OGH 1Ob126/12d

OGH1Ob126/12d1.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers G***** A*****, vertreten durch Dr. Michael Cermak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegnerin C***** A*****, vertreten durch Dr. Manfred Pilgerstorfer, Rechtsanwalt in Wien, wegen nachehelicher Vermögensaufteilung, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 12. April 2012, GZ 45 R 510/11z-29, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 19. August 2011, GZ 2 Fam 34/10d-20, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller die mit 2.702,87 EUR (darin 450,48 EUR USt) bestimmten Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen. Sie hat die Kosten ihrer eigenen Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile trafen unmittelbar vor der Eheschließung eine - in Notariatsaktform abgeschlossene - Vereinbarung, in der festgehalten wurde, dass die von den Verlobten in die Ehe eingebrachten Vermögenswerte im Falle einer Scheidung nicht der nachehelichen Aufteilung unterliegen sollen, wobei unter anderem im Vermögen der Frau ein (auf 99 Jahre gemieteter) „Rohdachboden für Ausbau“ in W***** (spätere Ehewohnung) und im Vermögen des Mannes ein Einfamilienhaus in O***** genannt wurden. Weiters wurde festgelegt, dass beide späteren Ehegatten während der Ehe angesammelte Ersparnisse im Falle einer Ehescheidung ohne Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung behalten sollen. Die von den Ehegatten 2 Tage später (am 14. 9. 1996) geschlossene Ehe wurde im Jahr 2010 rechtskräftig geschieden. Während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft wurde der Rohdachboden in W***** ausschließlich mit finanziellen Mitteln der Antragsgegnerin ausgebaut; die Bauaufsicht und auch die Verhandlungen mit den Professionisten wurden überwiegend vom Antragsteller ausgeübt. Das Einfamilienhaus wurde überwiegend aus finanziellen Mitteln des Antragstellers hergestellt; aber auch die Antragsgegnerin leistete hier einen wesentlichen finanziellen Beitrag. Der Antragsteller erwarb während der Ehe zahlreiche Liegenschaften.

Mit Antrag vom 19. 5. 2010 begehrte der Antragsteller eine Ausgleichszahlung von 311.667 EUR samt Zinsen und brachte dazu im Wesentlichen vor, die Ehewohnung habe bei Beendigung der ehelichen Gemeinschaft einen Wert von 835.000 EUR gehabt, die Einrichtung von weiteren 100.000 EUR. Da die gesamte Wertschöpfung des Errichtens und der Ausstattung der Ehewohnung in die Zeit nach der Eheschließung falle, unterliege sie der Aufteilung. Da er wesentlich zum Erwerb und zum Entstehen der Wohnung beigetragen habe, stehe ihm eine Ausgleichszahlung von einem Drittel des Gesamtwerts der Wohnung von 935.000 EUR zu.

Die Antragsgegnerin wandte dagegen ein, dass die Dachbodenwohnung gemäß der entsprechenden Regelung im Notariatsakt nicht in die Aufteilung einzubeziehen sei. Es sei vereinbart worden, dass im Falle einer Scheidung der Antragsteller das Alleineigentum am Einfamilienhaus und sie das Alleinbenützungsrecht an der Dachwohnung erhalten bzw behalten solle, und zwar ohne wechselseitige Ausgleichszahlungen. Sollte es doch zu einer Einbeziehung bzw Berücksichtigung (des Werts) der Dachbodenwohnung kommen, so wären jedenfalls auch der Wert (und die Wertsteigerung) des Einfamilienhauses in die Aufteilung miteinzubeziehen; dieses sei ursprünglich nur im Rohbau errichtet gewesen und während der Ehe gemeinsam fertiggestellt und eingerichtet worden. Im Übrigen habe der Antragsteller während der Ehe viele Immobilien angeschafft, was nur deshalb möglich gewesen sei, weil sie auch den weit überwiegenden Teil der laufenden Lebenshaltungskosten übernommen habe. In dieser Zeit habe er auch eine Abfertigung in der Höhe von 5.000.000 ATS erhalten. Sie beantragte daher die Abweisung des Antrags des Antragstellers und begehrte ihrerseits eine Ausgleichszahlung von zumindest 450.000 EUR samt Zinsen.

Der Antragsteller wandte dagegen ein, die von ihm erworbenen Grundstücke unterlägen nicht der Aufteilung; die Lebenshaltungskosten seien zwischen den Parteien aufgeteilt worden.

