhalt der Normen besessen haben, weder kennen noch feststellen. Sie müssen sich vielmehr darauf verlassen können, dass die Absicht der Parteien in erkennbarer Weise im Vertragstext ihren Niederschlag gefunden hat (9 ObA 33/11k ua). Den Kollektivvertragsparteien darf grundsätzlich unterstellt werden, dass sie eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung treffen sowie einen gerechten Ausgleich der sozialen und wirtschaftlichen Interessen herbeiführen wollten, sodass bei mehreren an sich in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten, wenn alle anderen Auslegungsgrundsätze versagen, jener der Vorzug zu geben ist, die diesen Anforderungen am meisten entspricht (RIS-Justiz RS0008828; RS0008897).

2. Ausgehend davon hat das Berufungsgericht zu Recht darauf hingewiesen, dass Art VI KV die Dauer des Anspruchs auf Übergangsversorgung regelt, während Art V KV dessen Höhe festsetzt. Gemäß Art VI KV gebührt dem ehemaligen Mitarbeiter die Übergangsversorgung Teil 1 bis zum Ende des Monats der Vollendung jenes Lebensjahrs, welches in der gesetzlichen Pensionsversicherung für die Inanspruchnahme der Altersversorgung wegen langer Versicherungsdauer gilt. Dass damit unzweifelhaft die - in Art IV Z 4 KV auch ausdrücklich so bezeichnete - vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG gemeint ist und dies von den Streitteilen auch im konkreten Fall so verstanden wurde, haben die Vorinstanzen bereits dargestellt und wird vom Revisionswerber auch nicht in Zweifel gezogen. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die hier zu beurteilende Bestimmung des Art V Z 6 KV die Anrechnung insbesondere von Pensionen und anderweitigem Erwerbseinkommen des ehemaligen Arbeitnehmers vorsieht. Dies entspricht dem in Art II normierten Zweck der Übergangsversorgung, die eine Absicherung vor den wirtschaftlichen Folgen eines berufsbedingten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Dienst sein soll, nicht aber eine - etwa von einem neuen Erwerbseinkommen des früheren Arbeitnehmers unabhängige - darüber hinausgehende „Versorgung“.

3. Dass in Art V Z 6 lit a KV entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerber nicht nur auf die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gemäß § 253b ASVG abgestellt wird, ergibt sich allein schon sprachlich daraus, dass diese Bestimmung in der Mehrzahl von „Pensionen“ bzw „vorzeitigen Alterspensionen“ aus der gesetzlichen Pensionsversicherung spricht. Dass die KV-Parteien damit in einem umfassenden Sinn alle Leistungen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung gemeint haben, steht in Übereinstimmung mit der damaligen Rechtslage fest, die mehrere unterschiedliche Formen von vorzeitigen Alterspensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung kannte (vgl nur etwa die mit dem BBG 2003, BGBl I 2003/71, aufgehobenen vorzeitigen Alterspensionen gemäß den §§ 253a, 253c ASVG).

4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass die Korridorpension gemäß § 4 Abs 2 APG eine gesetzliche Alterspension ist (9 ObA 62/07v). Dies bestreitet der Revisionswerber ebenso wenig wie die zutreffende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Korridorpension in dem Fall, dass sie vom Kläger tatsächlich in Anspruch genommen worden wäre, gemäß Art V Z 6 lit a, erster Halbsatz KV jedenfalls auf die Übergangsversorgung Teil 1 anzurechnen gewesen wäre. Die Parteien des Kollektivvertrags haben in Art V Z 6 lit a KV ganz allgemein und in einem umfassenden Sinn alle Pensionen und vorzeitige Alterspensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung als anrechenbar auf die Übergangsversorgung Teil 1 angesehen. Weder aus dem Umstand, dass die Korridorpension zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Textes des Kollektivvertrags noch nicht existierte, noch aus dem weiteren vom Revisionswerber ins Treffen geführten Umstand, dass die Kollektivvertragsparteien nicht auf das Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl I 2004/142, reagierten, kann daher der Schluss gezogen werden, dass gerade die Korridorpension nicht anrechenbar iSd Art V Z 6 lit a KV wäre. Durch die Schaffung des APG mit dem Pensionsharmonisierungsgesetz 2004 wurde zwar das Pensionsrecht auf ein neues rechtliches Fundament gestellt. Gerade durch die Einführung der Korridorpension in § 4 Abs 2 APG schuf der Gesetzgeber aber auch im Dauerrecht - neben den nach dem ASVG aufrecht bestehen bleibenden Möglichkeiten (vgl §§ 253b, 607 Abs 10 und 12 ASVG) - erneut die Möglichkeit eines vorzeitigen Pensionsantritts mit Vollendung des 62. Lebensjahrs (Felten, Gesetzliches Pensionsrecht und betriebliche Vorruhestandsmodelle in zuvo 2008/61, 91). Der umfassend formulierte Wortlaut des Art V Z 6 lit a KV erfasst daher auch die Anrechnung einer Korridorpension als „vorzeitige Alterspension“ aus der gesetzlichen Pensionsversicherung iSd Art V Z 6 lit a KV auf die Übergangsversorgung Teil 1.

