Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichts, das hinsichtlich des Teilzuspruchs von 3.700 EUR sA in Rechtskraft erwachsen ist, wird hinsichtlich der noch strittigen Klagsforderung von 19.019,60 EUR sA dahin abgeändert, dass insoweit das klagsabweisende Ersturteil wiederhergestellt wird.
Über die Kosten des gesamten Verfahrens hat das Erstgericht zu entscheiden.
Text
Entscheidungsgründe:
Die vom klagenden Masseverwalter vertretene Gemeinschuldnerin war Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich das Gasthaus „Z*****“ samt Zubau befand, welches bei der Beklagten gegen Gebäudeschäden zu den „Klipp & Klar“-Bedingungen für die Einbruchsdiebstahl-, Feuer-, Leitungswasser- und Sturmversicherung (kurz: BEFLS) versichert war. Deren Art 6 enthält eine (strenge) Wiederherstellungsklausel, wonach der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf die den Zeitwert übersteigende Versicherungssumme nur dann erwirbt, wenn die Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung versicherter Sachen binnen drei Jahren nach dem Schadensfall sichergestellt ist.
Am 2. 1. 2006 kam es am Zubau des Gasthauses zu einem Schneedruckschaden mit Wiederherstellungskosten von 56.119,34 EUR netto. Der Gebäudeneuwert betrug zum Schadenszeitpunkt 33.880 EUR und der Bauzeitwert rund 9.500 EUR.
Auf Grund einer Begutachtung vom 1. 8. 2005 war der Neubauherstellungswert des Zubaus von einem Sachverständigen der Beklagten mit ungefähr 42.600 EUR geschätzt worden. Rund vier Wochen nach dem Schaden ermittelte ein gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Auftrag der Beklagten einen Gebäudeschadensneuwert von 16.201,79 EUR und einen Gebäudezeitwert von 9.100 EUR.
Am 24. 2. 2006 wurden im Auftrag der Gemeinschuldnerin die Kosten der Wiederherstellung des Zubaus mit 59.854,34 EUR ermittelt.
Die Beklagte zahlte insgesamt 14.860,40 EUR für den Gebäudeschaden.
Wegen Geldmangels der Gemeinschuldnerin und infolge fehlender Zwischenfinanzierungsmöglichkeit wurde der nach der Schneeschmelze abgetragene Zubau nicht wiederhergestellt.
Über das Vermögen der Gemeinschuldnerin wurde am 25. 9. 2006 der Konkurs eröffnet. Der Kläger (Masseverwalter) verkaufte die Liegenschaft am 9. 3. 2007, ohne die Wiederherstellung durch den Käufer sicherzustellen. Die Neuerrichtung des Zubaus war niemals Inhalt der Verkaufsverhandlungen.
Der Kläger begehrte zunächst 45.357,34 EUR aus dem Versicherungsvertrag als Differenz zwischen Zeitwert und Wiederherstellungskosten. Der Oberste Gerichtshof hat dazu im ersten Rechtsgang - nach bereits rechtskräftiger Teilabweisung von 4.098,40 EUR sA - ausgesprochen, dass ein solcher Anspruch mangels tatsächlicher Wiederherstellung oder Sicherstellung nicht fällig sei (7 Ob 18/10p).
