OGH 15Os75/12m

OGH15Os75/12m22.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Karlicek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerhard S***** wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Schöffengericht vom 19. Dezember 2011, GZ 21 Hv 1/11d-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Gerhard S***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 und 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 (I./1.), der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (I./1. und 2./), der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (II./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (III./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (IV./, VII./) sowie der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (V./, VI./1./ und 2./) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ die am 22. August 1976 geborene Anita S*****, sohin eine unmündige Person, auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, und zwar

1./ in der Zeit vom 15. Jänner bis zum 26. November 1985 in W***** in jedenfalls fünf Angriffen dadurch, dass er sie jeweils im nackten Genital- und Brustbereich in der Badewanne betastete und streichelte und sie im nackten Genitalbereich betastete, kitzelte und rieb, ihr teilweise einen Finger in die Vagina einführte und diesen heraus- und hineinbewegte, wobei bereits die erste Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Anita Hermine S*****, nämlich eine Persönlichkeitsstörung, somit eine an sich schwere und länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung zur Folge hatte;

2./ in der Zeit vom 28. Mai 1988 bis zum 21. August 1990 in W***** und andernorts in einer Vielzahl von Angriffen dadurch, dass er sie entweder oberhalb der Kleidung im Brust- und Genitalbereich betastete, streichelte, ihr teilweise einen Finger in die Vagina einführte und diesen heraus- und hineinbewegte;

II./ in der Zeit von Anfang Juli bis 21. August 1990 am B***** und andernorts in mehreren Angriffen mit der am 22. August 1976 geborenen Anita S*****, sohin einer unmündigen Person, den außerehelichen Beischlaf, und zwar den Vaginalverkehr, unternommen;

III./ in der Zeit vom 22. August 1990 bis zum 21. August 1993 in W***** und andernorts die am 22. August 1976 geborene Anita S***** außer dem Fall des Absatz 1 (des § 201 StGB idF BGBl 1989/242) in einer Vielzahl von Angriffen mit Gewalt zur Vornahme bzw Duldung des Beischlafs genötigt, indem er ihre Hände festhielt und nach hinten drückte, ihre Beine mit seinen Beinen auseinander drückte und mit ihr trotz ihrer Gegenwehr den Vaginalverkehr durchführte;

IV./ in der Zeit vom 15. Jänner bis zum 26. November 1985 und vom 28. Mai 1988 bis zum 21. August 1993 sein minderjähriges Stiefkind, und zwar die am 22. August 1976 geborene Anita S*****, durch die unter I./1./ und 2./, II./ sowie III./ geschilderten strafbaren Handlungen in wiederholten Angriffen zur Unzucht missbraucht (richtig: an ihr geschlechtliche Handlungen vorgenommen);

„V./ in der Zeit von Mitte des Sommers 2009 bis Mitte Jänner 2010 in M***** und andernorts in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 21. Mai 1998 geborenen Lisa S*****, sohin einer unmündigen Person, vorgenommen, indem er sie wiederholt im Genitalbereich betastete;

VI./ in der Zeit von Mitte des Sommers 2009 bis Mitte Jänner 2010 in M***** und andernorts in wiederholten Angriffen außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an der am 21. Mai 1998 geborenen Lisa S*****, sohin einer unmündigen Person, vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem

1./ er sie in wiederholten Angriffen in der Badewanne nackt mit gespreizten Beinen auf seinen nackten Bauch und Unterleib mit dem Rücken zu sich gesetzt und sie auf seinem Bauch auf- und abgeschoben hat;

2./ sie einmal über seine Aufforderung seinen nackten Penis in die Hand genommen hat“;

VII./ in der Zeit von Mitte des Sommers 2009 bis Mitte Jänner 2010 in M***** und andernorts mit seiner am 21. Mai 1998 geborenen Tochter Lisa S*****, sohin mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person, durch die unter V./ und VI./1./ und 2./ geschilderten strafbaren Handlungen geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit b StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde; diese verfehlt ihr Ziel.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter mit der seitens des Angeklagten zu dessen Entlastung reklamierten Textpassage in einer Krankengeschichte ( 67 S 7) auseinandergesetzt, dieser jedoch mangels zeitlicher Relevanz in Bezug auf den Anklagevorwurf keine entscheidende Bedeutung beigemessen (US 14 f).

Soweit die Beschwerde davon ausgehend die Glaubwürdigkeit der Zeugin Anita S***** hinterfragt, übersieht sie, dass der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen aufgrund des von diesem in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher der Anfechtung mit Mängelrüge entzogen ist (RIS-Justiz RS0106588). Indem der Rechtsmittelwerber die diesbezüglichen tatrichterlichen Erwägungen außer Acht lässt und (inhaltlich) den Urteilsannahmen eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüberstellt, bekämpft er bloß unzulässig - nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen Schuld - die Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Im Übrigen haben sich die Tatrichter mit der Frage der Aussagefähigkeit und -tüchtigkeit der Zeugin auf Grundlage des dazu eingeholten Sachverständigengutachtens (ON 75 S 23 f) ausdrücklich auseinandergesetzt (US 13).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) reklamiert mit Blick auf die mit 1. Juli 2001 erfolgte Absenkung der Volljährigkeitsgrenze auf das vollendete 18. Lebensjahr Verjährung in Bezug auf die Schuldspruchfakten I./ bis IV./.

Sie legt jedoch nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar, weshalb die mit 1. Juli 2001 gemäß Art I Z 1 des KindRÄG 2001 (BGBl I 2000/135) sowie der korrespondierenden Neufassung der Begriffsbestimmung des § 74 Abs 1 Z 3 StGB in Kraft getretene Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze auf 18 Jahre auf einen historischen Lebenssachverhalt, der - wie hier - mit dem am 22. August 1995 erfolgten Erreichen der (zu diesem Zeitpunkt gemäß § 21 Abs 2 ABGB idF BGBl 1973/108 mit 19 Jahren festgesetzten) Volljährigkeit der Anita S*****, bereits verwirklicht wurde, anzuwenden gewesen wäre (RIS-Justiz RS0113459; Höpfel/U. Kathrein in WK2 § 61 Rz 11a).

Im Übrigen ist mit Bedacht auf das während der - aktuell bis zum Ablauf des 22. August 2005 reichenden - Verjährungsfrist am 8. Oktober 2004 begangene mit - rechtskräftigem - Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 21. Dezember 2004, AZ 24 Hv 214/04s, abgeurteilte, auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (vgl RIS-Justiz RS0091943; Jerabek in WK2 § 71 Rz 8) sowie die innerhalb der dadurch verlängerten Verjährungsfrist nachfolgend verübten, ebenfalls auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten ab Mitte Sommer des Jahres 2009 (V./ bis VII./) Verjährung nicht eingetreten (§ 58 Abs 2 und Abs 3 Z 3 StGB; vgl Marek in WK2 § 58 Rz 6 ff; Leukauf-Steininger StGB3 § 58 Rz 13 f).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung ergibt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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