OGH 2Ob67/12k

OGH2Ob67/12k30.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch den Hofrat Dr. Veith, die Hofrätin Dr. E. Sol und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der klagenden Partei Ing. Jozef R*****, vertreten durch Dr. Stephan Petzer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Mag. Werner Piplits, Rechtsanwalt in Wien, wegen 24.000 EUR sA über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Jänner 2012, GZ 12 R 176/11g-21, womit das Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 14. Juli 2011, GZ 26 Cg 184/10d-16, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der beklagte Verein veranstaltete am 2. 5. 2004 ein Pferderennen. Für den Sieger wurde ein Preisgeld von 24.000 EUR ausgeschrieben. Gemäß § 187 des Rennreglements, dem sich der Kläger bei seiner Anmeldung für das Rennen unterworfen hat, dürfen Trainer ausschließlich von ihnen selbst trainierte Pferde reiten.

In diesem Rennen ging das im Eigentum des Klägers stehende und von diesem trainierte Pferd, das aber von einem anderen Jockey geritten wurde, als erstes durchs Ziel. Das Pferd des Klägers wurde vom Rennrichter zum Sieger erklärt. Am 30. 5. 2004 erhob die Trainerin des zweitplatzierten Pferdes Protest gegen die Rennentscheidung. Am 3. 6. 2004 erklärte die Rennleitung das Pferd des Klägers für preisverlustig, wogegen der Kläger Berufung erhob. Am 15. 7. 2004 entschied die Berufungskommission des Vereins „D*****“, dass der Berufung des Klägers Folge gegeben und die Entscheidung des Rennleiters dahin abgeändert werde, dass der Protest der Eigentümerin des zweitplatzierten Pferdes wegen Verspätung abgewiesen werde. Diese intern gebliebene Entscheidung wurde nicht im Wochen-Renn-Kalender veröffentlicht. Am 15. 9. 2004 kam die Berufungskommission erneut zusammen und entschied, die Berufung des Klägers gegen die Entscheidung der Rennleitung vom 3. 6. 2004 abzuweisen. Diese Entscheidung wurde am 21. 9. 2004 im Wochen-Renn-Kalender veröffentlicht.

Am 27. 7. 2005 brachte der Kläger eine Klage gegen den Verein „D*****“ über 24.000 EUR aus dem Titel des Schadenersatzes ein, die rechtskräftig abgewiesen wurde.

Mit der nunmehrigen, am 30. 7. 2010 eingebrachten Klage begehrt der Kläger das Preisgeld von der Rennveranstalterin aus dem Anspruchsgrund der Auslobung. Die Entscheidungen von Vereinsorganen könnten die Anrufung der ordentlichen Gerichte nicht ausschließen, auch sei die Entscheidung der Berufungskommission in materieller und formeller Hinsicht unrichtig. Die zweite Entscheidung verstoße gegen fundamentale Grundsätze jeder Verfahrensordnung, weil über denselben Berufungssachverhalt nicht mehrmals in wechselnder Besetzung abgestimmt werden könne.