Im zweiten Rechtsgang war nur noch ein Schadenersatzbegehren von 41.258,94 EUR sA zu prüfen, das der Kläger im Wesentlichen damit begründete, dass die Wiederherstellung wegen des Verkaufs nunmehr unmöglich sei, aber der Zubau wiedererrichtet und ein höherer Verkaufspreis erzielt worden wäre, wenn die Beklagte dem Kläger die tatsächliche Neuwertentschädigung vor dem Verkauf bekannt gegeben hätte. Die Wiederherstellungskosten seien vom Sachverständigen der Beklagten in seinem Gutachten zumindest fahrlässig unrichtig (anstatt mit zumindest 50.000 bis 55.000 EUR lediglich mit 16.201,79 EUR als Gebäudeschadensneuwert) angesetzt worden. Daher sei es der Gemeinschuldnerin nicht möglich gewesen, eine fristgerechte Wiederherstellung vorzunehmen. Dieses Gutachten sei der Beklagten zuzurechnen. Nach der allerletzten - nur einen Teil des ursprünglichen Begehrens umfassenden - Aufschlüsselung des Anspruchs setzt sich dieser nach Ansicht des Klägers aus der (durch die unterbliebene Wiedererrichtung des Zubaus entgangenen) Werterhöhung der Gesamtliegenschaft von 33.880 EUR, zuzüglich der Entschädigung für erforderliche bauliche Verbesserungen von 3.700 EUR (Art 6 Punkt 2 letzter Absatz der BEFLS), abzüglich der geleisteten Teilzahlung der Versicherung von 14.860,40 EUR zusammen und beträgt somit insgesamt 22.719,60 EUR (vgl die Berufung des Klägers ON 113).
Die Beklagte wendete - soweit noch von Bedeutung - ein, sie habe einen regelmäßig beigezogenen Sachverständigen, der über eine langjährige Berufserfahrung und die nötigen Fachkenntnisse verfügte und dessen Gutachten immer korrekt gewesen seien, mit der Gutachtenserstattung zur Höhe des kausalen Schadens beauftragt. Dieser habe in seinen Stellungnahmen die - im Einzelnen dargelegten - Fehler in den Privatgutachten leicht nachvollziehbar dargelegt und die der Gemeinschuldnerin offerierte Neuwertentschädigung korrekt ermittelt. Daher fehle es an einem vertrags- bzw rechtswidrigen Verhalten und an einem vorwerfbaren Verschulden der Beklagten am Zustandekommen des Schadens.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren mangels rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der Beklagten zur Gänze ab. Die Abweisung von 18.539,34 EUR sA blieb unbekämpft.
Das Berufungsgericht gab der das Ersturteil im Umfang von 22.719,60 EUR sA anfechtenden Berufung des Klägers Folge, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung dieses Betrags und ließ die ordentliche Revision zu. Die Beklagte habe schuldhaft und rechtswidrig ein unrichtiges Deckungsangebot unterbreitet und die Gemeinschuldnerin dadurch am Vermögen geschädigt. Die Beklagte habe nicht bewiesen, dass sie diesbezüglich kein Verschulden treffe und könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Wiederherstellung nicht gesichert gewesen sei, weil diese nur wegen ihres unrichtigen Deckungsangebots unterblieben sei.
Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs „zu den einzuhaltenden Sorgfaltspflichten eines Versicherers bei der Feststellung der Höhe des Schadens bei von ihren Sachverständigen unmittelbar vor und nach dem Schadensfall auffallend unterschiedlich ermittelten Höhen der Entschädigung“ fehle.
Gegen den Zuspruch von 19.019,60 EUR sA richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren auch in diesem Umfang abgewiesen wurde; hilfsweise wird insoweit ein Aufhebungsantrag gestellt.
In seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und im Sinn einer Wiederherstellung des klageabweisenden Ersturteils - mit Ausnahme des vom Berufungsgericht unangefochten zuerkannten Teilbetrags von 3.700 EUR sA - auch berechtigt.
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (nach den bereits rechtskräftigen Teilabweisungen der Vorinstanzen und der ausdrücklichen Anfechtungserklärung der Revision) nur noch eine - auf die mangels Wiederherstellung des Zubaus unterbliebene Werterhöhung der Liegenschaft gestützte - Schadenersatzforderung von 19.019,60 EUR (22.718,60 EUR abzüglich 3.700 EUR). Soweit der Kläger seinen Anspruch in der Revisionsbeantwortung - dem Berufungsgericht folgend - hingegen weiterhin daraus ableiten will, dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, eine Neuwertentschädigung zu leisten, sind daher (neuerlich) folgende Klarstellungen geboten.
