OGH 8ObA24/12f

OGH8ObA24/12f26.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Günter Steinlechner und Harald Kohlruss als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei v***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Slana und Dr. Thomas Loidl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1) C***** H*****, und 2) H***** H*****, beide vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, sowie 3) A***** K*****, vertreten durch Dr. Karlheinz Kux, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.350.579,92 EUR sA, über die Revisionen sowohl der klagenden Partei als auch der erst- und zweitbeklagten Parteien gegen das Endurteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. Februar 2012, GZ 12 Ra 70/11t‑158, mit dem das Endurteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Mai 2011, GZ 8 Cga 60/05v‑152, teilweise abgeändert wurde (Revisionsinteresse 175.080 EUR bzw 40.000 EUR), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der erst- und zweitbeklagten Parteien wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Partei teilweise Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das hinsichtlich der drittbeklagten Partei (abgesehen vom Ausmaß der Solidarverpflichtung) als unangefochten unberührt bleibt, wird im Übrigen dahin abgeändert, dass es insgesamt lautet:

„Die erstbeklagte Partei und die drittbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 60.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 11. 2002 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die zweitbeklagte Partei und die drittbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei 60.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 11. 2002 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Die drittbeklagte Partei ist darüber hinaus schuldig, der klagenden Partei weitere 2.230.579,92 EUR samt 4 % Zinsen seit 2. 11. 2002 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die Solidarverpflichtung aller drei Beklagten mit 587.644,98 EUR festzusetzen, wird abgewiesen.“

Die Kostenaussprüche der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die Fällung einer neuen Entscheidung über die Verfahrenskosten (mit Ausnahme des vorliegenden Revisionsverfahrens) aufgetragen.

Die erst- und zweitbeklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 6.448,57 EUR (darin enthalten 361,41 EUR USt und 4.280,10 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Drittbeklagte war Prokurist und Leiter einer Niederlassung einer GmbH. Der Erst- und der Zweitbeklagte waren Dienstnehmer der Klägerin und mit der Schrottübernahme auf einem Schrottplatz der Klägerin betraut. Die Klägerin kaufte von der genannten GmbH Eisenschrott in großen Mengen. Aufgabe des Erst- und des Zweitbeklagten war es, bei Anlieferung von Schrott mittels Lkw insbesondere die Schrottmenge zu überprüfen. Nach der Ablieferung des Materials wurden die Lieferpapiere, die eine Stampiglie der Kontaminationskontrolle aufweisen mussten, vom Erst- bzw Zweitbeklagten abgezeichnet. Über Initiative des Drittbeklagten kamen Erst- und Zweitbeklagte mit diesem überein, dass die Lieferpapiere nicht schon bei der Anlieferung des Materials, sondern erst nachträglich vorgelegt und abgezeichnet werden. Auf diese Weise gelang es dem Drittbeklagten, in den Jahren 2000 bis 2002 1.282 (Schein-)Lieferungen über 29.458 t Schrott zu fingieren. Dadurch leistete die Klägerin Zahlungen in Höhe von 2.449.947,27 EUR ohne Gegenleistung. Dem Drittbeklagten ist Vorsatz anzulasten, der Erst- und der Zweitbeklagte handelten grob fahrlässig.

