OGH 9ObA85/12h

OGH9ObA85/12h22.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Dr. Peter Schnöller in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Dr. Ingo Riss, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Arthur Machac, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.591,63 EUR sA (Revisionsinteresse: 4.801,52 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. April 2012, GZ 8 Ra 133/11d-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der Entscheidung 9 ObA 13/07p dargelegt, dass der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 5 EFZG wegen unberechtigter Entlassung während des Krankenstandes kein Schadenersatz-, sondern ein Erfüllungsanspruch aus dem Arbeitsverhältnis ist, jedoch der sechsmonatigen Fallfrist des § 1162d ABGB oder dieser Vorschrift nachgebildeten Kollektiv-vertragsbestimmungen unterliegt (RIS-Justiz RS0122371; ebenso schon 9 ObA 396/97v; s auch 9 ObA 123/10v). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Anspruch wertungsmäßig der von § 1162d ABGB erfassten Kündigungsentschädigung gleichzuhalten sei, weil es in beiden Fällen um jenes Entgelt gehe, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, hätte der Arbeitgeber ihn nicht unberechtigt entlassen (krit Wachter, RdA 2009/9, Anm zu 9 ObA 13/07p; Kallab/Hauser, EFZG5 Erl 7). § 1162d ABGB strebe für die von ihm erfassten entlassungsabhängigen Ansprüche eine rasche Klarstellung an und wolle damit ganz offenkundig den Beweisproblemen entgegenwirken, die sich regelmäßig im Zusammenhang mit der Frage der Berechtigung der Entlassung im zunehmenden Zeitverlauf ergeben. Da nicht angenommen werden könne, dass der Anspruch nach § 5 EFZG - soweit er von der Berechtigung der Entlassung abhängig sei - von diesem Grundsatz ausgenommen sein sollte, liege eine planwidrige Lücke vor, die durch die analoge Anwendung des § 1162d ABGB auch auf derartige Ansprüche zu schließen sei.

Der Kläger, der bei der Beklagten von 31. 5. 2010 bis 6. 7. 2010 als Elektromonteur beschäftigt war, macht mit Mahnklage vom 9. 5. 2011 ua Entgeltfortzahlungsansprüche nach § 5 EFZG geltend. In seiner Revision ist er der Ansicht, die genannte Rechtsprechung sei auf ihn nicht anwendbar, weil er eine ungerechtfertigte Entlassung - von der das Berufungsgericht aktenwidrig ausgegangen sei - gar nicht behauptet habe.

Tatsächlich brachte er im erstinstanzlichen Verfahren vor, vom 15. 6. bis 20. 6. 2010 und vom 6. 7. 2010 bis 6. 10. 2010 im Krankenstand gewesen zu sein. Die Beklagte habe ihn am 5. 7. 2010 fälschlicherweise wegen „unberechtigtem vorzeitigen Austritt“ abgemeldet. Es liege eine frist- und terminwidrige Beendigung durch die Beklagte vor. Die Beklagte wandte dagegen ein, es habe sich um eine Auflösung im Probemonat des am 21. 6. 2010 neuerlich begründeten Arbeitsverhältnisses, in eventu um eine gerechtfertigte Entlassung gehandelt. Das Erstgericht traf keine Feststellungen zur Auflösung des Dienstverhältnisses. Die Vorinstanzen gingen jedoch unter Hinweis auf die genannte Rechtsprechung vom Verfall der Ansprüche iSd § 1162d ABGB aus.

Entgegen der Ansicht des Klägers macht es für die Anwendbarkeit des § 1162d ABGB allerdings keinen Unterschied, ob eine ungerechtfertigte Entlassung oder eine zeitwidrige Kündigung vorliegt. Denn wie schon in der Entscheidung 4 Ob 90/54 (Arb 6044) ausgesprochen wurde, ist die Präklusivfrist des § 1162d ABGB auch auf gesetzwidrige, insbesondere termin- oder fristwidrige Kündigungen anzuwenden. Dies entspricht der Grundwertung der Bestimmung, dass die Folgen einer allenfalls rechtswidrigen Beendigung rasch klargestellt werden sollen und steht auch im Einklang mit der herrschende Lehre (Neumayr in Kletecka/Schauer, ABGB-ON § 1162b Rz 2, § 1162d Rz 5; Spenling in KBB, ABGB3 § 1162b Rz 1; Pfeil in Schwimann, ABGB3 § 1162d Rz 2; s auch Krejci in Rummel, ABGB3 § 1162d Rz 4). Für den Kläger ist daher mit der von ihm begehrten Differenzierung nichts gewonnen.

Da es der Revision folglich nicht gelingt, eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist sie zurückzuweisen.

Stichworte