Das Erstgericht wies beide Anträge ab. Die Streitteile hätten eine Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 EheG errichtet. Nach deren Zweck solle jedem Ehegatten das von ihm in die Ehe Eingebrachte verbleiben. Darüber hinaus solle jedem Ehepartner im Fall der Scheidung jene Liegenschaft zukommen, die wirtschaftlich in seine Sphäre falle. Sähe man den Zweck der Vereinbarung darin, dass jedem Ehepartner das wirtschaftlich ihm zuordenbare Gut bleiben solle, seien weder die Ehewohnung noch das Wochenendhaus Teile der Aufteilungsmasse. Die vom Antragsgegner während der Ehe erworbenen Liegenschaften seien seinen Unternehmen (Campingplatz, Landwirtschaft) zuzuordnen und damit nach § 82 Abs 1 Z 3 EheG der Aufteilung entzogen.

Das Rekursgericht hob die erstgerichtliche Entscheidung auf, und trug diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Da der verfahrenseinleitende Antrag nach dem 31. 12. 2009 gestellt worden sei, sei im vorliegenden Verfahren die durch das FamRÄG 2009 geänderte Fassung des § 97 EheG anzuwenden. Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes seien auch früher abgeschlossene Vereinbarungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit nach der neuen Rechtslage zu beurteilen. Aufgrund der wirksamen Vereinbarung über das Verbleiben der jeweiligen Objekte in der Sphäre des betreffenden Ehegatten seien sowohl der Rohdachboden als auch das Einfamilienhaus von der Aufteilung ausgenommen, nicht aber die während aufrechter Ehe durch Beiträge der Parteien eingetretenen Wertsteigerungen an den beiden Objekten einschließlich des Werts des Inventars. Der Wertzuwachs von der Aufteilung ausgenommener Sachen „falle unter die Aufteilungsmasse“, wenn er durch Investitionen, Abschreibungen (richtig wohl: Arbeitsleistungen) oder Konsumverzicht eines Ehegatten bewirkt worden sei. Die übrigen, vom Antragsteller während der Ehe erworbenen Liegenschaften seien jedoch durch rechtswirksame Vereinbarung von der Aufteilung ausgeschlossen worden, nach der jeder Ehegatte seine während der Ehe erworbenen Wertanlagen behalte, ohne dass dem anderen eine Ausgleichszahlung zustehe. Gegenstand der beantragten Aufteilung seien somit insbesondere die Wertsteigerungen betreffend Dachgeschosswohnungsinventar und hinsichtlich des Einfamilienhauses. Das Erstgericht werde im weiteren Verfahren detaillierte Feststellungen zu treffen haben, wann und mit welchen Mitteln die Parteien zum Ausbau des Dachbodens und des Einfamilienhauses beigetragen haben. Ebenso seien die Höhe der Wertsteigerungen sowie der Wert des Inventars zu ermitteln. Im Rahmen der zu treffenden Billigkeitsentscheidung werde schließlich auch festzustellen sein, wer inwieweit für die Kosten des täglichen Lebens aufgekommen sei und wer den gemeinsamen Haushalt geführt habe. Die Abfertigung des Antragstellers sei als eheliche Ersparnis im Sinne der Vereinbarung wirksam von einer Aufteilung ausgenommen worden. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Aufteilungsmasse im Hinblick auf eine vor Inkrafttreten des FamRÄG 2009 geschlossene Vorwegvereinbarung noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege, insbesondere zur Frage, ob Wertzuwächse durch Investitionen an von der Aufteilung ausgeschlossenen Ehewohnung bzw des Einfamilienhauses (Wochenendhaus) Gegenstand der Aufteilungsmasse sein könnten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von beiden Parteien erhobenen Revisionsrekurse sind nicht zulässig, weil in ihnen keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage erörtert wird.

Unverständlich ist die Auffassung des Antragstellers, es läge ein Feststellungsmangel vor, weil keine Feststellungen zum Verkehrswert der Ehewohnung getroffen worden seien, hat doch das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluss unter anderem deshalb aufgehoben, weil es derartige Feststellungen vermisste. Auch davon, dass der Antragsgegnerin die behaupteten Werte „nur unsubstanziiert“ bestritten hätte und daher auf Basis dieser Werte aufzuteilen gewesen wäre, kann keine Rede sein.

