OGH 3Ob97/12d

OGH3Ob97/12d11.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*****, vertreten durch Hohenberg Strauss Buchbauer Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Mag. Christian Fauland, Rechtsanwalt in Graz, wegen Beseitigung und Unterlassung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. März 2012, GZ 5 R 197/11x-56, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 24. August 2011, GZ 14 Cg 246/09f-51, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte ist die Leasingnehmerin einer mit einem Wegerecht belasteten Liegenschaft, deren Eigentümerin die Leasinggeberin ist. Die Besonderheit des Sachverhalts liegt darin, dass der von den Rechtsvorgängern im Eigentum von dienenden und herrschenden Grundstücken geschlossene Servitutsbestellungsvertrag aus dem Jahr 1967 zwar auf den Wegverlauf in der Natur und auf einen als wesentlichen Bestandteil bezeichneten Teilungsplan verweist, der eine zutreffende Darstellung dieses Wegverlaufs in der Natur enthält, als dienend aber nur die zwei Grundstücke 882 (nunmehr 882/1) und 172/1 benennt, obwohl auch damals schon ein Teil des Wegs über das nicht erwähnte Grundstück 195/2 führte. Während der schon seit 1938 bestehende etwa 150 m lange Weg auf der einen Seite in Kurven verläuft, ergab und ergibt ein Verlauf des Wegs nur über 882 (882/1) und 172/1 eine im Wesentlichen gerade Strecke. Im C-Blatt der belasteten EZ wurden als dienende Grundstücke nur die Grundstücke 882 und 172/1 genannt, sodass sich aus dieser Grundbuchseintragung ein gerader Verlauf des Servitutswegs ergibt; ein solcher hat aber jedenfalls seit 1938 nicht bestanden, sondern seither unverändert der auch heute noch in der Natur befindliche Weg mit Kurven über die Grundstücke 195/2, 882/1 und 172/1.

Rechtliche Beurteilung

Dem Argument der Beklagten, der Verlauf des bestehenden Wegs über Grundstück 195/2 stelle eine unzulässige Ausweitung des Wegerechts dar, ist kurz (§ 510 Abs 3 ZPO) Folgendes entgegen zu halten:

Wer einen gültigen Titel besitzt, ist bei offenkundigen Dienstbarkeiten, bei denen das Eintragungsprinzip nach herrschender Ansicht durchbrochen wird, trotz Nichtverbücherung geschützt (RIS-Justiz RS0011631; RS0034803; RS0111211).

Das Ergebnis der Auslegung des Servitutsbestellungsvertrags (= Teilungsvertrag aus 1967) ist keinesfalls unvertretbar, weil im Teilungsvertrag aus 1967 (Punkt IX S 6) die Dienstbarkeit „auf der in der Natur ersichtlichen … durch den Schloßhof führenden Straße ...“ vereinbart wurde, diese jedenfalls seit 1938 so - mit Kurven - verlief, wie das auch heute noch in der Natur der Fall ist, der Teilungsvertrag aus 1967 den Teilungsplan mit AZ ausdrücklich als „wesentlichen Bestandteil“ des Vertrags nennt (Punkt I. letzter Absatz) und sich am Teilungsplan im Rahmen der Naturdarstellung 1 : 2880 eine vollständige Aufnahme des Wegs befindet, dessen eingezeichnete Führung dem (damaligen und heutigen) Verlauf in der Natur im Wesentlichen entspricht. Zweifel an der Absicht der die Dienstbarkeit bei der Teilung 1967 vereinbarenden Liegenschaftseigentümer, das Wegerecht an dem auch heute noch in der Natur vorhandenen Weg mit Kurven zu begründen, sind daher nicht im Geringsten angebracht; die weitere Beschreibung dieses Verlaufs im Vertragstext als „über das Grundstück 882 - Wiese und in seiner Verlängerung über das Grundstück 172/1 - Wiese als den dienenden Grundstücken“ - führend stellt ganz offensichtlich einen Irrtum (des Vertragsverfassers) im Sinn einer unschädlichen, bloß unrichtigen Bezeichnung der betroffenen Grundstücke dar, weil der Verweis auf den natürlichen Verlauf die wahre Absicht der Vertragsparteien ausreichend erkennen lässt. Die Klägerin kann sich daher auf einen Titel ihrer Grunddienstbarkeit berufen, der auch das Grundstück 195/2 als dienendes erfasst.

Nachdem der Weg seit 1938 den auch heute noch bestehenden Verlauf (auch über Grundstück 195/2) hatte, also auch 1967 und bei einer späteren Übertragung des Eigentums an der belasteten Liegenschaft so in der Natur ersichtlich war, ist über die gesamte Zeit von der Offenkundigkeit des Wegverlaufs über das Grundstück 195/2 auszugehen. Daher schadet die unterbliebene Nennung des Grundstücks 195/2 im C-Blatt des Grundbuchs der dienenden Liegenschaft der Klägerin nicht.

Das muss auch die Beklagte, die ihre Rechtsposition nur von jener der Eigentümerin der dienenden Grundstücke als ihre Vertragspartnerin ableiten kann, gegen sich gelten lassen.

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