Der Erstbeklagte erzielt ein Einkommen von etwa 2.370 EUR netto 14 x jährlich; das Einkommen seiner Gattin beträgt etwa 1.100 EUR netto monatlich. Er ist für zwei Kinder, nämlich eine 20‑jährige Tochter, die studiert und einen monatlichen Betrag von 700 EUR erhält, und einen 19‑jährigen Sohn, der über ein Lehrlingseinkommen von monatlich 600 EUR verfügt, sorgepflichtig. Er ist Hälfteeigentümer einer Liegenschaft im Ausmaß von etwa 1.126 m² bei einer Wohnfläche von 250 m². Die Schulden betragen etwa 300.000 EUR und werden monatlich mit 1.300 EUR zurückgezahlt. Die sonstigen Fixkosten der Familie betragen monatlich 517 EUR an Betriebskosten des Hauses sowie 432 EUR an Versicherungen einschließlich rund 200 EUR an Lebensversicherungen und wertpapiergebundenen Pensionsvorsorgeversicherungen. Hinzu kommen Kosten für Fahrzeuge der Familie von monatlich etwa 620 EUR. Der Zweitbeklagte bezieht ein monatliches Nettogehalt von 2.010 EUR 14 x jährlich; seine Gattin verdient rund 800 EUR netto 14 x jährlich. Auch er ist sorgepflichtig für zwei Kinder im Alter von 15 und 17 Jahren. Er hat Schulden von rund 45.200 EUR, die derzeit nicht zurückgezahlt werden müssen. Er ist Hälfteeigentümer einer Liegenschaft mit einem Wochenendhaus samt Garage im Ausmaß von rund 1.600 m². Die monatlichen Fixkosten betragen rund 1.890 EUR.

Die Klägerin begehrte von den Beklagten Schadenersatz, und zwar 587.644,98 EUR in Form einer Solidarhaftung und darüber hinaus die Differenz auf den gesamten geltend gemachten Schaden (2.350.579,92 EUR) vom Drittbeklagten. Der Schaden sei dadurch herbeigeführt worden, dass Lieferungen über 29.458 t Eisenschrott mit einem Einkaufspreis von 2.445.325,32 EUR durch gemeinsames Zusammenwirken der drei Beklagten fingiert worden seien.

Der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte wendeten Verjährung sowie die Mäßigung der Ersatzpflicht nach dem DHG ein. Sie hätten die Schrottlieferungen immer genau überprüft. Von gefälschten Stampiglien hätten sie nichts gewusst. Der Drittbeklagte bestritt, Schrottlieferungen fingiert zu haben. Der Klägerin hätte das Fehlen von mehr als 28.000 t Schrott auch auffallen müssen.

Das Erstgericht verurteilte (im zweiten Rechtsgang) die Beklagten zur ungeteilten Hand zu einem Schadenersatzbetrag von 587.644,98 EUR sowie den Drittbeklagten zusätzlich zu einem Schadenersatzbetrag von 1.762.934,94 EUR. Der Verjährungseinwand sei nicht berechtigt. Der Drittbeklagte habe vorsätzlich, der Erst- und der Zweitbeklagte grob fahrlässig gehandelt. Insgesamt erscheine eine Mäßigung des Schadenersatzanspruchs der Klägerin gegenüber dem Erst- und dem Zweitbeklagten auf ein Viertel gerechtfertigt. Eine weitere Mäßigung erscheine aufgrund des groben Fehlverhaltens nicht vertretbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Drittbeklagten nicht, der Berufung des Erst- und des Zweitbeklagten hingegen teilweise Folge. Dementsprechend verurteilte es die Beklagten zur ungeteilten Hand zu einem Schadenersatzbetrag von 60.000 EUR sA sowie den Drittbeklagten darüber hinaus zu einem Schadenersatzbetrag von weiteren 2.290.579,92 EUR sA. Die Verjährungsfrist des § 1489 ABGB sei mit Rücksicht auf das von der Klägerin eingeholte Sachverständigengutachten gewahrt worden. Den Erst- und Zweitbeklagten sei jedoch darin zuzustimmen, dass ihre Ersatzpflicht unter Berücksichtigung der Billigkeitskriterien zu hoch bemessen worden sei. Die vom Erstgericht festgesetzte Solidarhaftung würde nämlich ihre Existenzgrundlage gefährden. Unter diesem Aspekt werde ein Solidarhaftungsbetrag der drei Beklagten in Höhe von 60.000 EUR für angemessen erachtet. Zur Argumentation des Drittbeklagten sei schon im ersten Rechtsgang geklärt worden, dass der Betrugstatbestand iSd § 146 StGB durch dessen Verhaltensweisen erfüllt sei. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil keine über die Bedeutung des Einzelfalls hinausgehenden Rechtsfragen zu klären gewesen seien.