Im Hinblick auf das Einfamilienhaus ist der Revisionsrekurs des Antragstellers nicht gesetzmäßig ausgeführt, geht dieser doch ohne entsprechende Feststellungsbasis davon aus, dass das Haus bereits 6 Jahre vor der Eheschließung fertiggestellt gewesen sei. Nur der Vollständigkeit halber sei er in diesem Zusammenhang auf seine eigene Aussage als Partei verwiesen, nach der bei Abschluss des Notariatsakts ein Rohbau bestanden hätte. Warum der Auftrag des Rekursgerichts, Feststellungen über das Ausmaß der späteren Wertsteigerung und den Beitrag der Ehegatten dazu rechtlich unzutreffend sein sollte, wird nicht erklärt, zumal der Antragsteller selbst zugesteht, dass der Wertzuwachs auch bei von der Aufteilung ausgenommenen Sachen zu berücksichtigen sei, soweit er während der Ehe nicht allein durch die Änderung der Marktverhältnisse eingetreten ist (s dazu nur RIS-Justiz RS0057308). Anlass dazu, zwischen den beiden Objekten grundsätzlich zu unterscheiden, besteht nicht. In beiden Fällen ist zu fragen, welche Wertsteigerung während der Ehe durch die Investitionen und Arbeitsleistungen herbeigeführt wurde und welcher Anteil daran dem einen oder dem anderen Ehegatten zuzuordnen ist.

Soweit sich die Antragsgegnerin in ihrem Revisionsrekurs mit der Frage auseinandersetzt, ob die Dachbodenwohnung wirksam von der Aufteilung ausgenommen wurde, geht ihre Argumentation insoweit ins Leere, als auch das Rekursgericht die Einbeziehung in die Aufteilungsmasse verneint hat. Auch die Frage nach der Wirksamkeit der seinerzeitigen Vereinbarung über die Zuweisung der beiden Objekte stellt sich nicht, herrscht doch auch im Aufteilungsverfahren Übereinstimmung darüber, dass der Frau die Wohnung und dem Mann das Einfamilienhaus verbleiben soll. Es geht ausschließlich um die Frage, inwieweit ein Ehegatte dem anderen eine Ausgleichszahlung dafür zu leisten hat, dass dieser insgesamt überwiegend für die Wertsteigerung der beiden Objekte während der Ehe verantwortlich ist. Inwieweit die Rechtsauffassung des Rekursgerichts in diesem Zusammenhang unrichtig sein sollte, wird aus den Revisionsrekursausführungen nicht deutlich. Für eine vom Vertragstext abweichende Auslegung ergeben sich aus den Sachverhaltsfeststellungen keine Anhaltspunkte. Auch der Hinweis darauf, der Antragsteller habe seine Einkünfte und seine Abfertigung zur Anschaffung zahlreicher Liegenschaften verwenden können, zeigt keinen Beurteilungsfehler auf, entspricht diese Konsequenz doch gerade der getroffenen Vereinbarung, deren Richtigkeit und Gültigkeit die Antragstellerin auch in diesem Punkt gar nicht in Frage stellt.

Ob die Wertsteigerung der Dachgeschosswohnung ausschließlich auf die finanziellen Leistungen der Antragsgegnerin zurückzuführen ist, ist im fortgesetzten Verfahren zu klären. Sollte sich hingegen herausstellen, dass auch Leistungen des Antragstellers (nach Abschluss des Mietvertrags) in nicht unerheblicher Weise dazu beigetragen haben, dass die Antragsgegnerin nun über ein Wohnobjekt von erheblich gestiegenem Wert verfügt, ist ein entsprechender Betrag zu Gunsten des Antragstellers bei der Ermittlung einer allfälligen Pflicht zur Zahlung eines Ausgleichsbetrags in Anschlag zu bringen. Gleiches gilt - in umgekehrter Richtung - für die finanzielle Beteiligung der Antragsgegnerin an der (behaupteten) Wertsteigerung des Einfamilienhauses, die nach den Aufteilungsgrundsätzen der §§ 81 ff EheG der Antragsteller nicht zur Gänze allein lukrieren soll. Zutreffend hat das Rekursgericht auch darauf hingewiesen, dass gegebenenfalls Feststellungen über die von der Antragsgegnerin behauptete überproportionale Tragung der laufenden Lebenshaltungskosten zu treffen sein werden, sofern sich bei einer isolierten Betrachtung der Mitwirkung an der Wertsteigerung der beiden Objekte ein Saldo zu Gunsten des Antragstellers ergeben sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses der Antragsgegnerin hingewiesen, weshalb sich sein Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverfolgungs- bzw Rechtsverteidigungsmaßnahme darstellt. Anderes gilt für die Revisionsrekursbeantwortung der Antragsgegnerin, in der die Unzulässigkeit des gegnerischen Revisionsrekurses nicht aufgezeigt wurde.

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