5. Zu Unrecht berufen sich die Revisionswerber für ihren Standpunkt auf die Entscheidungen 9 ObA 52/07y und 9 ObA 87/06v. Der der Entscheidung 9 ObA 52/07y zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem nunmehr zu entscheidenden nicht vergleichbar. Nach dem Gesamtkonzept des damals zu beurteilenden Sozialplans war die Gewährung von Überbrückungsleistungen, Einmalzahlungen und Überbrückungsbeschäftigungen an den Anspruch auf vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer gebunden. Wesentlich war ua, dass danach der Anspruch auf Gewährung einer Überbrückungsleistung mit der Erreichung des individuellen Anspruchs auf vorzeitige gesetzliche Alterspension gemäß § 253b ASVG endete (ähnlich 9 ObA 87/06y). Die Berücksichtigung des von den Parteien des Sozialplans nicht bedachten neuen Pensionsfalls der Korridorpension hätte daher eine nicht nur unwesentliche Änderung der Grundlagen des Sozialplans zur Folge gehabt, weil sich die Anfallszeiten der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer immer weiter von jenen für die Korridorpension entfernten, sodass ihre Ansprüche zu immer früheren Zeitpunkten enden würden. Demgegenüber bezieht der Kläger gemäß Art VI KV die höhere Übergangsversorgung Teil 1 unstrittig bis zu dem Zeitpunkt, in dem er das gesetzlich vorgesehene Anfallsalter für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erreicht.

6. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass vorzeitige Alterspensionen gemäß Art V Z 6 lit a KV nicht nur dann auf die Übergangsversorgung Teil 1 anzurechnen sind, wenn sie tatsächlich bezogen werden, sondern auch dann, wenn sie ab dem frühest möglichen Anfallszeitpunkt bezogen werden könnten, aber nicht beantragt werden, zieht der Revisionswerber nicht in Zweifel. Dies entspricht auch dem sich aus Art II KV ergebenden Ausgleichszweck der Übergangsversorgung. Dass eine Gleichstellung der Korridorpension mit der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu einer Diskriminierung der Kläger wegen des Geschlechts führen könnte, wird vom Revisionswerber nicht mehr thematisiert.

7. Auf die in der Revision aufgestellte Behauptung, der Kollektivvertrag erlege den ehemaligen Arbeitnehmern keine Verpflichtung auf, durch den Erwerb von Versicherungszeiten dafür zu sorgen, dass die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erworben werden, um solcherart einen früheren Pensionsstichtag zu erlangen bzw Anrechnungstatbestände zu schaffen, kommt es nicht an, weil die Bestimmung - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - lediglich auf den gesetzlich frühest möglichen Anfallszeitpunkt abstellt. Dass in der Anknüpfung an das jeweilige gesetzliche Pensionsalter als Tatbestandselement für eine kollektivvertragliche Regelung keine unzulässige dynamische Verweisung liegt, hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen (9 ObA 108/01z).

8. Die Beklagte weist in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend darauf hin, dass das arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgebot einer sachlichen Differenzierung zwischen verschiedenen Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen nicht im Wege steht und es insbesondere auch erlaubt, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren (9 ObA 59/06a; RIS-Justiz RS0016829). Das erstinstanzliche Beklagtenvorbringen, dass der Beklagten bei den Jahrgängen 1944 und 1945 die Differenz zwischen dem Antrittsalter für die Korridorpension und dem Antrittsalter für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer aufgrund der Übergangsbestimmung des § 607 Abs 10 ASVG noch nicht so gravierend erschienen sei, weshalb die Beklagte im Sinn einer Übergangsregelung in Bezug auf die mögliche Anrechnung der Korridorpension bis zum Jahrgang 1946 (dem auch der Kläger angehört) zugewartet habe, blieb vom Kläger unwidersprochen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagten bei ihrer Handhabung der Anrechnung kein willkürliches Vorgehen vorgeworfen werden kann, ist nicht zu beanstanden. Dass der Kläger im Vertrauen auf die Leistung der Übergangsversorgung der Auflösung seines Arbeitsverhältnisses zugestimmt hat, schadet schon deshalb nicht, weil er nach dem KV stets damit rechnen musste, dass alle „vorzeitigen Alterspensionen“ der gesetzlichen Pensionsversicherung - bei Vorliegen deren Voraussetzungen - ab dem Anfallszeitpunkt anrechenbar sind.

Der Revision ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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