Gegen diese Entscheidung richten sich die Revisionen der Klägerin sowie der Erst- und Zweitbeklagten. Die Revision der Klägerin wendet sich nur gegen den Erst- und den Zweitbeklagten und zielt darauf ab, die Solidarverpflichtung der drei Beklagten mit 235.080 EUR (10 % des geltend gemachten Schadens) festzusetzen. Die Erst- und Zweitbeklagten streben mit ihrer Revision eine Herabsetzung ihrer Schadenersatzpflicht auf jeweils 10.000 EUR sA an.

Mit ihren ‑ durch den Obersten Gerichtshof freigestellten ‑ Revisionsbeantwortungen beantragen die Erst‑ und Zweitbeklagten einerseits bzw die Klägerin andererseits, das jeweilige Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil zur Bestimmung der Schadenersatzpflicht bei Zusammentreffen von haftungsbegünstigten Dienstnehmern einerseits und einem Dritten andererseits eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Die Revision der Klägerin erweist sich auch als teilweise berechtigt. Demgegenüber ist die Revision der Erst- und Zweitbeklagten nicht berechtigt.

1. Die Revision der Klägerin wendet sich hinsichtlich der Schadenersatzpflicht der Erst- und Zweitbeklagten gegen das Ausmaß der Mäßigung nach § 2 DHG sowie gegen die Berücksichtigung der Gefährdung der Existenzgrundlage als Mäßigungskriterium. Wenn es schon keine fixe Grenze für das Mäßigungsrecht gebe, müsse zumindest eine relative Grenze oder eine absolute Untergrenze definiert werden.

Die Erst- und Zweitbeklagten wenden sich zunächst gegen die Zulässigkeit einer Solidarverpflichtung nach erfolgter individueller Mäßigung. Richtigerweise seien die Anteile mehrerer Schädiger nach erfolgter Mäßigung bestimmt, weshalb eine Solidarhaftung nicht mehr in Betracht komme. Zudem erachten sie die Mäßigung durch das Berufungsgericht als zu gering. Die Mäßigung habe auch den Zweck, eine Existenzgefährdung des haftpflichtigen Dienstnehmers zu vermeiden. Die Grenze für diese Existenzgefährdung müsse erheblich über dem Existenzminimum der Exekutionsordnung und den Voraussetzungen für die Entschuldung im Abschöpfungsverfahren liegen.

2. An einer Schädigung des Dienstgebers können mehrere Dienstnehmer oder aber Dienstnehmer und Dritte mitwirken. Ein Dritter unterliegt der Haftung nach den allgemeinen Grundsätzen; beim Dienstnehmer ist die Haftungsbegünstigung nach dem DHG zu beachten (vgl Kerschner, DHG² § 2 Rz 65).

Angemerkt wird, dass die Haftung des Dritten (hier Drittbeklagter) im Anlassfall rechtskräftig feststeht.

3.1 Wirken mehrere Personen an der Schädigung des Dienstgebers mit, so sind sie grundsätzlich Mit- bzw Beitragstäter iSd §§ 1301 f ABGB. Mehrere Täter, die gemeinschaftlich handeln, und deren gemeinschaftliches rechtswidriges Handeln (iSe Gesamtzuwiderhandlung) den Gesamtschaden herbeigeführt hat, haften grundsätzlich, nämlich wenn sich die Schadensanteile nicht bestimmen lassen, solidarisch nach § 1302 ABGB (vgl 5 Ob 39/11p; Kerschner aaO Rz 66; Dirschmied, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz 117).

