OGH 11Os84/12f

OGH11Os84/12f21.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2012 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, Mag. Michel, Dr. Oshidari und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Temper als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Peter I***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB über die Anträge des Verurteilten Peter I***** auf Erneuerung des Strafverfahrens AZ 406 Hv 5/09a des Landesgerichts für Strafsachen Wien sowie Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Einsichtnahme der Generalprokuratur in die Akten in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Anträge auf Erneuerung des Strafverfahrens sowie auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Geschworenengericht vom 4. August 2009, GZ 406 Hv 5/09a-29, wurde unter anderem Peter I***** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Genannten wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16. Dezember 2009, AZ 15 Os 151/09h, zurückgewiesen, dessen Berufung, mit Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 8. Februar 2010, AZ 18 Bs 2/10s (ON 63 der Hv-Akten), nicht Folge gegeben.

Mit seiner als „Grundrechtsbeschwerde“ bezeichneten, direkt beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Eingabe vom 2. Juli 2012 macht der Verurteilte als „Verletzung des § 1 Abs 1 GRBG in Verbindung mit Art 6 Abs 3 lit b, lit d MRK; Art 14 Abs 3 lit b, lit e PaktBürgG, § 281, 285 Abs 2 StPO“ geltend, von seinem im angeführten Verfahren bestellten Verteidiger nur unzureichend vertreten worden zu sein; zudem sei ihm keine angemessene Frist zur Vorbereitung seiner Verteidigung in der Hauptverhandlung eingeräumt worden, wodurch er an der Ausübung von Verteidigungsrechten gehindert worden sei. Damit verbunden ist ein Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 1 Abs 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzugs Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu.

Abgesehen davon, dass eine - im Zusammenhang mit der Verhängung und dem Vollzug von Freiheitsstrafen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen ohnedies nach § 1 Abs 2 GRBG unzulässige - Grundrechtsbeschwerde mangels Einbringung binnen 14 Tagen ab Kenntnisnahme des Beschwerdeführers von dem beanstandeten Vorgang gemäß § 4 Abs 1 GRBG verspätet wäre, behauptet der Einschreiter aber inhaltlich gar keine Schmälerung des Grundrechts auf persönliche Freiheit und Sicherheit im Sinne des Art 5 MRK. Vielmehr wähnt er sich ausschließlich in die Effektivität der Verteidigung garantierenden Rechten verletzt, sodass sein Anbringen der Sache nach nicht als Grundrechtsbeschwerde, sondern als Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO aufzufassen ist.

Dieser war bereits deshalb ohne meritorische Prüfung zurückzuweisen, weil die Eingabe des Verurteilten entgegen der zwingenden Anordnung des § 363b Abs 2 Z 1 StPO nicht von einem Verteidiger (§ 48 Abs 1 Z 4 StPO) unterschrieben wurde und dieser Mangel - aufgrund des Fehlens einer § 285a Z 3 letzter Satz StPO, § 3 Abs 2 zweiter Satz GRBG vergleichbaren Bestimmung - einer Verbesserung nicht zugänglich ist.

Ein Erneuerungsantrag, der sich nicht auf eine Entscheidung des EGMR berufen kann, ist nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Übrigen zwar zulässig (RIS-Justiz RS0122228), muss aber allen gegenüber dem EGMR normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß entsprechen (RIS-Justiz RS0122737).

Wenngleich der Oberste Gerichtshof mit den nunmehr behaupteten Grundrechtsverletzungen nicht bereits im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde befasst wurde, das ne-bis-in-idem-Prinzip einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem gegen seinen bestellten Verteidiger gerichteten Vorbringen (vgl RIS-Justiz RS0116665) daher nicht grundsätzlich entgegenstünde (RIS-Justiz RS0122737; Schroll, WK-StPO § 23 Rz 3; Reindl-Krauskopf, WK-StPO § 363a Rz 36), schied eine, solche allerdings schon darum aus, weil Art 35 Abs 1 MRK die Einhaltung einer sechsmonatigen Frist nach der endgültigen innerstaatlichen Entscheidung verlangt (RIS-Justiz RS0122736), welche Voraussetzung rechtzeitiger Geltendmachung im Hinblick auf das eingangs genannte Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 8. Februar 2010, das die Strafsache rechtskräftig beendete, aber nicht erfüllt ist.

Da dem Antragsteller in diesem Verfahren bereits ein Verfahrenshilfeverteidiger beigegeben wurde (ON 12 in AZ 406 Hv 5/09a des Landesgerichts für Strafsachen Wien) und diese Verteidigerbestellung nach § 61 Abs 4 StPO mangels einer einschränkenden Anordnung des Gerichts für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss sowie für ein allfälliges Verfahren aufgrund eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens gilt, besteht keine Veranlassung für eine neuerliche Verteidigerbestellung. Eine solche wäre zudem infolge offenkundiger Aussichtslosigkeit der angestrebten Prozesshandlung nicht vorzunehmen, weil (auch) der Antrag auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht innerhalb der nach § 363a Abs 1 StPO offenstehenden Frist von sechs Monaten gestellt wurde (RIS-Justiz RS0122736 [T2]).

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