OGH 9ObA123/10v

OGH9ObA123/10v22.12.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Mag. Michael Zawodksy als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M***** H*****, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei G***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch MMag. Wilhelm Gößeringer und Ing. Mag. Andreas Oman, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 6.050,49 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Oktober 2010, GZ 8 Ra 88/10p-11, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ob das erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es zur Darlegung der Anspruchsgrundlage oder zur Entkräftung eines Einwands des Gegners (hier des Hinweises auf den Grundsatz der Kündigungsfreiheit auch im Krankenstand) ausreicht, ist eine Frage des Einzelfalls, der regelmäßig keine erhebliche Bedeutung zukommt. Das Gleiche gilt für die Auslegung des Parteienvorbringens und die Zuordnung der Behauptungen zu bestimmten Anspruchs- oder Rechtsgrundlagen (vgl RIS-Justiz RS0042828).

Mit ihren Ausführungen, das Berufungsgericht habe ihr Vorbringen zur Sittenwidrigkeit und Rechtsmissbräuchlichkeit der Einwendungen der Beklagten verkannt, zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf. Wenn die Behauptung der Sittenwidrigkeit bzw Rechtsmissbräuchlichkeit der Kündigung als Berufung auf eine Motivkündigung gewertet wird, ist dies im Allgemeinen vertretbar.

2.1 Inhaltlich steht die Klägerin auf dem Standpunkt, dass das Dienstverhältnis bei einer Dienstgeberkündigung im Krankenstand erst mit Ende des Krankenstands aufgelöst werde bzw im Fall der Entgeltfortzahlungspflicht des Dienstgebers der Abfertigungsanspruch dem nachvertraglichen Krankenentgelt gleichzusetzen und bis zum Ende des Krankenstands zu berechnen sei.

2.2 Auch damit wird zufolge eindeutiger gesetzlicher Regelung und in der Rechtsprechung geklärter Grundsätze keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt (vgl RIS-Justiz RS0042656).

Nach gesicherter Rechtsprechung ist für den Erwerb des Anspruchs auf Abfertigung und deren Bemessung die im Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses zurückgelegte Dienstzeit maßgebend (RIS-Justiz RS0028373).

Nach § 5 EFZG (und der inhaltsgleichen Bestimmung des § 9 Abs 1 AngG) bleibt - bei bestimmten, der Sphäre des Dienstgebers zurechenbaren Arten der Beendigung des Dienstverhältnisses - der Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die vorgesehene Dauer bestehen, wenngleich das Arbeitsverhältnis früher endet. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmungen wird durch die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltfortzahlung der Zeitpunkt des rechtlichen Endes des Arbeitsverhältnisses nicht hinausgeschoben (vgl 9 ObA 13/07p).

Vollkommen unbestritten ist, dass trotz der angeordneten Entgeltfortzahlungspflicht eine Kündigung auch während der Erkrankung des Dienstnehmers rechtswirksam ausgesprochen werden kann (9 ObA 396/97v; 8 ObA 13/04a). Daran ändert auch nichts der Zweck der Entgeltfortzahlungsbestimmungen, der darin besteht, den auf dem Arbeitsvertrag beruhenden Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, der nur besteht, solange das Arbeitsverhältnis aufrecht ist, auch über die rechtliche Dauer des Arbeitsverhältnisses hinaus zu wahren. Diese Regelung soll (nur) verhindern, dass sich der Arbeitgeber von der Pflicht zur Entgeltfortzahlung an den Arbeitnehmer dadurch befreit, dass er während der Arbeitsverhinderung das Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder ungerechtfertigte Entlassung löst (RIS-Justiz RS0109426).

2.3 Zu der nicht näher begründeten Bezugnahme auf § 1162b ABGB und § 29 AngG in der außerordentlichen Revision ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof die (nur in Bezug auf die Anwendung der Präklusivfristen nach § 1162d ABGB bzw § 34 AngG erfolgte) Behandlung des Entgeltfortzahlungsanspruchs (ab dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses) als Schadenersatzanspruch im Sinn der Kündigungsentschädigung mit der Entscheidung 9 ObA 13/07p aufgegeben hat. Die genannten Ausschlussfristen werden allerdings analog angewendet.

2.4 Der Hinweis auf die Glosse von Wachter (in RdA 2009/9) zu 9 ObA 13/07p vermag den Standpunkt der Klägerin ebenfalls nicht zu stützen. Auch nach dieser Glosse erstreckt sich lediglich die gesetzlich angeordnete Entgeltfortzahlung über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus. Im Übrigen setzt sich der Autor nur mit der Frage auseinander, ob es sich beim nachvertraglichen Krankengeldanspruch um einen Entgelt- bzw Erfüllungsanspruch oder einen Schadenersatzanspruch wie die Kündigungsentschädigung handelt und ob auf diesen Anspruch die Präklusivfristen nach § 1162d ABGB bzw § 34 AngG (direkt oder analog) Anwendung finden.

3. Schließlich kann sich die Klägerin auch im Zusammenhang mit der Beendigungsart des Dienstverhältnisses nicht auf einen fiktiven Beendigungszeitpunkt für die Berechnung der Abfertigung berufen (vgl RIS-Justiz RS0028397), weil ihr Dienstverhältnis durch ordnungsgemäße Dienstgeberkündigung geendet hat.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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