3.2 Bei Beteiligung eines Dritten und eines Dienstnehmers stößt die Solidarhaftung aber auf gewisse Schwierigkeiten, weil es unbillig wäre, wenn der Dienstgeber den haftunsbegünstigten (privilegierten) Dienstnehmer mit dem gesamten Haftungsbetrag in Anspruch nehmen könnte und der geschützte Dienstnehmer mit dem Regressrisiko belastet wäre. Es stellt sich daher die Frage, auf welche Weise sich das Haftungsprivileg (hier nach § 2 DHG) auf die grundsätzliche Solidarhaftung auswirkt.

Zur Lösung dieses Haftungsproblems stehen im Wesentlichen drei Lösungsansätze zur Verfügung (siehe dazu Kletečka, Solidarhaftung und Haftungsprivileg, ÖJZ 1993, 785). Nach der ersten Variante kann der Geschädigte den Dritten auf den Ersatz des gesamten Schadens klagen, ohne dass dieser beim Privilegierten Regress nehmen kann. Der zweite Ansatz wird als „relative Außenwirkung“ bezeichnet. Der Verletzte behält den ungekürzten Anspruch; dem Dritten soll aber eine Regressforderung gegen den Privilegierten zustehen. In den Verhältnissen „Geschädigter zu Dritter“ und „Dritter zu Privilegierter“ wird die Privilegierung nicht beachtet. Der Privilegierte, der an den Dritten Ersatz geleistet hat, kann Rückgriff gegen den Geschädigten nehmen (Regresszirkel). Nach einer Modifikation dieser Variante kommt dem Privilegierten die Begünstigung im Regressweg abhanden. Beim dritten Lösungsansatz, nämlich jenem der „absoluten Außenwirkung“, wird der Anspruch des Geschädigten gegen den Dritten um jenen Teil gekürzt, den der Privilegierte im Innenverhältnis zwischen den Schädigern zu tragen hat (ungekürzter Dienstnehmeranteil). Der Dritte haftet von vornherein nur für das, was er auch letztlich tragen soll.

3.3 Ausgehend von diesen Lösungsansätzen werden im Schrifttum folgende Auffassungen vertreten:

Nach Dirschmied (aaO 119 f) soll die solidarische Haftung erhalten bleiben, aber nur im Umfang der nach dem DHG gemäßigten fiktiven Schadensanteile der einzelnen Mitschädiger. Unter Berücksichtigung der richterlichen Mäßigung seien die (fiktiven) Schadensanteile der einzelnen Schädiger festzustellen; der einzelne Schädiger könne dann solidarisch zum Ersatz dieser kumulierten Schadensanteile herangezogen werden. Diese Vorgangsweise sichere dem geschädigten Dienstgeber jenen Ersatz, den er auch im Fall eines festgestellten Schadensanteils der einzelnen Schädiger erhalten würde.

Kletečka (ÖJZ 1993, 785) hält diese Lösung von Dirschmied für im Wesentlichen ausgewogen. Es sei richtig, wenn man vor der Mäßigung die im Innenverhältnis bestehenden Anteile der Schädiger bestimme. Zustimmung verdiene die Lösung auch deshalb, weil sie die Solidarschuld teilweise bestehen lasse (reduzierte Solidarhaftung). Dieser Weg sei aber nur dann unproblematisch, wenn der Dienstgeber zunächst den betriebsfremden Schädiger in Anspruch nehme. Klage er zuvor seinen Dienstnehmer, so stünde dieser (bei Zahlungsunfähigkeit des Dritten) schlechter als bei alleiniger Schadensverursachung. Der Vorschlag von Dirschmied bedürfe daher einer Modifizierung. Danach müsse der Anspruch des Dienstgebers gegen den Privilegierten auf das eingeschränkt werden, was der Privilegierte zu ersetzen gehabt hätte, wenn der Schaden von ihm allein herbeigeführt worden wäre. Bei Schädigung durch mehrere Dienstnehmer würden die dargestellten Grundsätze gleichermaßen gelten. Zuerst seien die sich im Innenverhältnis ergebenden Anteile (Dienstnehmeranteile) zu ermitteln. Zur Höhe der Schadenersatzforderung des Geschädigten komme man, wenn man die gemäßigten Anteile errechne und diese sodann addiere. In der Folge müsse noch die Schuld der Schädiger mit dem begrenzt werden, was sie bei alleiniger Schadensverursachung zu leisten gehabt hätten.