Nach Art 6 der hier anzuwendenden BEFLS erwirbt der Versicherungsnehmer „den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils der Entschädigung nur insoweit, als deren Verwendung zur Wiederherstellung oder Wiederbeschaffung versicherter Sachen innerhalb dreier Jahre nach dem Schadenfall sichergestellt ist“. Dabei handelt es sich - wie bereits im ersten Rechtsgang zu 7 Ob 18/10p näher dargelegt wurde - um eine strenge Wiederherstellungsklausel, die nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0081840; vgl auch RS0081460) weder eine Wiederherstellungspflicht noch eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers begründet, sondern im Sinn einer Risikoabgrenzung oder Risikobegrenzung an das Vorliegen eines objektiven Tatbestandsmerkmals insofern Rechtsfolgen knüpft, als die Leistung einer den Zeitwert übersteigenden Entschädigung davon abhängig gemacht wird, dass gesichert ist, dass die Entschädigung zur Wiederbeschaffung der zerstörten oder gestohlenen Gegenstände verwendet wird (Kollhosser in Prölss/Martin VVG27 Rz 1a; 7 Ob 167/10z). Durch die Wiederherstellungsklausel wird mittelbarer Zwang auf den Versicherungsnehmer ausgeübt, weil die Fälligkeit dieser Differenz bis zur Sicherung der Wiederherstellung aufgeschoben ist (RIS-Justiz RS0111471; RS0119959; RS0120710; 7 Ob 217/10b und erst jüngst: 7 Ob 190/11h). Die „strenge“ Wiederherstellungsklausel lässt den Anspruch durch den Versicherungsfall zunächst nur in Höhe des Zeitwerts entstehen; der Restanspruch auf die „Neuwertspanne“ entsteht erst dadurch, dass die Wiederherstellung durchgeführt oder (fristgerecht) gesichert ist (RIS-Justiz RS0120710).
Entgegen dieser bereits zu 7 Ob 18/10p im Einzelnen wiedergegebenen ständigen Rechtsprechung macht der Kläger im vorliegenden Fall aber gar nicht geltend, dass die Wiederherstellung fristgemäß erfolgt oder gesichert gewesen sei. Schon mangels eines fälligen Anspruchs auf die „Neuwertspanne“ fehlt den Ausführungen (das „herbeigeführte Unmöglichwerden der Wiedererrichtung“ sei ausschließlich der Beklagten anzulasten; diese sei nämlich nicht bereit gewesen, eine Wiederaufbauentschädigung anzubieten) daher die Grundlage:
Kommt es doch - angesichts des Unterbleibens der Wiederherstellung innerhalb der Dreijahresfrist - für das Entstehen des Anspruchs auf Neuwertspanne auf die rechtzeitige Sicherstellung der Wiederherstellung an. Dazu fehlt aber jedes Vorbringen des Klägers, der insoweit nur ganz allgemein vortrug, er habe angeblich „alles unternommen“, um den Wiederaufbau durchzuführen, und selbst davon ausging, die Wiederherstellungspflichten wären bei der Veräußerung der Liegenschaft auf den Käufer zu überbinden gewesen. Er zielte also - wie zu 7 Ob 18/10p näher begründet wurde - allein auf die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegenüber der Beklagten ab, deren Prüfung dem zweiten Rechtsgang vorbehalten war.
Von diesen Grundsätzen wich jedoch das Berufungsgericht ab, weil es den Standpunkt vertrat, dem Kläger stehe der Differenzbetrag zwischen der von der Beklagten geleisteten Entschädigungszahlung aus dem Versicherungsvertrag und der „bedingungsgemäß zu leisten gewesenen“ (?) Neuwertentschädigung aus dem Titel des Schadenersatzes zu: Ist doch eine Fälligkeit der Geldleistung des Versicherers (iSd § 11 Abs 1 VersVG) hinsichtlich der Neuwertentschädigung - wie 7 Ob 18/10p zu entnehmen ist - nicht eingetreten, sodass auch eine diesbezügliche Verpflichtung zum Ersatz eines Verzögerungsschadens (vgl RIS-Justiz RS0026664) nicht in Frage kommt. Die dazu erstatteten Ausführungen und der Hinweis der Berufungsentscheidung auf die Ersatzpflicht des Versicherers für den im Entgang des Versicherungsschutzes liegenden Schaden im Fall einer Aufklärungspflichtverletzung (vgl RIS-Justiz RS0106981) gehen daher ins Leere.
