OGH 4Ob101/12z

OGH4Ob101/12z10.7.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** N*****, vertreten durch Korn Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Zahlung (Streitwert im Provisorialverfahren 60.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. April 2012, GZ 2 R 29/12t-10, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. Jänner 2012, GZ 22 Cg 72/11y-6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Vorinstanzen verboten der Beklagten mittels einstweiliger Verfügung, Abbildungen des Klägers ohne seine Einwilligung zu veröffentlichen, wenn gleichzeitig in der Textberichterstattung unter Hinweis auf ein anhängiges Strafverfahren behauptet werde, der Kläger könnte im Zuge von Ermittlungen Beweise gefälscht, insbesondere Aktenvermerke verändert, falsch datiert oder konstruiert haben. Die Verdachtslage gegen den Kläger habe nur auf der Anzeige des wegen der Ermittlungstätigkeit des Klägers strafgerichtlich Verurteilten beruht, welche von der Staatsanwaltschaft unverzüglich, noch bevor der beanstandete Artikel mit dem Lichtbild des Klägers erschienen sei, mangels Herstellung des objektiven Tatbestands der behaupteten Delikte zurückgelegt worden sei. Selbst wenn der Artikel unter diesen Gegebenheiten zutreffend nur auf die durch die Anzeige des Verurteilten begründete Verdachtslage gegenüber dem Kläger verwiesen habe, die in keiner Weise objektiviert gewesen sei, sei eine identifizierende Berichterstattung durch Veröffentlichung eines Lichtbilds des Klägers konkret nicht zulässig gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte vermag keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

Nach § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen nicht veröffentlicht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen der Abgebildeten verletzt würden. Bei der danach gebotenen Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums ist auch der Begleittext der Veröffentlichung zu beachten. Bei einem Bericht über einen im Kern wahren Sachverhalt fällt die Interessenabwägung gewöhnlich zu Gunsten des Mediums aus (zuletzt etwa 4 Ob 166/10f mwN). Daneben sind bei Berichten über den Verdacht einer strafbaren Handlung oder über eine strafgerichtliche Verurteilung auch die Wertungen des § 7a MedienG zu berücksichtigen, nach denen ein - hier zweifellos verletzter - Identitätsschutz bestehen kann (RIS-Justiz RS0122587). Allerdings ist die Identität von Erwachsenen, die eines Verbrechens verdächtig sind oder wegen eines solchen verurteilt wurden, nur dann geschützt, wenn die Veröffentlichung ihr Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigen kann (RIS-Justiz RS0108482). Dabei wird nicht danach unterschieden, ob das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen durch Wort- oder durch Bildberichterstattung verletzt wird, der Schutz der Identität wird somit in beiden Fällen gleich beurteilt (4 Ob 166/10f mwN). Die somit erforderliche Abwägung zwischen den jeweils grundrechtlich geschützten Interessen des Mediums an einer identifizierenden Berichterstattung (Art 10 EMRK) und des Betroffenen an der Wahrung seiner Anonymität (Art 8 EMRK) hat sich nach den jeweiligen Umständen des konkreten Einzelfalls zu richten und wirft daher - vom im Interesse der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifender Fehlbeurteilung abgesehen - grundsätzlich keine erheblichen Rechtsfragen nach § 528 Abs 1 ZPO auf.

Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich wesentlich von jenem, welcher der von der Beklagten herangezogenen Entscheidung 4 Ob 166/10f zugrunde lag, weshalb kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu erkennen ist. Dort war die Verdachtslage insoweit objektiviert, als eine dienstbehördliche Suspendierung des Angezeigten erfolgt war. Hier wurde hingegen die Anzeige unverzüglich (unter anderem) mangels behaupteten objektiven Tatbestands zurückgelegt. Überdies unterließ es die Beklagte, dem Betroffenen Gelegenheit zu einer Äußerung zu geben, was zweifellos den Hinweis auf die Zurücklegung der Anzeige ergeben hätte.

Bei der Interessenabwägung bei einer Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit einer Darstellung von Unregelmäßigkeiten oder Straftaten gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs; nicht in allen Fällen, in denen die Öffentlichkeit Anlass hat, sich mit einer Einzelperson zu befassen, kann auch ein echtes Bedürfnis danach bejaht werden, ein Bild dieser Einzelperson zu sehen (RIS-Justiz RS0077883).

Wenn sich die Beklagte darauf beruft, einen im Kern wahren Begleittext verbreitet zu haben, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nach dem maßgeblichen Gesamteindruck ein aufgrund der Anzeige des Verurteilten, der von einem bekannten, namentlich und mit Bild genannten Strafverteidiger unterstützt wird, noch laufendes Strafverfahren gegen den Kläger suggeriert, was im Hinblick auf die sofortige Verfahrenseinstellung nicht den Tatsachen entspricht. Die Herabsetzung einer Person durch unwahre Tatsachenbehauptungen überschreitet das Maß einer zulässigen Kritik und kann selbst im Weg einer umfassenden Interessenabwägung oder mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gerechtfertigt werden, was auch auf Bildberichterstattung zutrifft (RIS-Justiz RS0075403).

Stichworte