Kerschner (aaO Rz 66 f) kritisiert, dass diese Lösungen mit § 1302 ABGB nicht mehr übereinstimmten und den Dienstgeber mit dem Liquiditätsrisiko des einzelnen Dienstnehmers belasteten. Bei Schädigung durch mehrere solidarisch haftende Dienstnehmer hält er eine (einheitliche) Mäßigung für möglich. Bei Schädigung durch einen Dienstnehmer und einen Dritten gelte Folgendes: Werde der Dienstnehmer vom Dienstgeber herangezogen, so bestehe trotz Mäßigung nach DHG der Regress gegen den Dritten so, als ob nicht gemäßigt worden wäre. Das besondere Innenverhältnis zwischen dem Dienstgeber und dem Dienstnehmer berühre das Regressverhältnis nicht. Werde der Dritte vom Dienstgeber herangezogen, so unterliege dessen Regress beim Dienstnehmer auch nicht dem DHG. Dieses gestalte nicht das Innenverhältnis zwischen Drittem und dem Dienstnehmer. Müsse der Dienstnehmer dem Dritten mehr leisten, als er dem Dienstgeber ersetzen müsste, so bestehe ein Eigenschaden des Dienstnehmers mit einem Risikohaftungsanspruch gegen den Dienstgeber analog zu § 1014 ABGB. Erwägenswert bleibe aber, den Dienstgeber grundsätzlich aufgrund der Fürsorgepflicht anzuhalten, gegen alle schädigenden Dienstnehmer nur im Ausmaß ihrer Regressquote vorzugehen und gegen den Dritten nur einen um die Regressquote der Dienstnehmer gekürzten Betrag geltend zu machen.

3.4 Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen: Nach dem Schutzzweck des DHG erscheint es sachgerecht, den Dienstnehmer bei Beteiligung eines Dritten nicht, auch nicht solidarisch, mit dem gesamten Haftungsbetrag und damit mit dem Regressrisiko zu belasten. Ebenso wäre es unbillig, einen vorsätzlich schädigenden Dritten aufgrund der Beteiligung eines (hier grob fahrlässig handelnden) Dienstnehmers zu begünstigen. Unter Bedachtnahme auf diese Zielsetzungen erscheint es geboten, die Solidarhaftung teilweise zu durchbrechen. Dabei tritt der erkennende Senat den Überlegungen von Kletečka bei, dass die Ersatzpflicht des Privilegierten mit der Haftung bei alleiniger Schadensverursachung zu begrenzen ist. In diesem Umfang haftet der Dienstnehmer mit dem Dritten solidarisch. Zwischen den (neben dem Dritten) mehreren beteiligten privilegierten Dienstnehmern kommt es hingegen nicht zur Solidarhaftung.

Nach diesen Grundsätzen ist zunächst der gemäßigte Dienstnehmeranteil für jeden einzelnen (fahrlässig handelnden) privilegierten Haftpflichtigen zu ermitteln und in diesem Umfang jeweils die Solidarhaftung mit dem Dritten auszusprechen. Der Dritte haftet darüber hinaus allein für den restlichen Schaden als seinen eigenen Haftungsanteil.

4.1 Zur Ermittlung des für den Erstbeklagten und den Zweitbeklagten maßgebenden Ersatzbetrags muss im Weiteren geprüft werden, inwieweit eine Mäßigung ihrer Haftung gerechtfertigt ist.