Nach der vorliegenden Tatsachengrundlage kann vielmehr - wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat - auch aus dem Titel des Schadenersatzes keine Forderung des Klägers gegenüber der Beklagten abgeleitet werden. Die gegenteilige Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Gemeinschuldnerin durch Unterbreitung eines „unrichtigen Deckungsangebots“ schuldhaft und rechtswidrig am Vermögen geschädigt, entfernt sich nämlich von der Tatsachengrundlage der erstgerichtlichen Entscheidung; steht doch das Vorliegen eines der Beklagten zurechenbaren objektiv unrichtigen Gutachtens gerade nicht fest. Festgestellt wurde allein, dass der Sachverständige der Beklagten und die vom Gericht beigezogenen Sachverständigen durchaus in Einklang zu bringende Bauzeitwerte (9.901,79 EUR bzw 9.500 EUR) ermittelten und dass die Beklagte ohnehin alle Maßnahmen getroffen hat, um ihre Pflichten aus dem Versicherungsvertrag zu erfüllen.
Weshalb die Beklagte dem Kläger dennoch Schadenersatz für die infolge unterbliebener Wiedererrichtung des Zubaus entgangene Werterhöhung der Gesamtliegenschaft in der Höhe von 19.019,60 EUR (33.880 EUR abzüglich der Teilzahlung von 14.860,40 EUR) zu leisten hätte, ist auch deshalb nicht einzusehen, weil der Kläger nicht einmal vorgebracht hat, weshalb das Gutachten der Beklagten für den geringeren Verkaufserlös ursächlich gewesen sein sollte; behauptet er doch nur, das unrichtige Gutachten habe „letztlich auch“ zur mangelnden Finanzierung geführt, nicht jedoch, weshalb es auch die Sicherstellung der Wiederherstellung (zB durch den Käufer) verhindert haben sollte.
Maßgebend sind auch hier die - nicht mehr angreifbaren - Feststellungen, die von den Tatsacheninstanzen zu den Ursachen für das Unterbleiben der Wiederherstellung und damit das Fehlen der Voraussetzungen des Anspruchs auf die „Neuwertspanne“ getroffen wurden: Danach scheiterte die Wiederherstellung wegen Geldmangels und fehlender Zwischenfinanzierungsmöglichkeit. Über Auftrag der Gemeinschuldnerin am 24. 2. 2006 waren die Kosten der Wiederherstellung des Zubaus ohnehin mit 59.854,34 EUR von einem Gutachter ermittelt worden. Der Masseverwalter hat die Liegenschaft am 9. 3. 2007 verkauft, ohne die Wiederherstellung durch den Käufer sicherzustellen (die Neuerrichtung des Zubaus war nie Inhalt der Verkaufsverhandlungen).
Es fehlt somit bereits an der - vom Kläger nicht einmal ausreichend behaupteten - Kausalität des angeblich unzutreffenden Gutachtens für den geltend gemachten Schaden. Für einen derartigen Zusammenhang ergeben sich aus den Feststellungen auch keine Anhaltspunkte: Scheiterte eine Sicherstellung der Wiederherstellung doch an den eben dargelegten Umständen und nicht wegen eines falschen, im Auftrag der Beklagten erstatteten Gutachtens.
Das diesbezügliche Klagebegehren wurde daher vom Erstgericht zu Recht abgewiesen, weshalb in Stattgebung der Revision der Beklagten das Ersturteil im von der Revision betroffenen Umfang wiederherzustellen ist.
Da das Berufungsgericht die Kostenentscheidung gemäß § 52 Abs 1 und 2 ZPO idF BBG 2011 (BGBl I 2010/111) vorbehalten hat, entscheidet das Erstgericht nach rechtskräftiger Erledigung der Streitsache über die Kostenersatzverpflichtung für das gesamte Verfahren (§ 52 Abs 3 ZPO idF BBG 2011).
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