Die Beklagte bestritt und wandte unter anderem Verjährung gemäß § 1486 Z 1 oder Z 5 ABGB ein. Für die Anwendung kurzer Verjährungsfristen sprächen auch die Grundüberlegungen des Reglements, das jeweils spezifisch kurze Protest- und Berufungsfristen festlege. Die Entscheidung der Berufungskommission sei regelkonform gewesen. Überdies liege ein Glücksvertrag vor, aus welchem Leistungen nicht einklagbar seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Der Klagsanspruch sei verjährt. Welche gesetzlichen Regelungen auf das durch Auslobung begründete Schuldverhältnis analog anzuwenden seien, richte sich nach der Art der Leistung und Belohnung. Hier hänge das Ergebnis nur zu einem geringen Teil vom Zufall ab, es sei daher nicht von einem zugrunde liegenden Glücksspiel auszugehen, sondern der Inhalt der Auslobung eher mit einem Werkvertrag vergleichbar. Aus der gesamten Organisation der Beklagten, insbesondere dem detaillierten Rennreglement und dem Umstand, dass das Veranstalten von Pferderennen generell einen hohen Aufwand darstelle, ergebe sich ein unternehmerischer Aufwand im Sinne eines geschäftlichen Betriebs. Darüber hinaus sei im Interesse der Rechtssicherheit die Geltendmachung von Preisgeldern durch kurze Verjährungsfristen zu beschränken. Auch wenn die Verjährungsfrist durch das Berufungsverfahren gehemmt worden sei, sei die Klage nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist eingebracht worden.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte die Ansicht des Erstgerichts über den schuldrechtlichen Inhalt der konkreten Auslobung mit werkvertragsähnlichem Charakter, was die Anwendung der diesbezüglichen Verjährungsregelungen nahe lege. Dem Kläger sei zwar insoweit Recht zu geben, als es nicht auf die Frage der geschäftlichen Tätigkeit des beklagten Vereins ankomme, sondern auf jene des Klägers. Auch bei diesem sei aber von einer solchen auszugehen. Er habe das Vorbringen der Beklagten nur unsubstanziiert dahin bestritten, dass die Ansprüche aus der Auslobung nicht einer dreijährigen Verjährungsfrist unterlägen, ohne konkrete Tatsachenbehauptungen, warum er nicht unternehmerisch oder geschäftlich tätig geworden sei, aufzustellen. Die Behauptung in der Berufung, der Kläger habe am Rennen nur als Freizeitbeschäftigung im Sinne einer wirtschaftlichen Liebhaberei teilgenommen, sei eine unzulässige Neuerung. Es seien die Regelungen über den Anscheinsbeweis anzuwenden. Da sein Pferd an einer Rennveranstaltung wie der gegenständlichen erfolgreich teilzunehmen im Stande gewesen sei, sei prima facie eine im weitesten Sinne als Geschäftsbetrieb anzusehende Organisation von Pflege, Training, Verwaltung und Logistik vorauszusetzen, zumal davon ausgegangen werden müsse, dass im Rahmen einer Rennveranstaltung der hier gegebenen Dimension mit dementsprechendem Preisgeld mehr als ein hobby- oder freizeitmäßiges Kräftemessen von Pferdefreunden und ihren Tieren stattfinde.

Die ordentliche Revision wurde zugelassen, weil zur Frage, ob die Auslobung eines Preisgeldes für den Gewinn eines sportlichen Pferdewettrennens in verjährungsrechtlicher Hinsicht der Erbringung einer Leistung im Sinne eines Werkvertrags gleichzuhalten sei, ebenso Judikatur des Obersten Gerichtshofs fehle, wie zur Frage, ob aus der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung wie der vorliegenden prima facie auf das Vorliegen eines sonstigen geschäftlichen Betriebs des Eigentümers des Siegerpferdes iSd § 1486 Z 1 ABGB geschlossen werden könne.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag dem Klagebegehren stattzugeben; in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist zulässig, weil das Berufungsgericht von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Anscheinsbeweis abgewichen ist. Sie ist auch im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Der Kläger bestreitet das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Anscheinsbeweises und verweist darauf, dass Feststellungen zu seiner geschäftlichen Tätigkeit fehlten. Die Frage sei im Verfahren überhaupt nicht erörtert und der Kläger auch nicht zu einem entsprechenden Vorbringen angeleitet worden.

2. Ob ein prima-facie-Beweis zulässig ist, ob es sich also um einen Tatbestand mit typischem Geschehnisablauf handelt, der eine Verschiebung von Beweisthema und Beweislast ermöglicht, ist eine Frage der Beweislast und damit eine Frage der rechtlichen Beurteilung, die im Revisionsverfahren überprüfbar ist (RIS-Justiz RS0022624). Nur die Frage, ob der Anscheinsbeweis konkret erbracht wurde, ist im Revisionsverfahren nicht überprüfbar, weil damit in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung bekämpft wird (RIS-Justiz RS0112460).