Im Rahmen der Mäßigung nach Billigkeit hat im Sinne eines beweglichen Systems eine Gesamtbetrachtung der relevanten Mäßigungskriterien zu erfolgen (Kerschner aaO Rz 42; Windisch‑Graetz in ZellKomm § 2 DHG Rz 28). Im Rahmen des beweglichen Systems können die Kriterien grundsätzlich sowohl die Mäßigung erhöhen als diese auch wieder vermindern oder aufheben (Kerschner aaO Rz 46).

4.2 Im Allgemeinen lassen sich die Mäßigungskriterien danach ordnen, ob sie dem Betriebsrisiko des Dienstgebers oder der subjektiven Sphäre des Dienstnehmers zugehören (Kerschner aaO Rz 44).

Vorrangiges Mäßigungskriterium ist das Verschulden. Wenn eine Zuordnung eines Mäßigungselements zum Verschulden möglich ist, so hat diese dort stattzufinden (Kerschner aaO Rz 45, 48 und 59).

Die Verantwortung des Dienstnehmers ist auf seine Stellung bzw Funktion im Betrieb zu beziehen. Besondere Sorgfaltspflichten schlagen sich im Allgemeinen schon im Verschuldensausmaß nieder. Ist eine besondere Verantwortung entsprechend abgegolten, so wirkt sich dies mindernd auf die Mäßigung aus. Eine besondere Verantwortung kann auch durch ein großes Schadensausmaß begründet sein (Kerschner aaO Rz 49; vgl auch Windisch‑Graetz aaO Rz 30). In § 2 Abs 2 DHG sind noch die (schlechte) Ausbildung des Dienstnehmers (einschließlich geringer Fähigkeiten und Kenntnisse), die (schlechten) Arbeitsbedingungen (einschließlich einer verbesserungsfähigen Betriebsorganisation) und die Schadensgeneigtheit der Tätigkeit als Mäßigungskriterien genannt.

4.3 Nach einhelliger Ansicht sind diese Kriterien nur demonstrativ aufgezählt (Kerschner aaO Rz 43 und 54; Windisch‑Graetz aaO Rz 35). In der Literatur wird aber teilweise bezweifelt, ob rein subjektive Kriterien, die mit der Arbeitsleistung in keinem Zusammenhang stehen, den gesetzlichen Kriterien gleichwertig sind. Dementsprechend stößt die allgemeine Berücksichtigung der Sorgepflichten des Dienstnehmers, seiner Einkommensverhältnisse und seiner Vermögensverhältnisse (ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Dienstgebers) auf Kritik (Kerschner aaO Rz 54 f mwN; Windisch‑Graetz aaO Rz 35).

4.4 Das vorrangige Kriterium der groben Fahrlässigkeit spricht gegen die Erst- und Zweitbeklagten. Die für eine Mäßigung sprechenden Kriterien, wie ihre Verantwortung bei geringem Entgelt und geringen Fähigkeiten sowie der Umstand einer verbesserungswürdigen Betriebsorganisation, bleiben deutlich im Hintergrund. Bei grober Fahrlässigkeit soll nicht zuletzt aus Präventivgründen grundsätzlich ein erheblicher Ersatzbetrag verbleiben (Kerschner aaO Rz 58). Unter reiner Zugrundelegung der angeführten Mäßigungskriterien scheidet eine deutliche Mäßigung somit aus.

4.5 Als Gesamtergebnis der Mäßigung kommt es letztlich aber nicht auf die Haftungs- oder Mäßigungsquote, sondern auf die Belastung des Dienstnehmers an (Kerschner aaO Rz 43). In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass durch die Zahlungspflicht die Existenzgrundlage des Dienstnehmers nicht gefährdet werden darf. Dementsprechend wird in den Gesetzesmaterialien zur DHG‑Novelle 1983 (RV 1280 BlgNR XV. GP) festgehalten, dass nunmehr auch im Fall grober Fahrlässigkeit eine Mäßigung der Ersatzpflicht möglich ist, um zu vermeiden, dass die Existenzgrundlagen von Arbeitnehmern gefährdet oder gar vernichtet wird.

