OGH 5Ob117/12k

OGH5Ob117/12k26.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. B***** E*****, vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger, Mag. Jürgen Greilberger, Dr. Christine Ulm, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei G***** W*****, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in Graz, wegen 48.000 EUR sA und Feststellung (5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. April 2012, GZ 5 R 174/11i-57, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Vorinstanzen haben den Beklagten als Verkäufer eines alten Bauernhauses aus dem Titel der Gewährleistung verpflichtet, der Klägerin die Kosten der Beseitigung des ein Jahr nach dem Verkauf aufgetretenen Hausschwamms zu ersetzen und festgestellt, dass der Beklagte für weitere künftige Schäden aus dem Hausschwammbefall zu haften habe.

Dazu stellte das Erstgericht fest, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags im Haus bereits Myzelien des Hausschwamms vorhanden waren, sodass infolge der im Haus vorhandenen Feuchtigkeit es nur eine Frage der Zeit war, wann es zum Ausbruch des „echten Hausschwamms“ kommen werde. Insofern sei ein latenter Mangel im Zeitpunkt des Kaufvertrags seiner Anlage nach schon vorhanden gewesen.

Das Erstgericht begründete die Feststellung über das Vorhandensein des Hausschwamm-Myzels im Zeitpunkt des Kaufvertrags damit, dass es ansonsten nicht ein Jahr später zum Ausbruch des Hausschwamms kommen hätte können.

In seiner außerordentlichen Revision wendet sich der Beklagte ausschließlich gegen die Zulässigkeit der Anwendung eines Prima-facie-Beweises - dieser sei nur in Schadenersatzprozessen zugelassen - und darüber hinaus gegen das Ergebnis seiner Anwendung, nämlich die Feststellung, dass die Myzelien im Vertragsabschlusszeitpunkt bereits vorhanden gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Der Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis) beruht auf der Auswertung allgemeiner Erfahrungsgrundsätze, die sich aus der Beobachtung stereotyper Geschehensabläufe gleichsam zur natürlichen Gesetzmäßigkeit verdichtet haben, für jedermann nachvollziehbar sind und bis zum Hervorkommen einer möglichen Ausnahmesituation die Vermutung des Vorliegens einer Tatsache beim Nachweis einer damit regelmäßig im Zusammenhang stehenden anderen begründen (1 Ob 502/84 SZ 57/20; RIS-Justiz RS0040266).

Wenn auch die wichtigsten Anwendungsgebiete dort liegen, wo formelhafte, typische Kausalabläufe bestehen oder typische Verhaltensweisen stets gleichartige und zuverlässige Schlüsse auf bestimmte innere Zustände eines Menschen zulassen, also beim Beweis des Kausalzusammenhangs oder des Verschuldens (8 Ob 615/92 SZ 65/132), und demgemäß seine wichtigsten Anwendungsgebiete im Schadenersatzrecht liegen (RIS-Justiz RS0040266 [T4]), so ist seine Anwendbarkeit als allgemeine Beweislastregel doch keineswegs auf das Schadenersatzrecht beschränkt. Ganz allgemein wird der Anscheinsbeweis in Fällen als sachgerecht empfunden, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können (RIS-Justiz RS0123919), sodass in der Anwendung des Anscheinsbeweises auf die Frage, ob ein Mangel seiner Anlage nach im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon vorhanden war, keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorliegt (vgl auch 9 Ob 50/06b).

Während die Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises zur rechtlichen Beurteilung gehört, ist die Wertung, ob er im konkreten Einzelfall erbracht wurde, dem Bereich der Beweiswürdigung zuzuordnen und daher nicht revisibel (RIS-Justiz RS0022549; RS0039939).

Die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO liegen daher nicht vor. Die vorliegende Einzelfallbeurteilung bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Stichworte