3. Der Anscheinsbeweis beruht darauf, dass bestimmte Geschehnisabläufe typisch sind und es daher wahrscheinlich ist, dass auch im konkreten Fall ein derartiger gewöhnlicher Ablauf und nicht ein atypischer gegeben ist (RIS-Justiz RS0040266; 2 Ob 173/11x). Er wird in Fällen als sachgerecht angesehen, in denen konkrete Beweise von Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können. In der Regel ist dies der Fall, wenn es sich um Umstände handelt, die allein in der Sphäre des Gegners liegen und daher nur ihm bekannt und auch nur durch ihn beweisbar sind (RIS-Justiz RS0040182; RS0123919). Diese Verschiebung der Beweislast kann aber nur in Betracht kommen, wenn ein allgemeiner, also für jedermann in vergleichbarer Weise bestehender Beweisnotstand gegeben ist und wenn objektiv-typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungsgrundsätzen beruhende Geschehnisabläufe für den Anspruchswerber sprechen (RIS-Justiz RS0039895).

Die wichtigsten Anwendungsgebiete des Anscheinsbeweises finden sich daher dort, wo formelhafte typische Kausalabläufe bestehen oder typische Verhaltensweisen stets gleichartige oder zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, demnach beim Beweis des Kausalzusammenhangs oder der für ein Verschulden wesentlichen Tatsachen. Eine Beschränkung auf dieses Beweismaß ist nur insoweit zulässig, als eine typische formelhafte Verknüpfung zwischen einer bewiesenen Tatsache und einer anderen Tatsache als Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestandselements besteht; er dient nicht dazu, Lücken der Beweiswürdigung durch Vermutungen auszufüllen (RIS-Justiz RS0040287; RS0022664; 1 Ob 57/04w; Reischauer in Rummel 3 ABGB § 1296 ABGB Rz 4a ff; Rechberger in Fasching/Konecny 2 III Vor § 266 ZPO Rz 56 ff).

4. Dass es - in Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall - einen allgemeinen Erfahrungsgrundsatz dahin gäbe, dass der an einem Pferderennen teilnehmende Eigentümer eines Pferdes - auch wenn es sich dabei um eine Veranstaltung mit nicht unerheblichem Preisgeld handelt - deshalb typischerweise iSd § 1486 Z 1 ABGB geschäftlich tätig wird, ist ebenso wenig ersichtlich wie, dass ein Beweisnotstand des Gegners bestünde, eine die geschäftliche Betätigung indizierende Regelmäßigkeit und Nachhaltigkeit der Ausübung des Rennsports durch den Eigentümer des Pferdes nachzuweisen.

5. Soweit das Berufungsgericht der Ansicht war, der Kläger habe den auf § 1486 Z 1 ABGB gestützten Verjährungseinwand der beklagten Partei nur unsubstanziiert bestritten, ist darauf zu verweisen, dass die beklagte Partei in diesem Zusammenhang keinerlei Vorbringen über eine geschäftliche Tätigkeit des Klägers erstattet, sondern inhaltlich lediglich auf die kurzen Fristen des Rennreglements und die Sinnhaftigkeit der Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist hingewiesen hat. Es bestand daher keinerlei Vorbringen zur Verjährung wegen einer Forderung aus geschäftlicher Tätigkeit, das der Kläger substanziiert bestreiten hätte können.

6. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren Feststellungen zur Frage des Vorliegens eines geschäftlichen Betriebs beim Kläger im Zusammenhang mit der Teilnahme an pferderennsportlichen Veranstaltungen iSd § 1486 Z 1 ABGB zu treffen und darauf basierend neuerlich zu entscheiden haben.

7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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