Da eine übermäßige finanzielle Belastung des Dienstnehmers zu einer Existenzgefährdung führen kann (vgl auch Dirschmied aaO 141), hat nach Abwägung der Mäßigungskriterien bei besonders hohen Schadensbeträgen eine Art Kontrollrechnung stattzufinden, die dem Dienstnehmer die Sicherung der Existenzgrundlage ermöglichen soll. In dieser Hinsicht ist auf die sozialen Verhältnisse des Dienstnehmers, vor allem auf seine Sorgepflichten, seine Einkommensverhältnisse und finanziellen Belastungen sowie seine Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen. Entgegen den Ausführungen in den Rechtsmitteln ist aber weder eine absolute oder relative Untergrenze der Haftung zu definieren noch die Berechnung nach einer festen Formel, etwa in Relation zum Existenzminimum, vorzunehmen. Vielmehr hat eine überschlagsmäßige Kontrolle unter Bedachtnahme auf die rücksichtswürdigen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.

4.6 Ausgehend von den persönlichen Verhältnissen des Erstbeklagten erscheint bei einer besonders sparsamen Lebensweise unter Ausschöpfung aller Finanzierungsmöglichkeiten, etwa auch einer Belastung seines Liegenschaftseigentums, ein Betrag von monatlich 500 EUR finanzierbar und ein Ersatzbetrag (im Innenverhältnis) von 60.000 EUR zumutbar. Dasselbe gilt für den Zweitbeklagten. Dieser hat zwar ein etwas geringeres Familieneinkommen, dafür aber wesentlich geringere Schulden, die derzeit nicht zurückgezahlt werden müssen.

5.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Sind an der Schädigung des Dienstgebers neben einem Dritten auch (fahrlässig handelnde) haftungsbegünstigte Dienstnehmer beteiligt, so ist die Ersatzpflicht des Privilegierten mit seiner Haftung bei alleiniger Schadensverursachung begrenzt. Im Umfang seines gemäßigten Dienstnehmeranteils haftet der einzelne Dienstnehmer mit dem Dritten solidarisch. Der (hier vorsätzlich handelnde) Dritte haftet darüber hinaus für den restlichen Schaden allein. Bei besonders hohen Schadensbeträgen hat nach Abwägung der Mäßigungskriterien zur Vermeidung einer Existenzgefährdung des einzelnen haftungsbegünstigten Dienstnehmers eine überschlagsmäßige Kontrollrechnung stattzufinden, in deren Rahmen auf dessen sozialen Verhältnisse Bedacht zu nehmen ist.

5.2 Diese Grundsätze führen zu einer Solidarverpflichtung sowohl des Erstbeklagten einerseits als auch des Zweitbeklagten andererseits jeweils mit dem Drittbeklagten in Höhe von je 60.000 EUR. Davon ausgehend errechnet sich der weitere, alleinige Haftungsanteil des Drittbeklagten mit 2.230.579,92 EUR.

Dies führt in teilweiser Stattgebung der Revision der Klägerin zu einer teilweisen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Der Revision der Erst- und Zweitbeklagten war hingegen der Erfolg zu versagen.

Die Übertragung der Entscheidung über die Kosten des bisherigen Verfahrens gründet sich auf einen Größenschluss aus § 510 Abs 1 letzter Satz ZPO und auf die Überlegung, dass der Oberste Gerichtshof mit Kostenfragen grundsätzlich nicht übermäßig belastet werden soll (vgl 9 Ob 34/10f; 3 Ob 182/11b; 1 Ob 258/11i). Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41, 43 Abs 2 und 50 ZPO. Die Klägerin hat Anspruch auf Ersatz der gesamten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung. Mit ihrer eigenen Revision ist sie rechnerisch rund zur Hälfte durchgedrungen, weshalb sie ‑ bei sonstiger Kostenaufhebung ‑ Anspruch auf Ersatz von 50 % der von ihr aufgewendeten Pauschalgebühren hat.

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